„Kulturarbeit ist für mich eine mehr als sinnstiftende Arbeit“

Im Interview mit SOCIETY gibt die stellvertretende Leiterin des Österreichischen Kulturforums in Bern, Christiane Zaunmair, Einblicke in die zahlreichen Projekte und die Schwerpunkte der österreichischen Kulturarbeit in der Schweiz und erzählt von den schönsten Aspekten ihrer Arbeit.

Welche Schwerpunkte setzt das österreichische Kulturforum in Bern?

Innerhalb des umfangreichen Betätigungsfelds der Auslandskulturarbeit des österreichischen Außenministeriums, legen wir im Rahmen der generellen Schwerpunkte insbesondere einen Fokus auf Nachwuchsförderung, die Förderung des weiblichen Kunstschaffens und Projekte zum Thema Ökologie und Nachhaltigkeit. So vermitteln wir beispielsweise Musikerinnen und Musikern des Nachwuchsförderprogramms The New Austrian Sound Of Music an schweizerische Kulturveranstalter und versuchen ihnen (Erst-)auftritte in der Schweiz zu ermöglichen. Auch in anderen Genres wie Literatur und Bildender Kunst konnte das Österreichische Kulturforum Bern bereits viele junge Kulturschaffende erfolgreich unterstützen. Die Schweiz ist für diese ein gutes Sprungbrett und wir freuen uns, hier wertvolle Arbeit für den aufstrebenden Nachwuchs leisten zu können. Eine weitere Schwerpunktsetzung ist die Förderung von weiblichem Kunstschaffen, denn immer noch sind Frauen – vor allem in der Musikszene – quantitativ in Kulturprojekten stark unterrepräsentiert. Deshalb hat sich das Österreichische Kulturforum Bern zum Ziel gesetzt, insbesondere Frauen für interessante Projekteinreichungen zu animieren und Projekte, die Geschlechtergerechtigkeit inhaltlich thematisieren, bevorzugt zu unterstützen. Auf eine Ausgewogenheit der Geschlechter legen wir großen Wert. Auch das vom österreichischen Außenministerium in Kooperation mit dem Frauenmuseum Hittisau ins Leben gerufene Frauenförderprojekt „Calliope. Join the dots“, das herausragende österreichische Frauen aus Kunst, Kultur und Wissenschaft vor den Vorhang holt, wird in Form von Wanderausstellungen an unterschiedlichen Orten in der Schweiz umgesetzt. Ein weiterer Fokus in unserer Arbeit, der in der Schweiz von besonders hoher Relevanz ist und hierzulande gerade viel diskutiert wird, sind Projekte zu den Themen Ökologie und Nachhaltigkeit. Hier setzt das Österreichische Kulturforum Bern viele interdisziplinäre Projekte um.

Wie wird das Angebot des österreichischen Kulturforums in Bern angenommen? An wen richtet sich das Programm und welche konkreten Ziele verfolgt man?

Das Österreichische Kulturforum Bern hat – im Unterschied zu vielen anderen Kulturforen – keine eigenen Veranstaltungsräumlichkeiten, das heißt, ein großer Teil der Arbeit besteht darin, inhaltlich relevante österreichische Kulturprojekte an Schweizer Veranstalter zu vermitteln, langfristige Kooperationen zwischen diesen und dem Kulturforum aufzugleisen und aufrecht zu erhalten sowie Projekte schweizweit umzusetzen. Das bedeutet, dass die Veranstaltungen an sehr unterschiedlichen Orten sowohl im städtischen Raum, als auch an dezentralen Orten in der Schweiz stattfinden und ein sehr diverses Publikum erreichen. Das Ziel ist es, gesellschaftlich relevante Inhalte über Kultur- und Wissenschaftsprojekte zu thematisieren. Zahlreiche Veranstaltungen werden durch Publikumsgespräche ergänzt.

An Kulturarbeit finde ich am schönsten, wie sich eine vage Idee in ein konkretes Projekt entwickelt.

