Dialog und Verständnis – Schlüsselbegriffe einer historischen Beziehung

SOCIETY traf S.E. Dr. Ebadollah Molaei, den Botschafter der Islamischen Republik Iran in Österreich und sprach mit ihm über die bilateralen Beziehungen zwischen Teheran und Wien.

Iran und Österreich pflegen bereits seit Jahrhunderten diplomatische Beziehungen. Wo sehen Sie die Schwerpunkte bei den künftigen Kooperationen?

Sie haben auf ein historisches Faktum hingewiesen. Diese lange Tradition ist eine Besonderheit unserer bilateralen Beziehungen. Historisches Bewusstsein, kultureller Dialog, gegenseitiger Respekt und gemeinsame Interessen sind nur einige der Besonderheiten, die dazu geführt haben, dass unsere Beziehungen keinen größeren Schwankungen ausgesetzt, sondern als durchaus stabil zu bewerten sind. Die beiden Begriffe „Dialog“ und „Verständnis“ zählen zu den Schlüsselbegriffen unserer historischen Beziehung. Auch wenn im Rahmen unserer bilateralen Beziehungen sicher Ziele angestrebt und Prioritäten gesetzt werden, gibt es keine Einschränkungen auf einen bestimmten Schwerpunkt. Die sehr gut organisierten „Wiener Nuklear- Verhandlungen“ und die wichtige Reise von Herrn Dr. Fischer, dem früheren Bundespräsidenten der Republik Österreich nach Teheran, waren bemerkenswerte Wendepunkte in den Beziehungen beider Länder. Auch auf parlamentarischer Ebene ist bereits eine gute Zusammenarbeit zwischen den Legislativen beider Länder zustande gekommen, welche sich auf hoher Ebene fortsetzt. In diesem Zusammenhang hat die Reise von Herrn Dr. Kopf, dem Vizepräsidenten des österreichischen Parlaments in den Iran, und seine Treffen und Gespräche mit hochrangigen iranischen Persönlichkeiten, eine Ausweitung der parlamentarischen Kooperationen herbeigeführt. Das neue Kapitel der Beziehungen zwischen Teheran und Wien setzt auf Fortbestand der diplomatischen Konsultationen, Fortsetzung des kulturellen Austausches und der akademischen Zusammenarbeit, und auf die Ausweitung und Intensivierung der langfristigen wirtschaftlichen und technologischen Kooperationen.

Was können Sie uns über die wirtschaftliche Beziehung zwischen dem Iran und Österreich in der angebrochenen „Postsanktionszeit“ erzählen?

Unsere erste Priorität in den Außenwirtschaftsbeziehungen ist die Vermeidung rein auf den Konsum basierender Geschäfte. Wir setzen auf ausländische Investitionen und Technologietransfer sowie langfristige und dauerhafte wirtschaftliche Beziehungen. Österreich ist als wirtschaftlicher und industrieller Standort in Europa traditionell ein bedeutender Partner für den Iran und im Gegenzug ist auch der Iran immer ein verlässlicher Partner für Österreich gewesen. Nach der Aufhebung des internationalen Embargos wurden auch wichtige Schritte zur Belebung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Iran und Österreich unternommen. In dieser Hinsicht, sind die zahlreichen bilateralen Besuche der hohen Regierungsvertreter auf unterschiedlichsten Ebenen, die politische Willenskraft, und das gegenseitige Interesse zur Ausweitung und Verstärkung der Kooperationen, hervorzuheben. Im Zuge dieser gegenseitigen Reisen wurden zahlreiche Absichtserklärungen in unterschiedlichen Bereichen unterzeichnet. Zu diesen Verträgen und Absichtserklärungen zählen unter anderem die ökonomische Partnerschaft für die Jahre 2016 bis 2020 sowie Kooperationsvereinbarungen auf den Gebieten Wissenschaft und Forschung, Umwelt, Agrarwirtschaft, Gesundheitswesen, Energie, Transport, Tourismus und Technologie. In Anbetracht der vorhandenen Chancen, Kapazitäten und zahlreichen Möglichkeiten, herrscht eine positive Stimmung in der Beziehung beider Länder, und das auf vielen Gebieten: der Politik und Diplomatie, Wirtschaft und Handel, Industrie und Technologie, Wissenschaft und Forschung sowie Kultur und Tourismus.

Was sind die wesentlichen Gebiete der wirtschaftlichen Kooperationen zwischen dem Iran und Österreich?

