SOCIETY traf S.E. Dmitrij Ljubinskij und sprach mit ihm über die EU-Sanktionen, den Krim-Konflikt und das Tourismusjahr Österreich-Russland.
Welche Folgen hatten die bisherigen EU-Wirtschaftssanktionen
für russische Unternehmen in Österreich?
Die russische Wirtschaft schätzt den österreichischen Markt für seine Stabilität und Vorhersehbarkeit. Klagen über politisch motivierte Hindernisse in Österreich habe ich von russischen Geschäftsleuten keine gehört.
Wir haben in der Botschaft eine Liste der wichtigsten russischen Firmen, die in Österreich vertreten und tätig sind. Seit der Einführung der Sanktionen ist das Handelsvolumen zwischen unseren Ländern stark gesunken, wie insgesamt in unseren Beziehungen mit allen EU-Staaten. Wir haben aber keinen einzigen Namen aus dieser Liste streichen müssen. Ich hoffe auch, dass es so bleibt.
Russisch-österreichische Veranstaltungen in der WKÖ sind stets ausgebucht. Das ist auch ein gutes Zeichen, das vom starken gegenseitigen Interesse im Geschäftsbereich zeugt. Inwiefern sind Österreichische Unternehmen welche in Russland tätig sind von den Sanktionen betroffen?
Für die EU-Politiker war von Anfang an klar, dass Russland die Einführung der gegen sie gerichteten Sanktionen nicht unbeantwortet lassen wird. Unser Land wurde gezwungen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um russische Produzenten in einer unfairen Marktsituation zu schützen. So sehen die jetzigen Rahmenbedingungen aus.
Es ist zum Beispiel kein Geheimnis, dass das von unserer Regierung gegenüber EU-Staaten verhängte Lebensmittelembargo auch vielen österreichische Agrarproduzenten den Zugang zu unserem Markt verwehrt hat (und das sind immerhin 144 Millionen potenzielle Verbraucher). Besonders hart hat die Sanktionspolitik der EU die österreichischen Fleisch- und Milchproduzenten getroffen. Aber nochmals – dieser Weg war keinesfalls unsere Entscheidung.
Aber auch der begrenzte Zugriff auf europäische Kredite hat spürbare negative Folgen hinterlassen. Importe von österreichischen Industriewaren, die früher durch das „lange billige Geld“ finanziert wurden, gingen wesentlich zurück. So viel ich weiß verzeichneten die Branchen Maschinenbau und Metallwaren Exportrückgänge im zweistelligen Bereich.
In diesem Kontext möchte ich hervorheben, dass die österreichische Unternehmerschaft sehr weitsichtig in der von Brüssel ausgelösten Sanktionsspirale agiert. Ich kenne kein Beispiel von einer gesunden Firma aus Österreich, die in den letzten drei Jahren den russischen Markt verlassen hat. Im Gegenteil – viele Unternehmer entscheiden sich in Russland zu investieren und als Ausweg aus der bestehenden Situation eröffnen in unserem Land eigene Produktionsstätten. Es hat sich bereits bewiesen: Vor Ort sein lohnt sich.
Denken Sie die tiefen Gräben im Ukraine Konflikt zwischen der EU und Russland können überwunden werden?
Davon bin ich überzeugt. Weder Russland, noch hoffentlich die EU-Staaten können daran interessiert sein, die aktuellen Spannungen in Europa beizubehalten. Es ist immer der Dritte der sich freut, wenn Zwei sich streiten.
Der Ausweg ist allen bekannt – das sind die Minsker Abkommen.
Die EU insgesamt, besonders die Teilnehmer der Normandie-Vier, Deutschland und Frankreich, müssen auf Kiew Druck ausüben, damit die ukrainische Seite endlich zumindest ihre Verpflichtungen zu erfüllen beginnt. Leider aber werden die Indizien immer deutlicher, dass die heutigen Machthaber in der Ukraine überhaupt nicht an einer vernünftigen Lösung interessiert sind. Die Kriegspartei in Kiew ist immer noch stark. Moskau ist bereit seinen Teil der diplomatischen Anstrengungen als Garant der Minsker Abkommen fortzusetzen.
