Veszprém: Unterwegs in der „Stadt der Königinnen“

Am Schnittpunkt dreier Landschaften und nördlich des Balatons gelegen, ist die Europäische Kulturhauptstadt 2023 Veszprém – auch als „Stadt der Königinnen“ bekannt – ein wahres Juwel im Nordwesten Ungarns.

Umgeben vom Bakonywald im Norden, dem Plattensee-Hochland im Süden und der Großen Ungarischen Tiefebene im Osten liegt Veszprém, im Mittelalter eine der bedeutendsten Städte Ungarns und Lieblingsort von Königin Gisela, Gemahlin des ungarischen Staatsgründers und Königs Stephan I. Das Paar ließ hier einst ein Bistum errichten, mit der Kathedrale St. Michael und dem Nonnenkloster Veszprémvölgy, in dem einer Legende nach jenes Messgewand genäht und bestickt wurde, das später zum Krönungsmantel der ungarischen Könige wurde. Auch die Königinnen des Landes wurden – nachdem Stephan I. die Ländereien seiner Gemahlin geschenkt hatte – vom Bischof von Veszprém gekrönt.

Heute wacht das ehemalige Königspaar auf der Nordseite der Veszprémer Burg in Form zweier eindrucksvoller Statuen über die Stadt, in der es vor fast 1000 Jahren regelmäßig residierte; im Hintergrund der St. Benedikt-Berg, dessen Felsvorsprung eine Aussichtsplattform bildet, von der aus man einen wunderbaren Blick auf das Bakonygebirge und die Burg von Veszprém hat. Im 10.-11. Jahrhundert erbaut und nach zahlreichen Schlachten und Angriffen mehrmals erneuert, thront sie auf einem der sieben Hügel der Stadt. Heute treffen dort Vergangenheit und Gegenwart aufeinander, etwa im sich in der Burg befindenden Haus der Künste, das Raum für zeitgenössische Kunst aus aller Welt bietet.

Der Wehrgang der Burg samt Innenhof und Feuerturm der Stadt bilden heute das audiovisuelle Zentrum „FOTON“ mit Ausstellungsräumen, Kino, Café und schön angelegtem Garten. Hier schlägt das Kulturherz Veszpréms, wenngleich die ganze Stadt voller Musik und Kunst zu sein scheint. Nicht ohne Grund nannte eine weltberühmte Sängerin Veszprém einmal eine „musikalische Schmuckschatulle“, seit 2019 trägt der Ort außerdem den UNESCO Titel „Stadt der Musik“. Das ganze Jahr über finden Musikfestivals und Konzerte verschiedenster Genres statt.

Ein historischer Spaziergang

Vom St. Benedikt-Berg aus führen in zwei Richtungen Treppen hin zum Pfad des historischen Spazierganges „Klöster und Gärten“, vorbei am Rosengarten, dem ehemaligen Kloster der Heiligen Margareta, Ruinen aus dem Zeitalter der Staatsgründung und einer Jesuitenkirche aus dem 17. Jahrhundert. Am Fuße der Burg plätschert der Séd-Bach vor sich hin, der früher einmal die Lebensgrundlage für zahlreiche Generationen bildete, denn vor ca. 100 Jahren gab es in Veszprém noch 470 wasserbetriebene Mühlen.

Der zentrale Òváros-Platz in der Altstadt ist umgeben von Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die einst reichen Kaufleuten gehörten. Auch das Pósa-Haus befindet sich hier, das im Zopfstil vom Zisterzienserorden von Zirc errichtet und später nach dem ehemaligen Besitzer Endre Pósa benannt wurde. Heute schmücken außerdem charmante Cafés den Platz, von dem aus man auch direkt in die Burg gelangt – vorbei am Rathaus, das ursprünglich als Bankhaus der Kirche errichtet wurde. Ein paar Schritte weiter ragt der Feuerturm – Wahrzeichen der Stadt – 48 Meter in die Höhe und ist Wegweiser hin zum Heldentor, dem Eingang in das historische Burgviertel. Wo früher eine Zugbrücke der Sicherung der Burg diente, gedenkt das Tor heute den gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges.

