Charles – der nachhaltige Prinz

Niemals zuvor musste ein Thronfolger so lange auf die britische Krone warten, wie der heute 72-jährige Prinz Charles. Doch die Wartezeit vertreibt sich der vielseitig interessierte Sukzessor geschickt mit zahlreichen Projekten, Initiativen und Hobbies.

Als (ehemaliger) Biobauer engagiert er sich für eine nachhaltige Landwirtschaft, er malt, liebt Architektur, ist der erste Royal mit Studienabschluss und setzt sich mit zahlreichen philanthropischen Stiftungen für die Gesellschaft und die Umwelt ein.

Seine Mutter Elizabeth, damals noch Kronprinzessin, war 22 Jahr alt, als Charles Philip Arthur George am 14. November 1948 im Londoner Buckingham Palace geboren wurde. Mit ihrer Krönung zur Königin von Großbritannien und Nordirland wurde der dreijährige Charles zum Thronfolger. Heute, 68 Jahre später, hat er diese Funktion noch immer inne. „Ein Schattenkönig in Wartestellung“, nennt ihn Sally Bedell Smith in ihrem Buch „Prinz Charles – ein außergewöhnliches Leben.“

Dass Prinz Charles keine gewöhnliche Kindheit hatte, überrascht nicht. Wie in der Oberschicht üblich, war die Beziehung zwischen Eltern und Kind kühl und distanziert. Körperliche Nähe gab es kaum. Seine engsten Bezugspersonen: die Nanny Mabel Anderson und seine Großmutter mütterlicherseits, die Charles Kunst und Musik näher brachte. Seine jüngere Schwester Anne unterschied sich charakterlich grundlegend von ihm – sie, die Entschlusskräftige und Selbstbewusste, er, der Sensible und Schüchterne. Sein jüngerer Bruder Andrew kam auf die Welt als Charles bereits 12 Jahre alt war, Edward vier Jahre später. Der große Altersunterschied soll auch der Grund für das mutmaßlich distanzierte Verhältnis der Brüder sein.  

Das Zusammenleben im Buckingham Palace war aber, so heißt es in der Biografie, generell ein eher unabhängiges und oftmals einsames. Charles musste für gewöhnlich gar einen Termin vereinbaren, um seine Eltern sehen zu können.

Vorbereitung auf die Thronfolge

Schon von Kindesbeinen an wurde Charles auf das spätere Regentenamt vorbereitet. Seine Schulbildung erhielt er in traditionsreichen Eliteschulen wie etwa der Gordonstoun School in Schottland. Die Zeit dort fühlte sich für ihn jedoch wie eine „Gefängnisstrafe“ an, so schreibt Bedell Smith in ihrem Buch, für das sie mit über 300 Freunden, Familienmitgliedern und Palastoffiziellen sprach. Kalte Duschen, mit Schnee bedeckte Bettdecken, kurze Hosen das ganze Jahr über und dazu Schikanen und Mobbing seiner Mitschüler – dennoch befand sein Vater Philip, der Gordonstoun ebenfalls besucht hatte, einen Schulwechsel als „unvertretbar“ und als Zeichen von Schwäche.

1966, mit 17 Jahren, verbrachte der sensible Prinz zwei Trimester in Australien, was sich als eine sehr bereichernde Erfahrung für ihn herausstellen sollte. Die Menschen begegneten ihm positiver, es gab keine sadistischen Schikanen der Mitschüler wie zuvor in Gordonstoun. Der Schulleiter Thomas Garnett beschrieb ihn später als einen „freundlichen, intelligenten, natürlichen Jungen mit einem guten Sinn für Humor“. Im selben Jahr wurde er von seiner Mutter zum Counsellor of State ernannt, was ihn erstmals dazu befugte, offizielle Aufgaben des Monarchen wahrzunehmen.

1967 nahm er das Studium der Archäologie und Anthropologie am Trinity College der Cambridge University auf, später wechselte er zu Geschichte. Charles war jedenfalls der erste Thronfolger, der tatsächlich einen Uniabschluss anstrebte und der erste, der Walisisch lernte. Mit seinen älteren Mentoren verstand er sich meist besser als mit seinen Studienkollegen. Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere, näherten sich auch Charles und Anne an und sie entwickelte sich zu einer engen Vertrauten.

Vor seinem letzten Jahr in Cambridge verfasste er außerdem sein erstes Buch für Kinder, „The Old Man of Lochnagar“, das allerdings erst über ein Jahrzehnt später veröffentlicht werden sollte. Zwischen 1971 und 1976 absolvierte er außerdem eine Militärausbildung, im Rahmen derer er lernte, Hubschrauber, Propeller- und Düsenflugzeuge zu fliegen.

Zuvor lernte er 1970 bei einem Polospiel in Windsor die selbstbewusste Camilla Shand kennen, eine Begegnung, die sein Leben auf lange Sicht verändern sollte. Sie heiratete jedoch 1973 Andrew Parker Bowles, Charles wurde sogar Taufpate des ersten Sohnes des Paares. Der Thronfolger ehelichte 1981 trotz Unsicherheiten und Bedenken schließlich die aus einer der ältesten Adelsfamilien Englands stammende Diana Spencer. Er war damals 32, sie 19. Der Druck sich zu verheiraten  war zu dieser Zeit bereits groß. „Mir wird gesagt, dass die Ehe das einzige Heilmittel für mich sei – und vielleicht ist das auch so“, schrieb er einmal in einem Brief an einen Freund. „Die Medien werden mich einfach nicht ernst nehmen, solange ich nicht heirate und offensichtlich Verantwortung übernehme.“

Ein Jahr nach der Heirat kam sein erster Sohn William zur Welt, 1984 folgte die Geburt Harrys. Das Ende der Ehe mit Diana 1996 und vor allem ihr tragischer Unfalltod im darauffolgenden Jahr beschäftigten Medien und Menschen weltweit und stürzten das Königshaus vorübergehend in eine Krise.

