Polen: 20 Jahre EU 

von Dr. Rudolf Thaler

Polens Chargé d’Affaires Janusz Styczek lud zur Podiumsdiskussion “Polnische Europapolitik 20 Jahre nach dem EU-Beitritt – Prioritäten der neuen polnischen Regierung” mit Bundeskanzler a.D. Dr. Wolfgang Schüssel und Unterstaatssekretär Dr. Marek Prawda in den Presseclub Concordia. Moderiert wurde die Veranstaltung von Standard Redakteur Mag. Gerald Schubert.

Vor zwanzig Jahren, am 1. Mai 2004, traten neben Polen neun weitere Staaten der EU bei. Die EU-Mitgliederzahl stieg auf 25 und die Bevölkerungszahl von 370 auf 460 Millionen.

EU hat den Test bestanden

Die Europäische Union hat mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine den Test des Zusammenhalts bestanden. Sie ist von einer Regelfabrik zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden. Die Sicherheit ist zu einem brennenden Thema geworden, andere Themen treten in den Hintergrund. Die EU ist infolge des Krieges in der Ukraine “östlicher” geworden, es wird mehr auf die Erfahrung östlicher Nachbarn gehört, ist Prawda überzeugt.

Polen hat mit dem EU-Beitritt einen enormen Fortschritt gemacht. Mit der EU wurde die Verankerung Polens in der westlichen Gemeinschaft ermöglicht. “Es ist unverantwortlich mit dem Gedanken zu spielen, ob man in der EU bleibt oder nicht. Die Ferien von der Geopolitik sind zu Ende”, mahnt Prawda.

 

Für die neue Regierung ist die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz wichtig. Polen war in der Vorgängerregierung in einer Phase der Politisierung des Rechts. Viele Institutionen wurden verändert. Staatspräsident Andrzej Duda hat bei Gesetzen ein Vetorecht. In diesem juristischen Minenfeld wurden im Sejm ‘Beschlüsse’ gefasst, die keine Zustimmung benötigen. Die pro-europäische neue Regierung wird nichts tun, was die Unterstützung in Brüssel gefährden könnte.

Die Haltung Polens zum Angriffskrieg und die Unterstützung der Ukraine ist parteiübergreifend. Der Prozess des EU-Beitritts der Ukraine sollte nicht aufgehalten werden. “Das strategische Feld darf nicht mit roten Linien eingeengt werden, damit fühlt sich der Aggressor sicher. Die Kommunikation in der EU ist kein Ruhmesblatt. Wichtige Themen sind Sicherheit, Verteidigung, Lieferketten und Kampf gegen Desinformation. Das Weimarer Dreieck – Deutschland, Frankreich, Polen – wurde belebt. Der europäische Zusammenhalt ist das Gebot der Stunde”, so Prawda.

Success Story EU-Erweiterung 2004

Bundeskanzler Schüssel skizziert die EU-Erweiterung vor 20 Jahren als unglaublichen Erfolg, eine win-win-Situation. “Die EU hat damals im Vergleich zum Marshall-Plan der USA doppelt so viel an Förderungen ausgegeben. Die EU bekam durch die Erweiterung eine bessere Balance, eine Interessenergänzung und Schärfung des geopolitischen Blicks. Neue Kandidaten sollten nicht jahrzehntelang warten, da die Gefahr besteht, dass sie sich frustriert abwenden”, so Schüssel. Und: Visionär war beim EU-Beitritt Österreichs, dass Alois Mock und die österreichische Delegation gleichzeitig auf die Notwendigkeit des EU-Beitritts der Nachbarstaaten hinwies.

Polen übernimmt in der ersten Jahreshälfte 2025 die EU-Ratspräsidentschaft und wird sich “intensiver mit der Erweiterung im Westbalkan beschäftigen”, kündigt der polnische Staatssekretär an. Prawda und Schüssel stimmen darüber überein, dass “eine EU-Erweiterung weniger kosten kann als eine Nicht-Erweiterung”.

WKÖ ‘Willkommen in der EU’ – Event in Warschau 

Als Wirtschaftsdelegierter der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA erlebte ich den EU-Beitritt vor Ort mit. Im Rahmen einer Willkommensaktion der Wirtschaftskammer Österreich für die neuen Beitrittsländer organisierte ich mit meinem Team im Königsschloss in Warschau eine Podiumsdiskussion mit der renommierten Tageszeitung Rzeszpospolita samt umfangreicher Österreich-Beilage im Beisein einer hochkarätigen Delegation aus Österreich. Der exklusive Empfang am Abend in den Räumlichkeiten des Königsschlosses mit dem Who is Who aus Politik und Wirtschaft wurde mit einem über ganz Warschau sichtbaren Feuerwerk zu Walzerklängen des polnischen Radio gekrönt. Polen ist ein bedeutender Wirtschaftspartner: die 6. wichtigste Exportdestination und das 7. größte Importland für Österreich.