Die Zeitreise in das Mittelalter kann beginnen – auch wenn die Burg selbst nicht mehr der klassischen Vorstellung dieser Zeitepoche entspricht. Auf den früheren Burgmauern findet man gegenwärtig nämlich eine Ansammlung barocker Bauten.

Im Herzen des Viertels erinnert das wohl markanteste Bauwerk an Königin Gisela: die Kathedrale St. Michael wurde von ihr gestiftet, lange Zeit stand dort auch der Thron der Königin. Wenige Meter weiter stößt man auf die Dreifaltigkeitsstatue, den Schlossbrunnen, den Erzbischofpalast, die Gisela-Kapelle und auf das vermeintlich älteste mittelalterliche Gebäude der Stadt, die St. Georgs-Kapelle.

Nach einer ausgiebigen Entdeckungstour ruht man sich am besten in einem der zahlreichen Cafés oder Restaurants aus, die in Veszprém nie weit entfernt sind. Einen schönen Ausblick auf die Burg hat man zum Beispiel vom Restaurant Fricska aus, das direkt am Bach Séd liegt. Im Café KUNSZT! trifft Kunst auf Gastronomie, und das mitten im Zentrum. Auch das Foton hat ein eigenes Café mit Terrasse, das sich am Abend in eine Bar verwandelt.

Rundum Veszprém

Von Veszprém aus ist es nicht weit zum Balaton, aber auch romantische Weinbaugebiete, das Bakonygebirge und historische Stätten umgeben die Provinzhauptstadt. 

Nur etwa 30 Minuten von Veszprém entfernt reihen sich im ehemaligen Sommerfrischeort des Adels „Balatonfüred“ Gourmetrestaurants an kleine Shops und Cafés – stets mit Blick auf den Balaton. Ein Spaziergang an der schön begrünten Tagore-Promenade führt am Gedenkbaum des berühmten bengalischen Philosophen, Dichters und Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore, den er aus Dankbarkeit für seine Genesung pflanzen ließ, vorbei.

Im Kontrast zur langen Geschichte des Ortes findet man in der neuen Kunstgalerie MOMÜ eine beeindruckende Privatsammlung internationaler und ungarischer zeitgenössischer und moderner Künstler:innen, die man am besten im Zuge einer Führung entdeckt. 

In Balaton-Csopak erstreckt sich wiederum eines der schönsten Weinanbaugebiete Ungarns, hier wird vor allem die Weinsorte Welschriesling angebaut. Besonders idyllisch ist der Ausblick auf diese Region und den angrenzenden Balaton von der Terrasse des familiengeführten Weingutes Petrányi, das außerdem mit ausgezeichneten Weinen und erstklassiger Küche punktet.

Etwa 45 Minuten westlich von Csopak, im Herzen des Káli-Beckens und inmitten des Nationalparks Balaton-Oberland, liegt das kleine Dorf Salföld, das besonders reich an geologischen, botanischen und architektonischen Denkmälern ist. Schön renovierte, weiß getünchte Häuser mit feinen Giebelverzierungen reihen sich aneinander und zeugen von der traditionellen Architektur der Region.

Eine Landschaft, die ein wenig an Frankreich erinnert, findet man auf Tihany, der einzigen Halbinsel am Plattensee. Im gleichnamigen historischen Dorf reihen sich im Frühsommer Lavendelbüsche aneinander, die sich zu einem wunderschönen Panorama zusammenfügen.   

Auf feinste Handwerkskunst trifft man in Herend. Seit 1826 wird in der gleichnamigen Manufaktur Porzellan hergestellt und von Hand bemalt. Bei einer Führung durch die imposanten Werkstätten erhält man einen spannenden Einblick in die Herstellung des filigranen Geschirrs, das schon Queen Victoria und Kaiserin Elisabeth schätzen.  

Veszprém und die Region Bakony-Balaton sind mit ihrer Vielfalt jedenfalls ein ideales Reiseziel, sowohl für Naturliebhaber:innen als auch für jene, die gerne Kultur und Kulinarik entdecken oder auf historischen Pfaden wandern.

Fotos: Tamás Bujnovsky, Toroczkan Csaba, Balint Kovac