WKÖ Exporttag 2024: ‘Beyond the Box’-Denken ist für den Unternehmenserfolg entscheidend 

Die richtige Einschätzung geopolitischer Entwicklungen und deren Auswirkungen auf das eigene Unternehmen, Lieferketten und Märkte, erfordern ein ‘Beyond the Box’-Denken, um international erfolgreich zu sein, betonte Michael Otter, Leiter der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA in seinem Eröffnungsstatement zum Exporttag 2024 ‘Beyond the Box – Global opportunities redefined’.

 

von Dr. Rudolf Thaler, ehemaliger Wirtschaftsdelegierter

Mit einer Rekordzahl von 3.500 Teilnehmern ist der Exporttag der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) die größte Informations- und Netzwerkveranstaltung. Eine Muss-Veranstaltung für alle Unternehmen, um über globale Trends, geopolitische Entwicklungen, Innovationen und Marktchancen im Gespräch mit Experten und den Wirtschaftsdelegierten der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA top informiert zu sein. WKÖ-Präsident Harald Mahrer und Wirtschaftsminister Martin Kocher gratulierten und dankten den Exportunternehmen, für die Bevölkerung soziale Sicherheit und Wohlstand zu erwirtschaften und als Botschafter Österreichs mit ihren innovativen Produkten und Dienstleistungen für Österreich zu werben. Für WKÖ-Präsident Mahrer ist “der Exporttag ein Tag der Chancen, Innovationen und Gemeinsamkeiten. Im Exportbereich kann man nur erfolgreich sein, wenn man Herausforderungen gemeinsam angeht”. Und: “Innovation statt Ideologie”, so Mahrer. Bundesminister Kocher spricht sich in der Phase der Fragmentierung des Welthandels “für fairen Handel und gegen Handelsbarrieren” aus.

Das SOCIETY-Magazin titelte zum Exporttag 2023 die Message von WKÖ-Präsident Mahrer: “Wir können Krise”. Jetzt stellt sich die Frage: „Können wir Geopolitik ? Können wir KI? Kann sich Europa im Match China – USA bei Zukunftstechnologien positionieren oder verharrt es in der Zuschauerrolle?“ Eines ist sicher: Österreichische Unternehmen können Export, auch in einem schwierigen Umfeld: Sie behaupten sich mit ihren Innovationen erfolgreich in ihren Nischen und zählen vielfach zur Europa- und Weltspitze. Die rot-weiß-roten Waren- und Dienstleistungsexporte sollen bis 2025 die Schwelle von 300 Milliarden Euro überschreiten.

Success oder Significance?

“Wir befinden uns an einer Weggabelung: Eine Zukunft mit Innovation oder Stagnation mit einem Dauerkonflikt und No Point of Return”, so die Traumaspezialistin Anjhula Mya Singh-Bais in ihrer Keynote. Die mentale Gesundheit ist der Wohlstand einer Nation. Jeder Staatspräsident sollte einen Psychologieberater haben. Business Leader können den Wandel beeinflussen, beispielsweise durch die Verteilung der Unternehmensressourcen, ihre Innovationen, Investitionen in Forschung und Entwicklung, und die soziale Verantwortung des Unternehmens. Letztlich ist die Frage entscheidend, was wichtiger ist: “Success oder Significance?”.  Bei der Anwendung neuer Technologien, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz (KI), sollten nie die Würde des Menschen und Menschenrechte verletzt werden. Der von Russland in der Ukraine geführte Krieg zeigt die Fragilität des Friedens und unterstreicht die Notwendigkeit von Empathie, Dialog, Mitgefühl und Diplomatie.

Stabilisierung der Weltwirtschaft : Steady, but slow

Das globale Wirtschaftswachstum soll sich 2024 erstmals seit drei Jahren stabilisieren. Die größten Zuwachsraten in den kommenden zwei Jahren werden in Südasien sowie in Ostasien und im pazifischen Raum erwartet.

Der Internationale Währungsfonds (IMF) erwartet 2024 und 2025 ein globales Wirtschaftswachstum von 3,2% wie im Vorjahr. In fortgeschrittenen Volkswirtschaften soll das Wachstum von 1,6% (2023) auf 1,7% (2024) und 1,8% (2025) ansteigen. Ein leichter Rückgang wird in emerging markets erwartet: Von 4,3% (2023) auf jeweils 4,2% in den beiden Folgejahren. Das erwartete globale Wirtschaftswachstum von 3,1 % in fünf Jahren soll das geringste seit Dekaden sein.

