Im Interview mit SOCIETY spricht Hannelore Veit über ihre Karriere, die politische Situation in den USA und den Vorsitz im Alumniverband der Universität Wien.
Sie waren von 1989 bis Ende 2020 für den ORF tätig, was waren in dieser Zeit Ihre persönlichen Höhepunkte, was die größten Herausforderungen?
Ein erster Höhepunkt war meine Tätigkeit in Japan, die mir sehr viele neue Eindrücke und – zum ersten Mal in meinem Leben – einen Kulturschock eingebracht hat. Ich habe dort gelernt, den Menschen unvoreingenommen zu begegnen und nicht jedem gleich die eigene Denkweise überzustülpen. Eine wunderbare Erfahrung war natürlich auch, dass ich 19 Jahre lang mit wechselnden Partnern die ZIB moderieren durfte. Im Hinterkopf hatte ich allerdings immer den Gedanken, dass ich zurück in die USA wollte; auch nach acht Jahren als Korrespondentin in Washington wäre ich eigentlich nur allzu gerne noch länger dort geblieben. Die größte Herausforderung meiner Karriere war zweifelsohne 9/11: Wir saßen in einer Redaktionssitzung und haben am CNN-Monitor gesehen, wie die Flieger in die Türme krachten – ein paar Minuten später bin ich auf Sendung gegangen. Menschen beim Sterben zuzusehen und gleichzeitig am Moderationstisch professionellen Ab- stand halten zu müssen geht natürlich an die Substanz.
Über sieben Jahre lang haben Sie das Korrespondenten-Büro des ORF in Washington geleitet (2013 bis 2020) und sowohl die Wahl von Donald Trump als auch die von Joe Biden hautnah miterlebt. Wie würden Sie den Status quo des Landes definieren?
Die USA sind ein extrem gespaltenes Land, das kontinuierlich von einer Krise in die nächste geschlittert ist. Es gibt eine große Schere zwischen Links und Rechts, Jung und Alt, Stadt und Land. Die jeweiligen Wahrnehmungsblasen sind sehr abgeschottet, die Menschen holen sich nur die Informationen, die sie auch hören wollen. Für Europäer war die Wahl Trumps nicht wirklich nachvollziehbar, aus der Innensicht ist sie etwas verständlicher: Trump hat wirklich die Menschen angesprochen, die sich total an den Rand gedrängt gefühlt haben, diejenigen, die mit der Politmaschinerie in Washington nichts zu tun haben wollten. Durch seine Politik und Rhetorik hat er die Spannungen im Land noch verschärft; auch jetzt ist sein Einfluss auf das politische Geschehen immer noch recht groß. Biden ist als „bipartisan“ angetreten, als Präsident aller Amerikaner. Bis jetzt bringt er seine Agenda aber vor allem alleine, ohne Republikaner durch. Dabei bewegt er sich weiter auf den lauten, medienpräsenten linken Flügel seiner Partei zu, als ich es mir anfangs erwartet hätte. Nächstes Jahr im Herbst finden wieder Kongresswahlen statt, die sich normalerweise immer gegen den amtierenden Präsidenten richten. Dass Biden dann die Mehrheit in zwei Häusern erreichen wird, ist unwahrscheinlich – im Senat hält er sie schon jetzt nur sehr knapp.
Seit Anfang dieses Jahres sind Sie Präsidentin des Alumniverbandes der Universität Wien. Wie kam es dazu und welche Pläne und Projekte verfolgen Sie in dieser Position?
Ich fühle mich geehrt und freue mich sehr darüber, diese Stelle einzunehmen. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich von einer amerikanischen Universität komme – dort ist das Zusammengehörigkeitsgefühl unter Alumni besonders stark. Für ganz wichtig halte ich Netzwerkaktivitäten. An einer Massenuniversität wie die Uni Wien ist es sehr viel schwieriger, Menschen zusammenzubringen. Wir arbeiten gerade an neuen Konzepten: Ab dem Herbst sollen wieder physische oder zumindest hybride Events stattfinden, bei denen man spannende Leute kennenlernen kann. Wir haben ein Mentoring Programm ins Leben ge- rufen um Studierenden zur Seite zu stehen, und bieten Wissensupdates mit und von Albsolventen. Weitere Ideen in Planung sind Awards für Absolventen, die herausragenden Leistungen erbracht haben, Chapter im Ausland oder Einblicke in den Berufsalltag prominen- ter Alumni zu ermöglichen. Vor allem möchten wir das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir stolz sein können, AbsolventInnen der Universität Wien zu sein.
Foto: Alexandre Fauqueux