Im Jänner 2021 veröffentlichte die österreichische Digitalisierungsexpertin Ingrid Brodnig ihr Buch „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online“. SOCIETY hat es für Sie gelesen.
Flugzeuge, die giftige Kondensstreifen ausstoßen, eine Masern-Mumps-Röteln-Impfung, die Autismus auslöst, Reptiloide, die die Welt beherrschen und Bill Gates, der den Menschen Mikrochips verpflanzen will – das sind nur einige wenige Auszüge aus den bekanntesten Verschwörungstheorien, die gerade im Netz und auch außerhalb kursieren.
Die Covid-19 Krise hat die Verbreitung dieser kontroversiellen Überlegungen beschleunigt und verstärkt. In Zeiten großer Unsicherheit können Verschwörungserzählungen oftmals einfache Antworten auf komplexe und vielschichtige Sachverhalte geben, vor allem aber sind sie erfolgreich – so schreibt Ingrid Brodnig in ihrem Buch – „weil sie einen nicht kognitiv, sondern emotional packen“. Insbesondere negative Emotionen werden von Verschwörungstheorien bedient, diese lösen in weiterer Folge Wut aus – „und Wut hat die Eigenheit, dass sie Menschen stark aktiviert“. Doch wie kann man einem Gegenüber, das diesen Erzählungen verfallen ist, in einer Diskussionssituation am besten begegnen? Welche Strategien gibt es, mit Hilfe derer man effektive Aufklärung betreiben kann und wie bringt man Argumente auch bei stark emotionalisierten Themen am ehesten zur Geltung? Brodnig hat hierfür eine Vielzahl an Tipps gesammelt, betont aber gleichzeitig auch, dass es keine universal wirksame Strategie gebe, um an Verschwörungstheorien Glaubende zu überzeugen, mit den richtigen Ansätzen könne man aber zumindest Zweifel an bestimmten Verschwörungserzählungen säen. Auf entkräftende Fakten alleine sollte man sich dabei aber nicht verlassen, vielmehr müsse man versuchen, emotionale Aspekte zu verstehen und anzusprechen. Brodnig empfiehlt eine sogenannte „wertbasierte Kommunikation“, im Zuge derer man Argumente formuliert, die sich an den Wertvorstellungen des Gegenübers orientieren. Wichtig sei auch, stets ruhig und rational zu bleiben, Beleidigungen oder Beschimpfung seien toxisch für eine Diskussion.
Personen, die an Verschwörungstheorien glauben, betrachten sich selbst häufig als sehr kritische Menschen. Auch an diese Selbstwahrnehmung könne man appellieren und die Aufmerksamkeit dabei auf Logikfehler und unfaire Taktiken lenken. Die renommierte Digitalisierungsexpertin hebt außerdem das Potential von Fragen hervor: „Fragen Sie nach und versuchen Sie die Person dazu zu bringen, dass sie ihre eigene Logik näher inspiziert“, rät sie. Eine weitere Methode zur Entkräftung verschwörerischer Erzählungen können sogenannte „parallel arguments“ sein. Der Begründer dieser Technik, der Kognitionswissenschaftler John Cook, meint hiermit abgeschwächte, einfache Beispiele um Fehlschlüsse aufzuzeigen. Erklärt zum Beispiel jemand, man könne ihn oder sie nicht dazu zwingen, eine Maske zu tragen, weil das seine Freiheit einschränken würde, könnte das „parallel argument“ lauten, dass man bei einer Polizeikontrolle auch nicht sage, man könne Sie nicht davon abhalten, betrunken Auto zu fahren, weil dies Ihre Freiheitsrechte limitieren würde.
Verschwörungserzählungen funktionieren unter anderem deshalb so gut, weil Desinformation teils beharrlich wiederholt wird. Im Laufe einer Diskussion und der Feststellung, dass eine Meldung falsch sei, kann es also hilfreich sein, an verschiedenen Stellen auch das Richtige zu wiederholen.
Das Erklären von Hintergründen – sofern Hintergrundinformationen vorhanden sind – kann zudem überzeugend wirken, generell seien kausale Erklärungen überaus wichtig um eigenen Argumenten Legitimität zu schenken.
Viele zweifelhafte Plattformen nutzen außerdem vor allem Bilder, um die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen zu unterstreichen. Diese Methode kann man sich ebenfalls zu Nutze machen. „Ein begleitendes Bild macht die Behauptung kognitiv leichter verarbeitbar– die sogenannte „cognitive fluency“ steigt, was wiederum das Gefühl erhöht, etwas klingt stimmig“, erklärt Brodnig. Sie empfiehlt außerdem, die eigene Wortwahl zu prüfen. Wie deutlich macht man seine Ansichten? Vor allem im wissenschaftlichen Bereich wird häufig eine Sprache verwendet, die zwar in wissenschaftlichen Kreisen verstanden wird, nicht aber in der breiten Öffentlichkeit. Des Weiteren sei es empfehlenswert, zum analytischen Denken anzustoßen und das Gegenüber so anzuhalten, Inhalte und Behauptungen gründlich zu durchdenken um in Folge Logikfehler und Inkonsistenzen dieser Aussagen selbst aufzudecken.
Eines ist jedenfalls klar – Diskutieren kann frustrierend und anstrengend sein, Brodnig betont aber die Wichtigkeit des Gesprächs: „Jede und jeder von uns kann im eigenen Umfeld Aufklärung leisten, Fakten sichtbar machen, auch die Familie oder Bekannte warnen, wenn etwas Falsches gerade stark zirkuliert.“
Foto: unsplash/Markus Winkler
Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online
Ingrid Brodnig
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