In Hinblick auf die lange Tradition der Beziehungen zwischen dem Iran und Österreich, kooperieren beide Seiten bereits auf vielfältigen Gebieten. Zu den wichtigsten Gebieten zählen die Holz- und Papierindustrie, der Kraftwerksbau, die Eisenbahntechnik, Medizintechnik, Lebensmitteltechnologie und Farbindustrie. Durch die Unterzeichnung verschiedener Verträge und Absichtserklärungen zwischen den beiden Ländern sind weitere Bereiche der Zusammenarbeit entstanden, von denen die Bereiche Forschung und Entwicklung, Umwelt, Wissenschaft und Technologie, die Herstellung von technischen Einzelteilen und der Energiesektor hervorzuheben sind. Ich hoffe, dass wir auf Grundlage dieser Verträge und der aktuell entstandenen Möglichkeiten sowie der effektiven Unterstützung der hochrangigen Regierungsvertreter beider Länder, bald Zeugen einer Ausweitung sowie eines Wachstums der bilateralen Kooperationen zwischen dem Iran und Österreich sein werden.

Was ist die Handelsbilanz zwischen dem Iran und Österreich?

Die sukzessive Zunahme des Kooperations- und Handelsvolumens zwischen der Islamischen Republik Iran und Österreich – proportional zu den vielfältigen Kapazitäten und Möglichkeiten beider Länder – ist in dieser Hinsicht eine weitere wichtige Entwicklung. Das Handelsvolumen der beiden Länder betrug im vergangenen Jahr 378 Millionen Euro, was im Vergleich zum Jahr davor eine deutliche Steigerung darstellt. Ein bemerkenswerter Aspekt, der sich aktuell auf beide Länder bezieht, ist das gleichmäßige Wachstum in allen Exportbereichen, sodass ein stetig zunehmendes Kooperationsvolumen zwischen dem Iran und Österreich festzustellen ist.

Österreich ist einer der wichtigsten akademischen Partner des Irans in Europa. Wie sieht die Zusammenarbeit im Bereich Forschung, Wissenschaft und Lehre genau aus?

Die Geschichte der akademischen Kooperation zwischen den beiden Ländern geht auf die Gründung der Hochschule „DAROLFONUN“ in Teheran im Jahre 1851 zurück. Diese Kooperation hat sich ab dem 20. Jahrhundert auf viele andere wissenschaftliche Zweige ausgeweitet und vertieft, und somit ist die akademische Zusammenarbeit zu einer der wichtigsten Dimensionen der bilateralen Beziehungen geworden. Die große Gemeinschaft, der in Österreich ansässigen iranischen Ärzte, weist ebenfalls auf den lebhaften akademischen Austausch beider Länder hin, der auch in den letzten Jahren weiter intensiviert wurde. Zurzeit studieren mehr als 2000 Iraner an österreichischen Universitäten. Während der Iranreise von Herrn Dr. Fischer im Sommer 2015 wurden zahlreiche Kooperationsvereinbarungen auf dem Gebiet der Lehre, Wissenschaft und Forschung zwischen Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen unterzeichnet. Die Durchführung von gemeinsamen Forschungsprojekten und gemeinsamen Lehr- und Trainingsprogrammen, dem Austausch von Dozenten und Studenten, Stipendienvergaben, Vergaben von kurzfristigen Studien- und Forschungsprojekten sowie gemeinsame Investitionen in die Forschung, gehören zu den wichtigsten Projekten.

Was können Sie uns über den Tourismussektor Irans erzählen?

Der Iran zählt mit seinem historischen Hintergrund von über 7000 Jahren zu den wichtigsten zivilisatorischen und kulturellen Zentren der Welt. Unsere antiken Gebäude und Ruinen, die kulturellen und religiösen Denkmäler, die Vielfalt der Fauna und Flora, die natürlichen Attraktionen wie unsere Warmwasserquellen, die riesigen Sandwüsten und die hohen Gebirgsketten, machen den Iran zu einem äußerst interessanten touristischen Ziel für Europa und die ganze Welt. Gemäß einem Report der Welttourismusorganisation belegt der Iran in Bezug auf die historischen Kulturgüter Rang 10 und hinsichtlich der natürlichen und landschaftlichen Attraktionen Rang 5 unter allen Nationen. Die wirtschaftlichen Grundlagen zwecks Hotelbau und anderer touristischen Einrichtungen und Infrastrukturen sind bereits vorhanden, nun fehlen nur noch die Investoren. Der Gesundheitstourismus spielt aufgrund der vorhandenen hochwertigen Kenntnisse, der individuellen Expertise und moderner Einrichtungen eine Vorreiterrolle im iranischen Tourismussektor. Diese Situation hat dazu geführt, dass der Iran in den letzten Jahren zu einem „medizinischen Zentrum“ für die Nachbarländer aufgestiegen ist.

Foto: SOCIETY/Pobaschnig