Prognosen gehen von einem steten Rückgang der Inflation aus: 6.8% (2023), 5.9% (2024), 4.5% (2025), in fünf Jahren (3.1%).

Friendshoring in China-Indien-ASEAN 

Singapurs Botschafter in Österreich, Heng Wing Chan, spricht von “global cities” in Asien, die für Exportunternehmen besonders interessant sind. Im Gegensatz zu Megacities sind sie ein Innovationsmotor, ziehen die besten Talente an und verfügen über eine starke konsumfreudige Mittelschicht. Singapur hat ein Pro-Kopf-Einkommen von 100.000 USD. Der Einzugsbereich Singapurs ist ein Sechsstunden-Flugradius. China-Indien-ASEAN ist ein riesiger Wachstumsmarkt. In den dynamischen ASEAN Staaten investieren Unternehmen wie Nvidia, Apple, Amazon und Microsoft Multi-Milliarden-USD Beträge. In Zeiten bedrohter Lieferketten sind friendshoring und multishoring ‘in’.

“Das bedeutendste Exportprodukt der Philippinen sind Arbeitskräfte”, so die Bürgermeisterin von Makati, Mar-Len Abigail Binay. Die 300.000 Einwohnerstadt ist das Finanzzentrum der Philippinen. Shenzhen (17 Millionen Einwohner) ist das Finanzzentrum Südchinas und mit dem viertgrößten Containerhafen ein bedeutender Umschlagplatz. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung von Shenzhen ist 32 Jahre und dementsprechend offen für digitale Technologien, so der Vertreter des Shenzhen European Office.

Unerwähnt blieb, dass Bürgermeisterin Abigail Binay im Rahmen der C40Cities – the City Climate Finance Leadership Alliance – für einen besseren Kapitalzugang großer Städte zur Bekämpfung der Erderwärmung und extremer Gewitter lobbyiert. Städte erhalten nur etwa 7 bis 8% des globalen Funding, obwohl mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt, die für 70% der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind. Städte wie Dhaka, Jakarta, Makati, Quezon, Seoul, Sydney und Tokyo wie auch Dutzende andere im Mittleren Osten, Afrika und in den Amerikas teilen dieses Ziel. Gebraucht werden beispielsweise grüne öffentliche Verkehrsmittel, nachhaltige drainage, Flutmanagement Systeme oder Retrofit von Gebäuden. Frau Binay zählt zu den einflussreichsten Persönlichkeiten Asiens und transformierte Makati in eine smarte und nachhaltige Stadt.

Reiskocher und Karaoke 

Die Wirtschaftsdelegierte in Manila, Christina Stieber, gab mit der für Migration zuständigen Unterstaatssekretärin, Patricia Yvonne Caunan, am Panel Tipps, wie man Fachkräfte aus den Philippinen anwerben und vor allem halten kann. “Filipinos müssen sich vor allem zu Hause fühlen, ein Reiskocher und Karaoke gehören zum idealen Wohlfühl-Set.

Multipolarität und De-risking in einer volatilen Welt

Im EY Geostrategic Outlook 2024 müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle, Strategien, Lieferketten und Sustainability Pläne an geopolitische Änderungen anpassen. Die Welt ist multipolar. Eine größere Anzahl von mächtigen Akteuren formen ein zunehmend komplexes globales System. Neben Europa, USA und China agieren geopolitische ‘Swing States’ wie Indien, Saudi Arabien, Türkei, Südafrika, Brasilien, die nicht einem Block angehören und zunehmend Einfluss ausüben. EU ist die Heimat der Hidden Champions, USA und China haben Champions. De-risking ist key. Die Priorität bei globalen Lieferketten ist die wirtschaftliche Sicherheit. Das Rennen um Innovation und die Regulierung von Artificial Intelligence ist eröffnet. Ozeane spielen eine entscheidende Rolle als Wasserstraße, mit einem Kommunikationsrisiko bei der Sabotage von Unterwasserkabeln. Die Ernährungssicherheit ist mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine im Fokus. Weitere Faktoren: Frischwasserreserven, die Anpassung an den Klimawandel, das Super-Wahljahr: 54% der Weltbevölkerung mit einem 60% GDP Anteil wählen.

