„Kulturdiplomatie ist ein Tool und ein Medium, das über die Neugierde funktioniert“

Im Londoner Stadtteil Knightsbridge arbeitet Dr. Waltraud Dennhardt-Herzog, Direktorin des Österreichischen Kulturforums London, gemeinsam mit ihrem Team am kulturellen Austausch zwischen dem UK und Österreich. SOCIETY hat mit ihr über Ihre Arbeit gesprochen.

In einer Stadt wie London mit einem so großen und bunten Kulturangebot: wie kann man als österreichisches Kulturforum Aufmerksamkeit auf sich ziehen?

In London gibt es eine Überfülle von Angeboten. Es ist uns daher wichtig, langfristige und gute Kooperationen mit Institutionen aufzubauen, sodass österreichische Künstlerinnen und Künstler nachhaltig davon profitieren können. Das gelang uns zuletzt durch eine Kooperation mit dem Natural History Museum und der Kunst-Photographie Ausstellung „The Polar Silk Road“ von Gregor Sailer, die von 260.000 Personen besucht wurde und damit zur erfolgreichsten Publikumsausstellung eines österreichischen Künstlers in London wurde.

Welche kulturellen Verbindungslinien zwischen UK und Österreich finden Sie persönlich besonders spannend?

Für mich ist das der Bereich des österreichischen Exils im UK. Wir wissen ja, dass etwa 34.000 Personen aus Österreich Zuflucht in UK gefunden haben, darunter auch ca. 2.400 Kindertransport-Kinder. Viele der Exilantinnen und Exilanten kamen aus dem akademisch-künstlerischen Milieu und haben herausragende Karrieren in England gemacht. Ihre Spuren finden sich in der Musik, in der bildenden Kunst, in der Wissenschaft, in der Literatur, den Verlagen, in der Technologie und Wirtschaft.

Unter den etwa 2.000 prominenten Österreicher:innen im britischen Exil waren Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Hilde Spiel, Elias Canetti, Erich Fried, Theodor Kramer, Robert Neumann, Stella Rotenberg und Stefan Zweig, Musiker wie der Tenor Richard Tauber, die Begründer des legendären „Amadeus Quartetts“ Norbert Brainin, Siegmund Niessel und Hans Schidlof, Komponisten wie Egon Wellesz und Hans Gál, bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen wie Marie-Louise Motesiczky, Gerhart Frankl, Oskar Kokoschka, Wolf Suschitzky und Gerti Deutsch sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Anna und Sigmund Freud, Fritz Saxl (Warburg Institut), Ernst Gombrich (Kunstgeschichte), Friedrich August Hayek (Ökonomie), Marie Jahoda (Soziologie), Max Neuburger (Medizin), Otto Neurath (Philosophie), Max Perutz (Chemie), Karl Popper, Ludwig Wittgenstein (Philosophie), Hermann Bondi (Astronomie), Otto Robert Frisch (Physik) und viele andere.

Sie haben nicht nur Bahnbrechendes in ihren Genres geleistet, sondern alle haben Generationen von Wissenschaftlerinnen Wissenschaftler und Kulturschaffende geprägt und Meisterschülerinnen und -schüler hinterlassen. Auf diese Spuren treffen wir immer wieder in unserer alltäglichen Arbeit.

Auch unsere Bibliothek ist Zeuge dieses Erbes.

Was kann Kultur zum Austausch zwischen zwei Ländern beitragen? Welche Vorteile hat die Kulturdiplomatie gegenüber der „klassischen“?

Kulturdiplomatie ist ein Tool und ein Medium, das über die Neugierde funktioniert. Künstlerinnen und Künstler, die etwas Besonderes produzieren oder kreieren, finden immer Aufmerksamkeit und regen zum Austausch an. Die Kulturdiplomatie hat ein offeneres und weiteres Betätigungsfeld als die klassische Diplomatie, da kontroversielle Diskussionen möglich sind, ohne dabei mit der Souveränität von Staaten in Konflikt zu geraten. Wie bedeutend Kulturdiplomatie ist, merkt man erst, wenn sie nicht mehr gelebt wird. Dann fehlt ein Teil der Luft, die wir zum Atmen brauchen, dann fehlt das vierte Bein am Tisch, das ihn stabilisiert.

Wie frei ist das Kulturforum in der Gestaltung des Programms?

Es gibt keine Beschränkungen in der Gestaltung unseres Programms, jedoch gibt es Themenfelder, die gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in der Kultursektion im Außenministerium in Wien erarbeitet werden und mit denen wir uns schwerpunktmäßig beschäftigen.

Hat der „Brexit“ Ihre Arbeit in irgendeiner Weise beeinflusst?

Ja, interessanterweise eher positiv als negativ. Ich habe den Eindruck, dass viele britische Institutionen gegenüber Kooperationen mit einem kleinen Land wie Österreich offener geworden sind. Dazu kommt natürlich auch, dass leider inzwischen vielen Kulturinitiativen im UK die entsprechende budgetäre Ausstattung fehlt, weshalb sie vermehrt an Kooperationen interessiert sind. Im Bereich der bildenden Kunst gibt es leider für junge Künstlerinnen und Künstler eine besondere Einschränkung, da sich die Transportkosten vervielfacht haben und eine Beteiligung aufstrebender junger Galerien an Kunstmessen sehr erschwert wurde.

Was bereitet Ihnen persönlich an Ihrer Arbeit im Kulturforum die größte Freude?

Die größte Freude bereitet mir die unglaublich positive Resonanz, die wir auf unsere abwechslungsreiche Programmgestaltung bekommen. Die verschiedenen Veranstaltungen sind oft innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Zudem habe ich den Eindruck, dass die Vernetzungsarbeit mit Partnern auch außerhalb des Kulturforums sehr gut funktioniert. Wir helfen wo wir können, solange unsere finanziellen Möglichkeiten es uns erlauben.

Fotos: © Ana Blumenkron/Portrait: Christopher Gunson

 

Fotos: Marcel Kulhanek