Christian Wehrschütz schreibt in seinem Gastbeitrag für das SOCIETY Magazin über den mühsamen Weg Albaniens in Richtung EU.
„Wir sind die drei Musketiere – Einer für alle, alle für einen!“ sagte Außenminister Alexander Schallenberg jüngst in Tirana bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Außenministern Tschechiens und Sloweniens zur albanischen Außenministerin Olta Xhacka. Die Pressekon- ferenz fand im Garten des albanischen Außenministeriums statt; zum Schluss spazierte eine Schildkröte durch das Gras vor dem Tisch, an dem die vier Personen saßen. Das Gelächter vor allem der Journalisten war groß, denn ein besseres Symbol für den Kriechgang, in dem die EU-Annäherung des Westbalkans abläuft, kann der Zufall eigentlich nicht bescheren.
Den Beginn von Beitrittsgesprächen mit Nord-Mazedonien und Albanien empfiehlt die EU-Kommission seit vielen Jahren; formell beschlossen ihn die 27-EU-Staaten zu Beginn der Corona-ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz Krise im Frühling 2020 nach zweimaliger Verschiebung, die vor allem Frankreich und die Niederlande erzwangen. Offen ist, ob unter der portugiesischen EU-Präsidentschaft endlich die formelle Eröffnung durch eine Regierungskonferenz stattfinden wird. Die Chancen dafür haben sich vor allem für Nord-Mazedonien verschlechtert; nach der mühevollen Beilegung des Namensstreits mit Griechenland blockiert nun Bulgarien und zwar ebenfalls mit einem Rückgriff auf die umstrittene gemeinsame Geschichte. Eine Trennung von Nord-Mazedonien und Albanien kommt für Schallenberg und Co aber nicht in Frage.
In Tirana wollte Ministerpräsident Edi Rama keine Prognose abgeben, wie die EU entscheiden wird: „Es ist unmöglich derzeit Vorhersagen zu machen, was die EU tun wird. Es ist leichter vorherzusagen, dass Österreich Fußballweltmeister wird als was die EU tun wird. Einerseits haben wir eine starke Gruppe von Mitgliedern, die uns und den Beginn von Beitrittsverhandlungen unterstützt. Dazu zählen Österreich, Tschechien und Slowenien, die hier von ihren drei Außenministern vertreten wurden; sie sind seit langem dafür, dass der formelle Verhandlungsprozess beginnen muss. Auf der anderen Seite gibt es einige andere Länder, die skeptisch sind, ungeachtet der Tatsache, dass die Entscheidung für den Beginn der Verhand- lungen von allen Ländern insgesamt getroffen wurde. Doch dieser Beginn ist blockiert, weil es keinen Konsens gibt.“
Widerstand kommt offiziell vor allem aus den Niederlanden und Frankreich; sie werfen Albanien vor, zu wenig gegen Korruption und Organisierte Kriminalität zu tun, doch die Erweiterungsmüdigkeit ist in der EU viel weiter verbreitet. Tatsache ist, dass Geldwäsche und Drogenhandel tatsächlich weiterhin eine große Herausforderung für das „Land der Skipetaren“ darstellt. Befürworter des Beginns der Verhandlungen weisen aber mit Recht darauf hin, dass es nur um den Beginn der Gespräche geht, die viele Jahre dauern werden, und nicht um den Beitritt selbst, und dafür sind beide Länder zweifellos „reif“. Zu den grundsätzlich positiven Entwicklungen zählt in Albanien die Durchleuchtung der Justiz: Seit mehr als drei Jahren werden Richter und Staatsanwälte durch eine Kommission durchleuchtet. Diesen sogenannte „Vetting-Prozess“ haben bisher 370 Juristen durchlaufen, nur 40 Prozent von ihnen haben be- standen. Hinzu kommt die schlechte Organisation der Justiz insgesamt; der Weg zum Recht für den Bürger gleicht einem Spießrutenlauf. Positiv zu verbuchen ist, dass die Parlamentswahl jüngst – trotz vieler Mängel – recht gesittet ablief.
Der sozialistische Ministerpräsident Edi Rama gewann neuerlich die absolute Mehrheit und beginnt damit eine dritte Amtszeit. Rama will die Modernisierung Albaniens massiv vorantreiben, die in den vergangenen 15 Jahren sichtbare Fortschritte gemacht hat; auch die Corona-Pandemie hat das Land erstaunlich gut gemeistert.
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