“Eine neue Energiewirtschaft entsteht”

… skizziert Fatih Birol, Executive Director der International Energy Agency (IAE). Energie wird durch Klimawandel, Geopolitik und Handelspolitik komplexer. In den letzten Dekaden dominierten Öl, Gas und Kohle. Heute zeichnet sich ein Übergang in Richtung Clean Energy ab. 2023 wurden 85% aller neuen Elektrizitätswerke mit Erneuerbaren gebaut, wobei die Solarenergie die größte Dynamik aufweist.  Elektroautos war vor drei Jahren eines von 25 Fahrzeugen, heute ist es eines von fünf. Treiber dieser Entwicklung ist China mit seinen vergleichsweise günstigen Preisen. Die Gesamtinvestitionen im Energiesektor in Höhe von zwei Billionen USD verteilten sich 2015 1 : 1. 2023 war das Verhältnis 1 Billion USD an Investitionen im fossilen Bereich und 2 Billionen USD in Clean Energy. Es entsteht eine neue Energiewirtschaft: Solarenergie ist die billigste Energiequelle. Die Zukunft der Industrie gehört der Clean Energy. Der Energie Champion ist mit Abstand China. Renewables brauchen keinen Import aus anderen Staaten und ist dementsprechend eine Energie des Friedens. Artificial Intelligence wird den größten Einfluss bei der Energietransformation haben.

Europas Kardinalfehler war das Vertrauen auf einen Gaslieferanten und eine Handelsroute. Europa braucht dringend einen Industrie-Masterplan. Die Industrie von morgen muss wettbewerbsfähig sein und erfordert eine dementsprechende Industriepolitik. Die europäische Industrie hat mit den drei- bis viermal so hohen Energiepreisen im Vergleich zu Mitbewerbern in den USA und China einen signifikanten Wettbewerbsnachteil. Europa agiert spät und hinkt bei Solar und Windenergie hinterher. Birol rät: “Read the game. Position the industry. Watching the game means losing”.

Edtstadler: Große Chancen in den 6 Westbalkanstaaten 

EU-Ministerin Karoline Edtstadler sieht große Chancen für österreichische Unternehmen in den sechs Westbalkanstaaten beispielsweise in den Bereichen Bankwesen, Bau, Versicherung, neue Technologien und unterstreicht Österreichs Unterstützung bei der Aufnahme in die EU: “Austria is a big supporter of Balkan 6”. Die EU verfolgt einen neuen Ansatz, nämlich eine stufenweise Integration. Albanien und Montenegro könnten die nächsten Mitglieder werden.

Die Tourismuszahlen in Albanien (10 Millionen Besucher) sind vergangenes Jahr um 40% gestiegen, heuer wird ebenfalls ein 40% Anstieg erwartet. Die Energieproduktion basiert zu 100% auf Wasserkraft, so Albaniens Ministerin für Entrepreneurship und Geschäftsklima, Delina Ibrahimaj. Mit dem Präsidenten der serbischen Handels- und Industriekammer, Marko Čadež, bewirbt Edtstadlers albanische Ministerkollegin die sechs Westbalkanstaaten als einen dynamischen Markt. Internationale Unternehmen entdecken die Region zunehmend als Shoring Destination. Čadež: In Serbien sind etwa 10.000 EU-Firmen aktiv. In den Schulen ist Coding obligatorisch. Der Export an Software liegt in Serbien nicht umsonst bei 5 Milliarden Euro.

Wachstumschancen für die Exportwirtschaft ortet die WKÖ in Südostasien, Mexiko, Brasilien, in der Golfregion und Zentralasien. Einen Schwerpunkt setzt die AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA in Japan durch die EXPO 2025 in Osaka. Um das Netzwerk der AußenwirtschaftCenter powered bei AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA Michael Otter & Team beneiden uns Unternehmen aus anderen Ländern. Als ehemaliger Wirtschaftsdelegierter empfehle ich allen Exportunternehmen die Angebote der AUSSENWIRTSCHAFT rund um den Globus zu nutzen. Es schafft relative Wettbewerbsvorteile gegenüber internationalen Mitbewerbern.

Fotos: Dr. Rudolf Thaler