SOCIETY hat mit Botschafter Nikolaus Marschik, Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, über die Geschichte, Bedeutung und den österreichischen Vorsitz der EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR) gesprochen.
Die EU-Strategie für den Donauraum wurde 2011 auf Initiative von Österreich und Rumänien gegründet. Seit November 2023 (und noch bis Dezember 2024) hat Österreich den Vorsitz der EUSDR inne. Können Sie uns zu Beginn kurz erklären, worum es sich bei der EUSDR überhaupt handelt?
Wir Österreicherinnen und Österreicher haben eine besondere Verbindung zur Donau. Denken Sie nur an den Donauwalzer von Johann Strauss, der oft als heimliche Hymne Österreichs bezeichnet wird. Wirtschaftlich ist der Donauraum eine klare Schwerpunktregion für österreichische Unternehmen. Deshalb setzen wir uns regionalpolitisch dafür ein, den Donauraum auf europäischer Ebene zu fördern. Die von Ihnen angesprochene EU-Strategie ist eine Kooperationsplattform für die Staaten der Donauregion und umfasst neun EU-Mitgliedstaaten und fünf EU-Beitrittskandidaten, also insgesamt 14 Staaten aus unserer Nachbarschaft. Ziel der Strategie ist es, grenzüberschreitende Projekte insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Tourismus und Kultur zu entwickeln und umzusetzen, und den Donauraum als Sicherheits- und Wohlstandsregion zu stärken.
Warum ist es aber eine EU-Strategie, insbesondere da nicht alle Mitglieder der EUSDR EU-Mitgliedstaaten sind?
Die vielen Regionen der 27 EU-Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich, von Inseln bis Hochgebirge, von entlegenen Orten bis Ballungszentren. Daher sollen geographische Regionen identifiziert werden, in denen teilnehmende Staaten ähnliche wirtschaftliche, soziale und ökologische Herausforderungen und Interessen haben. In der EU gibt es derzeit vier sogenannte makro-regionale Strategien: Die Ostsee, den Donauraum, die Strategie für die Adria und das Ionische Meer sowie eine Alpenraumstrategie. Österreich ist sehr aktiv an der Donauraumstrategie und am Alpenraum beteiligt.
Ich habe die letzten sechs Jahre an der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel gearbeitet und wenn man die Positionen der EU-Mitgliedstaaten analysiert, dann lassen sich viele Positionen aus der geographischen Lage der Staaten erklären. Daher macht es Sinn, regionale Plattformen zu schaffen, in Rahmen derer Nachbarstaaten mit ähnlichen Interessen gezielt zusammenarbeiten. Bei der Donauraumstrategie arbeitet eine Gruppe recht heterogener Staaten zusammen, sowohl EU-Mitgliedstaaten als auch Staaten, die noch ganz am Beginn ihres Beitrittsprozesses stehen. Bundesminister Alexander Schallenberg hat die Donauraumstrategie daher auch als europäisches Sprungbrett und Testlabor für die Beitrittskandidaten beschrieben. Wir bemühen uns darum, die EU-Beitrittskandidaten graduell in politische EU-Prozesse einzubinden, auch dafür eignet sich die Donauraumstrategie gut.
Inwiefern beeinflusst der Krieg in der Ukraine, die ja Mitglied der EUSDR ist, die Donauregion?
In unseren Analysen sehen wir, dass sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gerade auf Mitteleuropa stark ausgewirkt hat und weiterhin auswirkt. Dabei geht es um humanitäre Fragen ebenso wie Fragen von Sicherheit und Verteidigung, von Wirtschaft, Energie und Finanzen, von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit bis zu EU-institutionellen Angelegenheiten. Die europäischen Themen haben sich dem Krieg angepasst. Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass Schweden und Finnland der NATO beitreten würden? Dass Europa wieder verstärkt in die Rüstungsindustrie investieren wird? Ich habe vor kurzem mit Kolleginnen und Kollegen aus Afrika gesprochen, die berichtet haben, dass sich durch den zeitweisen Ausfall des Getreideexports aus der Ukraine, als die Häfen im Schwarzen Meer von Russland blockiert waren, die Brotpreise verteuert hatten und eine konkrete Gefahr für die Versorgungssicherheit im Lebensmittelbereich gegeben war. Der russische Angriffskrieg hat damit nicht nur direkte und indirekte Auswirkungen in Europa, er beeinflusst auch globale Lieferketten.