Es wird vom schweizerischen Publikum sehr geschätzt, dass Österreich mit seiner Auslandskulturarbeit Projekte von hoher Aktualität unterstützt und eine sehr innovative und interdisziplinäre Zielsetzung verfolgt. Das längst überholte Klischee von Österreich als vergangenheitsorientierter und traditionsbehafteter Kulturnation wird vom Österreichischen Kulturforum Bern ganz und gar nicht bedient. Die innovative und zukunftsorientierte Zielsetzung der Projekte spricht demnach auch ein offenes, modernes und gesellschaftskritisches Publikum an. Es ist immer wieder erfreulich, wie viele positive Rückmeldungen wir von Besucherinnen und Besuchern und schweizerischen Veranstaltern für unsere Programme erhalten.

Welche Verbindungslinien gibt es zwischen der österreichischen und schweizerischen Kultur?

In der Schweiz wie in Österreich findet ein reges Kulturleben auf sehr hohem Niveau statt. Auch die Schweiz weist eine hohe Dichte an Kultureinrichtungen auf. Auffallend ist, wie vielfältig und stark die freie Szene in der Schweiz ist. Das dichte Netzwerk an Kunst- und Kultureinrichtungen im Land und ähnliche inhaltliche Interessensschwerpunkte wie beispielsweise an Projekten zum Thema Nachhaltigkeit bieten zahlreiche gute Anknüpfungspunkte in der Zusammenarbeit von österreichischen Kunstschaffenden und schweizerischen Kooperationspartnern.

Besonders verbindend sind Initiativen zum Thema Alpenraum. Hier sind Projekte sämtlicher Sparten zu finden, von Freiluftausstellungen, bis hin zu Filmvorführungen und Vorträgen. Letztes Jahr konnte beispielsweise zum Thema Artensterben im alpinen Raum mit „SympoieticSoundings“ ein interdisziplinäres Kunstprojekt in Verbier umgesetzt werden. Auch in der Musik spielt der Alpenraum eine große Rolle. Ein Beispiel hierfür ist die Kooperation mit dem biennalen Musikfestival „Alpentöne“, das sich auf innovative, zeitgemäße und originelle Projekte aus dem Bereich der experimentellen Volksmusik spezialisiert hat und Traditionen, die sowohl in Österreich als auch in der Schweiz beheimatet sind, innovativ weiterdenkt.

Inwiefern ist die Mehrsprachigkeit des Landes eine Herausforderung für die Programmgestaltung?

Die Mehrsprachigkeit der Schweiz ist für Projektkooperationen in den Bereichen Musik oder Bildender Kunst keine besondere Herausforderung. Auch Filme sind meist schon untertitelt, ansonsten haben wir extra Untertitelungen herstellen lassen. Eine größere Herausforderung sehe ich im Bereich Literatur, denn natürlich ist das Interesse an österreichischen Schriftstellenden in der deutschsprachigen Schweiz am größten. Nichtsdestotrotz konnten wir auch in der französischsprachigen Region erfolgreich Literaturveranstaltungen durchführen. Mit der Société Genevoise d’Études allemandes besteht beispielsweise eine regelmäßige Zusammenarbeit bei Literatur- und Wissenschaftsveranstaltungen.

Was ist für Sie persönlich das Schönste an Ihrer Arbeit? Warum haben Sie sich für eine Karriere im Bereich der Kultur entschieden?

Besonders schön finde ich persönlich Momente, in denen die Projekte ihren finalen Abschluss finden, wie beispielsweise die Vernissage der Ausstellung „Generation Beta“ von Franzi Kreis anlässlich der Kampagne „16-Tage-gegen-Gewalt“. Die österreichische Künstlerin, die schweizerische Galeristin und ich konnten das Ergebnis von monatelanger Arbeit ernten, indem wir ein Kunstprojekt zu einem wichtigen Thema an das Publikum „übergaben“.

An Kulturarbeit finde ich am schönsten, wie sich eine vage Idee in ein konkretes Projekt entwickelt. Der Weg dorthin, der auch immer vor allem ein Dialog, ein Miteinander, ein gemeinsamer Prozess ist, bringt auch zahlreiche wertvolle Begegnungen mit interessanten Menschen mit sich. Kulturarbeit ist für mich eine mehr als sinnstiftende Arbeit. Sie ist für mich nicht nur Beruf, sondern Berufung. Für mich war es nie ein rationaler Entscheid, eine „Kulturkarriere“ zu machen, sondern es war intuitiv klar, dass ich in der Kulturarbeit „zu Hause“ bin.

 

Fotos: Frahmann//KF Bern