Österreicher:innen auf den Spuren der antiken Weltstadt Ephesos

Vor über 128 Jahren macht der österreichische Archäologe Otto Benndorf den ersten Spatenstich in der antiken Metropole Ephesos und läutet damit eine der größten wissenschaftlichen Unternehmungen Österreichs im Ausland ein.

von Sarah Heftberger

Etwa 30 Jahre zuvor macht sich am gleichen Ort bereits der EngländerJohn Turtle Wood auf die Suche nach dem sagenumwobenen Artemistempel. Im Auftrag des British Museums legt er zahlreiche Sondagen um das architektonische Meisterwerk der Antike zu finden. Im Zuge seiner Grabungsmission entdeckt er eine Vielzahl an Bauwerken – darunter das Große Theater und das Bouleuterion – und legt sie teilweise frei. Am Silvestertag des Jahres 1869 stößt er schließlich auf Reste des Artemistempels. Die Freude darüber währt aber nur kurz: Vom Weltwunder der Antike ist nicht mehr viel übrig und auch weitere Funde bleiben aus. Bald darauf stellen die Geldgeber ihre Finanzierung ein und John Turtle Wood muss seine archäologischen Grabungen in Ephesos nach wenigen Jahren einstellen.

Drei Dekaden später, als bedeutende wissenschaftliche Funde der Deutschen in Troja und der Briten in Ägypten die Österreichisch-Ungarische Monarchie dazu anspornen, ebenfalls eine möglichst prestigeträchtige Ausgrabungsstätte zu finden, stellt Otto Benndorf ein Grabungsprojekt für Ephesos vor. Benndorf ist der Ordinarius für Klassische Archäologie an der Universität Wien, er veranschlagt für die Freilegung der Stadt etwa fünf Jahre. Die Mission wird genehmigt und unter anderen vom Privatmann Karl Mautner Ritter von Markhof mit 10.000 Gulden mitfinanziert. Zwei Jahre später starten die Arbeiten.

„Otto Benndorfs erster Spatenstich hat vor allem die österreichische Archäologie verändert. Er hat damit einen ganz maßgeblichen Beitrag geleistet, dass die österreichische Archäologie heute noch einen extrem hohen internationalen Stellenwert hat“, erinnert die aktuelle Grabungsleiterin Sabine Ladstätter in einem APA-Interview an den Pionier der österreichischen Altertumsforschung.

Erste Entdeckungen

Erste bedeutende Funde lassen für den leitenden Archäologen in der ehemaligen Metropole des Römischen Reiches nicht lange auf sich warten: 1903 wird etwa der Parther-Fries freigelegt, der vermutlich zwischen 161 und 165 n.Chr. zur Feier des römischen Sieges über die Parther errichtet wurde und zu den bedeutendsten Reliefs römischer Zeit in Kleinasien zählt. Heute befindet er sich im Wiener Ephesos-Museum und gilt nach wie vor als Prunkstück der Sammlung. In den folgenden Jahren werden weitere historische Bauten exkaviert, darunter die frühchristliche Marien- und die Johanneskirche.

Der Erste Weltkrieg und seine Folgen bringen die Grabungen für mehr als ein Jahrzehnt zum Stillstand, erst 1926 können sie wieder aufgenommen werden. Ab diesem Zeitpunkt widmet man sich verstärkt den Bad-Gymnasien-Komplexen und den christlichen Monumenten. 1937 unterbrechen erneut die politische Lage in Europa und der darauf folgende Zweite Weltkrieg die archäologischen Aktivitäten.

Erst 19 Jahre später kann wieder in Ephesos geforscht werden, ab 1956 finden jährlich Grabungskampagnen statt, die über die Jahre ganze Stadtbereiche und außergewöhnliche Relikte der Geschichte zu Tage fördern. Lediglich zwischen 2016 und 2018 – auf Grund politischer Spannungen zwischen Österreich und der Türkiye – und während der Corona-Krise müssen die Arbeiten in Ephesos abermals unterbrochen werden.

Aufsehenerregende Ausgrabungen

Erst kürzlich, im Jahr 2022, vermeldet das österreichische Grabungsteam einen weiteren Sensationsfund in Ephesos: ein bestens erhaltenes, frühbyzantinisches Geschäfts- und Lokalviertel, das Jahrtausende unter einer mächtigen Ascheschicht begraben lag, kann freigelegt werden – mit ihm tausende Gefäße, Schüsseln mit Resten von Meeresfrüchten, Amphoren mit eingesalzenen Makrelen, Pfirsichkernen, Mandeln und Oliven, Geschäftskassen mit über 700 Kupfermünzen, Goldmünzen und Schmuck. „Was uns völlig überrumpelt hat, ist der hervorragende Erhaltungszustand der Funde“, so Ladstätter in einer Presseaussendung. Der Fund gilt als einer der bedeutendsten seit der Entdeckung der berühmten Hanghäuser vor etwa 50 Jahren, die erstmals Einblicke in das Leben und Wohnen der Oberschicht gestatteten.

„Ephesos wurde – anders als Rom oder Athen – nie modern überbaut. Das ermöglicht uns, viele Facetten des antiken Alltagslebens, des Aufstieges zur Weltstadt, aber auch der Krisenzeiten in Ephesos archäologisch zu erforschen“, erklärt Sabine Ladstätter in einem Interview im Rahmen der ORF-Doku „Ephesos- eine antike Weltstadt“ die Besonderheit der Stätte.

Die Ruinen von Ephesos sind jedenfalls ein einzigartiger und mystischer Ort, sie erzählen von einer lang vergangenen Zeit, von einer antiken Lebenswelt, die ihr jähes Ende vermutlich durch einen Militärschlag der Sasaniden fand und die für Österreich und die Türkiye vor allem im wissenschaftlichen Sinne ein wesentlicher Brückenschlag sind.

Fotos: pixabay/Niki Gail/Oeai/Oeaw