Ngozi Okonjo-Iweala – die erste Frau an der Spitze der WTO

Bei einer Online-Sitzung am Montag den 15. Februar entschieden die 164 Mitgliedsländer einstimmig, dass die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala ab 1. März die Geschicke der 1995 gegründeten Organisation leiten soll. Zuvor hatte die USA unter Donald Trump monatelang die Ernennung der Entwicklungsökonomin zur WTO-Chefin blockiert, Joe Biden hob den Widerstand nun aber auf.

Als erste Frau in der 26-jährigen Geschichte der WTO übernimmt die ehemalige Finanzministerin Nigerias (2003 bis 2006 und 2011 bis 2015) die Leitung der internationalen Organisation nun inmitten einer schweren Krise. Seit 2001 gab es keine größeren Handelsliberalisierungen mehr und auch die Streitschlichtung bei Handelsdisputen ist gelähmt, weil die USA seit Jahren die Ernennung neuer Berufungsrichter blockieren. Seit Dezember 2019 ist deshalb die Berufungsinstanz handlungsunfähig, der Ruf nach Reformen wird lauter.

„Das Unreformierbare reformieren“ – so lautete bereits der Titel eines der Bücher Okonjo-Iwealas über die nigerianische Politik. Diese Devise dürfte auch für ihre zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen als WTO-Generalsekretärin zutreffen. Sie übernimmt eine Organisation, die seit August 2020 führungslos ist, weil der damalige Generalsekretär Roberto Azevêdo inmitten der Corona-Krise zurücktrat. Verstärkter Protektionismus und steigender Nationalismus, der Handelskonflikt zwischen den USA und China und die lahmgelegte Streitschlichtung bei Handelsdisputen sind nur einige Problematiken, die auf die 66-jährige zukommen. Diesen kann die vierfache Mutter jedenfalls mit ihrer langjährigen internationalen Erfahrung entgegentreten: 25 Jahre lang war sie bei der Weltbank in Washington tätig, wo sie es bis zur Vizepräsident schaffte. Vor ihrer Ernennung zur neuen Chefin der WTO leitete sie den Verwaltungsrat der internationalen Impfinitiative GAVI, die eine faire Verteilung der Coronavirus-Impfstoffe weltweit zum Ziel hat. Als zweimalige Finanzministerin und kurzzeitige Außenministerin der größten Ökonomie Afrikas machte sie sich einen Namen als Kämpferin gegen Korruption und geschickte Verhandlerin. 2004 kürte sie das Times Magazine zur „Heldin des Jahres“, 2020 wurde sie von Forbes Africa zur African Person of the Year gewählt.

Die 1954 in Ogwashi Ukwu geborene Okonjo-Iweala studierte und promovierte an den US-Elite-Universitäten Harvard und am MIT Wirtschaftswissenschaften und Entwicklungsökonomie. Seit 2019 besitzt sie auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie kennt also „beide Realitäten“, so sagt sie über sich selbst. Für den Posten als Generalsekretärin der WTO – der mit ihr zum ersten Mal mit einer Vertretung aus dem afrikanischen Kontinent besetzt wurde – ist dies sicherlich vorteilhaft. Vier Jahre wird ihre Amtszeit dauern – ihr Ziel: Die Organisation „neu zu beleben“ […], denn es könne bei der WTO kein „weiter so wie bisher“ geben. Vorrang für die neue Chefin dürfte eine Reform der Streitbeilegung sein, außerdem will die Tochter zweier Professoren den Welthandel gerechter machen und Entwicklungsländer generell stärker in das Blickfeld rücken. Im Hinblick auf die Corona-Krise warnt sie vor „Impfstoff-Nationalismus“, dieser würde die Pandemie nur verlängern. Ein weiteres ihrer Ziele ist es, die den Handel verzerrenden Subventionen der Industrienationen zu eliminieren – doch zuerst müsse aber die Organisation gefestigt werden. Die frühere Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, ist sich jedenfalls sicher, dass Ogwashi Ukwu die richtige Besetzung an der Spitze der WTO ist: „Ich kenne Ngozi seit vielen Jahren. Ihr starker Wille und ihre Entschlossenheit werden sie dazu antreiben, unermüdlich den Freihandel zum Wohle der Menschen weltweit zu fördern“, schrieb sie auf Twitter.

Foto: IMF Photographic archives