Wie wird Österreich in Russland hinsichtlich seiner Balance als EU-Mitglied und gleichzeitig als verlässlicher Partner Russlands wahrgenommen?
Russland und Österreich pflegen ein traditionell gutes Verhältnis zueinander. Wir verstehen, dass Wien bestimmten Verpflichtungen im Rahmen der EU folgen muss. Wir betrachten die Republik aber als einen verlässlichen Partner, der seine wahren Interessen versteht und eine vernünftige Politik gegenüber unserem Land fortführt. Wir schätzen die Qualität unserer Beziehungen auf bilateraler Ebene.
Welche Prioritäten wird Russland bei der Zusammenarbeit mit Österreich im Energiebereich setzen?
Österreich gehört zu den ältesten westeuropäischen Partnern der russischen, früher sowjetischen, Energiewirtschaft. Heuer werden „Gazprom“ und die OMV bereits das 50-jährige Jubiläum ihrer fruchtbaren Zusammenarbeit zelebrieren FürRussland waren immer drei Dinge wichtig.
Erstens: Unser Land ist ein zuverlässiger Lieferant. Unsere Energiekonzerne erfüllen ihre Verpflichtungen gegenüber europäischen Verbrauchern immer rechtzeitig und im vollen Ausmaß. Kein einziges Mal hat «Gazprom» oder irgendein andere russischer Energiekonzern eine Unterbrechung der Lieferungen verursacht.
Zweitens: Business ist für uns immer Business. Wir sind gegen jegliche Politisierung von Wirtschaftsbeziehungen. Sogar in den heißesten Phasen des Kalten Krieges waren wir unseren Verträgen treu. Das ist das Kernprinzip unserer Außenwirtschaftspolitik und so wird es bleiben.
Drittens: Der russische Markt ist für alle ausländischen Partner,
die an einer beiderseitig fairen und vorteilhaften Zusammenarbeit interessiert sind, offen. Das gilt für die österreichischen Energieunternehmen genauso wie für Firmen aus anderen Branchen.
Russland und Österreich setzen im Zuge des „Tourismusjahr Österreich-Russland“ auf eine engere Zusammenarbeit und bilateralen Austausch in den Bereichen Tourismus und Kultur. Worin liegen die beidseitigen Chancen dieser Partnerschaft?
Beide Länder sind an einer Belebung der gegenseitigen Touristenströme interessiert. Die russische Seite hat bereits einiges in dieser Hinsicht unternommen.
Im Dezember 2016 wurde in Wien das russischen b2b Tourismusbüro «Visit Russia» eröffnet, das die Aufgabe hat, österreichische Touristiker mit dem Reiseangebot in Russland bekannt zu machen. Im Februar und März 2017 haben die russischen Fluggesellschaften „Aeroflot“ und „S7“ im Flughafen Schwechat zwei neue Frequenzen zwischen Moskau und Wien eingeführt.
Nach meinem Wissen sind unsere österreichischen Kollegen in Russland auch sehr aktiv. Die positiven Statistiken für die Wintersaison 2016/2017 sprechen für sich selbst. “Die Russen kommen zurück”, schreiben die Zeitungen.
Russland investiert zurzeit sehr viel in die Entwicklung des Inlandstourismus und hier kann das Know-how von österreichischen Anbietern sehr nützlich sein. Wo liegen die nächsten Schwerpunkte Ihrer Arbeit in Österreich?
Die russisch-österreichischen Beziehungen sind sehr vielfältig. Unsere Länder haben historisch enge Verbindungen in der Wirtschaft und in der Kultur. Wir haben z. B. Dialogmechanismen im Sicherheitsbereich aufgebaut, um unsere Anstrengungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus effektiver zu machen. Das gleiche gilt auch für viele andere Bereiche unserer Zusammenarbeit. Das Aufgabenfeld des russischen Botschafters in Wien ist sehr breit und ich freue mich darüber.
Foto: Russische Botschaft Wien