Vielseitig und artikuliert

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern und anderen Mitgliedern der royalen Familie artikuliert Prinz Charles seine persönlichen Ansichten – etwa zur Politik – viel deutlicher.

So gilt er auch als freimütiger Architekturkritiker, der vor allem modernen Strömungen misstrauisch gegenüber steht. Sein Verständnis einer nachhaltigen und kontextuellen Planung formulierte er in seinem Buch „A Vision Of Britain“, angelehnt daran wurde sogar die Modellstadt Poundbury in der Grafschaft Dorset errichtet.

Seine Wertschätzung von Tradition manifestierte sich auch im Jahr 2000, als er nach fast 130 Jahren Unterbrechung wieder eine Hofharfenistin ernannte. Auf Reisen engagiert er zudem regelmäßig Reisemaler, die Landschaften und einzelne Szenen für die royale Familie malerisch festhalten.

Zum 40. Jubiläum der Seifenoper „Coronation Street“ zeigte er aber seine modernere und gelassenere Seite, als er das Set besuchte und im Rahmen eines Gastauftritts sich selbst spielte. 2013 hatte Charles zudem einen Sprecheinsatz als Außerirdischer in der Science-Fiction-Serie „Doctor Who“. Der 72-Jährige ist außerdem ein passionierter Maler, bevorzugt mit Aquarellfarben malt er meist Landschaften. 

Im Einsatz für die Umwelt

Seiner Leidenschaft für den Umweltschutz verlieh der Prince of Wales erstmals 1970 im Rahmen einer Konferenz in Cardiff öffentlich Ausdruck. Diese Thematik sollte ihn in den kommenden Jahren stets begleiten und ein wesentlicher Teil seines philanthropischen Engagements werden.

Auf Highgrove, seinem Landsitz in Gloucestershire, entdeckte er bereits in den 80er Jahren seine Liebe zum Gärtnern. 1986 entschied er sich dazu, den Garten und die Duchy Home Farm von nun an nach ökologischen Konzepten zu betreiben, um der Landwirtschaft „wieder eine Seele zu verleihen.“ Um die Produkte der Farm zu vermarkten, gründete er 1990 die Marke Duchy Organics, die heute als Waitrose Duchy Organic bekannt ist. Die Umsätze aus dem Verkauf gehen an Charity Projekte des Prinzen. In seinem 2010 veröffentlichten philosophischen Manifest „Harmonie – eine neue Sicht unserer Welt“, plädierte er ebenfalls für einen sorgsameren Umgang mit unserem Planeten: „Dies ist ein Aufruf zur Revolution. Die Erde ist in Gefahr. Sie wird nicht fertig mit allem, was wir ihr abverlangen. Sie verliert ihre Balance, und daran sind wir Menschen schuld.“

Mit seinem aktuellsten Projekt, einer nachhaltigen Modelinie, die aus Brennnesseln seines Landsitzes Highgrove House hergestellt wird, setzt er ein weiteres Zeichen für einen bewussteren und nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen unserer Erde.

Karitatives Engagement

Schon seit jungen Jahren engagiert sich der Prince of Wales für eine Vielzahl von Projekten mit unterschiedlichsten Zwecken. 1976 gründete er zum Beispiel die gemeinnützige Organisation „The Prince’s Trust“ mit dem Ziel, benachteiligten Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus schwierigen Verhältnissen zu helfen. Daneben setzt er sich unter anderem für den Schutz der Regenwälder, Nachhaltigkeit und den Klimaschutz ein, aber auch der ökumenische und interreligiöse Dialog liegt ihm am Herzen. Der Spiritualität, Naturreligionen sowie dem Judentum und dem Islam schenkt Charles seit geraumer Zeit große Aufmerksamkeit, zu den beiden monotheistischen Religionen betrieb er laut seines Biografen Jonathan Dimbleby tiefgehende Studien.

Außerdem ist er Schirmherr des Mihai-Eminescu-Trusts, der sich in Transsilvanien um den Erhalt historischer Ortschaften kümmert. In einem dieser Dörfer – Viscri genannt – kaufte er ein Guesthouse, in dem man heute nächtigen und die Ruhe der ländlichen Region genießen kann. Der Prinz hat nämlich eine ganz besondere Verbindung zu Rumänien – in einem Interview mit dem britischen „The Telegraph“ gab er an, mit Vlad III. Drăculea, dem berühmt-berüchtigten Fürsten der Walachei, verwandt zu sein.

Die vielen außergewöhnlichen Seiten des Prince of Wales, der am 14. November seinen 72. Geburtstag feierte, überraschen – die Zeit bis zur Thronübernahme wird er also weiter gut überbrücken können.

Buchtipp:

Prinz Charles. Ein außergewöhnliches Leben.

Sally Bedell Smith

Lifestyle BusseSeewald

Fotocredit: HBF/Carina Karlovits