Nun zum österreichischen Vorsitz – können Sie uns ein wenig über die Schwerpunkte bzw. Zielsetzungen erzählen?
Der österreichische Vorsitz hat drei konkrete Zielsetzungen: Der erste Schwerpunkt ist Stabilität und Sicherheit. Der Donauraum soll als Sicherheitsregion gestärkt werden. Seit mehr als zwei Jahren haben wir wieder Krieg in Europa, in unserer Nachbarschaft in der Ukraine. Mehr als zwei Jahre, die Tod und Zerstörung über die Zivilbevölkerung gebracht haben. Deshalb unsere Forderung an Russland, den Angriffskrieg zu beenden, die Truppen abzuziehen und die Zerstörung und das Blutvergießen zu beenden. Unser zweiter Schwerpunkt liegt auf der Wirtschaft, mit dem Ziel, den Wohlstand in der Donauregion zu fördern. Unsere Schwerpunkte sind hier Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Fachkräfteausbildung. Der dritte Schwerpunkt ist Nachhaltigkeit, dabei geht es um die Stärkung des Fluss-Ökosystems der Donau.
Was ist der Mehrwert der EU-Strategie für den Donauraum für Österreich, was bringt das konkret für Österreich?
Wie eingangs erwähnt, verbindet gerade uns Österreicherinnen und Österreicher sehr viel mit dem Donauraum. Daher ist es aus geographischer und regionaler Sicht nur folgerichtig, dass gerade wir uns aktiv dafür einsetzen, den Donauraum als Sicherheits- und Wohlstandsregion zu stärken. Je stabiler der Donauraum, umso besser für uns. Je mehr Rechtsstaatlichkeit, je näher an den hohen europäischen Standards, umso besser für uns. Wenn es um den Westbalkan geht, wird der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn oft mit dem Satz zitiert: „Entweder wir exportieren Stabilität, oder wir importieren Instabilität.“ Dasselbe gilt für den Donauraum.
Können Sie uns zum Schluss noch eine Übersicht zu den wichtigsten Aktivitäten und Veranstaltungen unter dem österreichischen Vorsitz der EU-Strategie für den Donauraum geben?
Einige Höhepunkte unseres Vorsitzes haben bereits stattgefunden, daher möchte ich ein Highlight Ende Juni hervorheben: Das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister des Donauraums auf Einladung von Bundesminister Alexander Schallenberg. Auch hier haben wir uns bemüht, die Gruppe des Donauraums mit der Gruppe der sogenannten „Friends of the Western Balkans“ sowie jenen Außenministerinnen und Außenminister des Westbalkans zusammenzubringen, die nicht Teil des Donauraums sind. Damit wollen wir unseren Einsatz für den Donauraum mit unserem regionalen Schwerpunkt im Westbalkan verbinden.
EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR): Auf Initiative von Österreich und Rumänien wurde 2011 die EU-Strategie für den Donauraum gegründet. Heute umfasst sie unter dem Slogan „Prosperity through Diversity“ 14 Mitgliedsländer (EU-Mitgliedsstaaten: Österreich, Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn; Nicht-EU-Mitgliedsstaaten: Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Republik Moldau, Serbien und die Ukraine) mit insgesamt rund 115 Millionen Einwohner:innen. Ziel ist es, die Zusammenarbeit aller Mitgliedsländer zu stärken und durch gemeinsame Projekte voranzubringen. Inhaltlich konzentriert sich die EUSDR auf vier Themengebiete: Vernetzung des Donauraums, Umweltschutz im Donauraum, Aufbau von Wohlstand im Donauraum und Stärkung des Donauraums. Das Sekretariat (Danube Strategy Point) hat seinen Sitz in Wien bzw. Bukarest. Seit 1. November 2023 und noch bis zum 31. Dezember 2024 hat Österreich den Vorsitz der EUSDR inne.