Der Gerechtigkeit verschrieben

Amal Clooney zählt zu den prominentesten Juristinnen der Welt. Ihre Fähigkeiten nutzt sie eindrucksvoll, um Menschenrechte, Gerechtigkeit und Toleranz einzufordern.

Am 3. Februar 1978 wird Amal Ramzi Alamuddin als erstes von insgesamt vier Kindern in Beirut geboren. Im Libanon tobt zu dieser Zeit seit drei Jahren ein Bürgerkrieg, der das Land in ein zerstörerisches Chaos stürzt und tausenden Menschen das Leben kostet. Amal ist gerade einmal zwei Jahre alt als sich ihre sunnitische Mutter Baria, eine Journalistin, und ihr drusischer Vater Ramzi, ein Universitätsprofessor, dazu entscheiden, ihre Heimat zu verlassen und ein sichereres Leben in Großbritannien zu suchen.

Die Familie lässt sich zu Beginn in Buckinghamshire nieder, wo Amal die Dr. Challoner’s High School, ein Mädchengymnasium, besucht. Sie ist eine ausgezeichnete und ehrgeizige Schülerin und erhält ein Stipendium für die Oxford University (St. Hugh’s College), die sie 2000 mit einem Bachelor of Law abschließt.

„Meine größte Chance war, dass mir das Vereinigte Königreich die Tür geöffnet hat“, zeigt sich Amal Clooney im Rahmen ihres Auftrittes während des 4Gamechangers Festivals in Wien, bei dem sie im Mai dieses Jahres Stargast war, dankbar.

Ihre eigenen Erfahrungen und die ihrer Eltern prägen sie. Amal entschließt sich dazu, den Master of Law an der New York University zu machen und spezialisiert sich dort auf Menschenrechte, internationales Recht und Strafrecht. Während eines Semesters arbeitet sie für Sonia Sotomayor, die später Richterin am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten wird. Für ihre außergewöhnlichen Leistungen an der Universität im Bereich Entertainment Law erhält Amal außerdem den „Jack J. Katz Memorial Award“.

Ihre erste Berufserfahrung sammelt sie bei der Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell an der berühmten Wall Street. Dort wird ihr bewusst, dass gerade die Fälle, bei denen es um Menschenrechte geht, ihre Leidenschaft wecken.

Am Internationalen Gerichtshof in Den Haag

2004 führt sie deshalb ihr Weg zurück nach Europa. Sie bewirbt sich für ein einjähriges Referendariat am Gerichtshof von Den Haag. „Meine Eltern haben geglaubt, ich bin verrückt, als ich ihnen erklärte, nach Den Haag zu gehen und dort für ein Zehntel meines Gehaltes zu arbeiten“, erzählt sie in Wien. Amal folgt mit dieser Entscheidung aber ganz ihren Überzeugungen.

In Den Haag setzt sie sich schließlich als juristische Assistentin des UNO-Chefanklägers über ein Jahr lang mit den Kriegsverbrechen von Slobodan Milosevic auseinander und arbeitet danach im Büro des Chefanklägers beim Sondertribunal für den Libanon, pendelt zwischen Den Haag und Beirut. Sie und ihre Kolleg:innen arbeiten daran, das Attentat auf den Fahrzeugkonvoi des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq al-Harir 2005 aufzuklären, bei dem er und 22 weitere Personen getötet wurden. Ich war Ende 20 und lebte buchstäblich auf einem Berggipfel, in einem gesicherten Gelände, mit vier Kontrollpunkten zwischen mir und der Außenwelt“, erinnert sie sich in einem Vogue Interview an diese Zeit. Die Sicherheitsvorkehrungen sind so hoch, weil zuvor Mitermittler:innen bedroht werden. Am 18. August 2020 wird schließlich ein Libanese schuldig gesprochen. Amal veröffentlicht zu diesem Fall gemeinsam mit zwei Kolleg:innen ein Buch: „The Special Tribunal for Lebanon“. 2010 kehrt sie nach Großbritannien zurück, wo sie die Anwaltszulassungsprüfung für England und Wales ablegt. Im gleichen Jahr beginnt sie für Doughty Street Chambers, einer renommierten

Anwaltskanzlei die sich auf Straf-, Zivil- und öffentliches Recht, Menschen- und Bürgerrecht spezialisiert hat, zu arbeiten. Schon bald vertritt sie die frühere Premierministerin der Ukraine und Anführerin der orangenen Revolution, Julija Tymoschenko vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Timoschenko war 2011 wegen Amtsmissbrauch zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, die Verurteilung – unter der Regierung von Viktor Janukowitsch – sei politisch motiviert gewesen, so Tymoschenko. 2013 rügt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schließlich ihre Inhaftierung als „willkürlich und rechtswidrig“. 2014 wird sie aus der Haft entlassen.

Von 2011 bis 2016 vertritt sie außerdem WikiLeaks Gründer Julian Assange, der 2010 Auszüge von Militärprotokollen, die unter anderem Kriegsverbrechen der USA belegen, veröffentlichte – die US-Regierung leitet daraufhin Ermittlungen gegen Assange ein und verlangt dessen Auslieferung. 

Der Kampf für Pressefreiheit und die Verteidigung von Journalist:innen liegen Amal, deren Mutter selbst Journalistin ist, besonders am Herzen. Bei einer Onlinegala des „Committee to Protect Journalists“ im Jahr 2020, im Rahmen derer sie für ihren Einsatz für die Pressefreiheit ausgezeichnet wird, spricht sie vom Journalismus als „Lebensader der Demokratie“.

Eine der Journalistinnen, die sie vor Gericht vertritt, ist die Aserbaidschanerin Khadija Ismayilova. Ismayilova gilt als eine hervorragende Investigativjournalistin, berichtet ausführlich über Korruption und Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat – bis sie 2014 inhaftiert wird. Clooney repräsentiert sie ab 2016 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – aus Überzeugung: „Ich glaube es ist wichtig, einen einzelnen Journalisten vor einem mächtigen Staat zu schützen, der die Grenzen überschritten hat. Es geht um eine Regierung, die ihre Macht missbraucht, um Journalisten wie Khadija und andere Kritiker des herrschenden Regimes zum Schweigen zu bringen“, schreibt Clooney damals dem Radio Free Europe Radio Liberty, für das Ismayilova u.a. arbeitet. 2016 kommt Ismayilova frei.

Auch mit der philippinischen Journalistin Maria Ressa kreuzen sich Amals Wege. Ressa ist in ihrer Heimat bereits zahlreiche Male verhaftet worden, die Anschuldigungen gegen sie sind vorrangig politisch motivierter Natur. „Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um ihre Rechte zu wahren und die Pressefreiheit sowie den Rechtsstaat auf den Philippinen zu verteidigen“, verspricht Clooney damals. Sie arbeitet eng mit Ressa zusammen, die in einem Beitrag für das Time Magazine, das Amal 2022 zur „Frau des Jahres“ kürt, besondere Worte findet: „Manchmal ist es schwierig, Amal ganz zu sehen, weil ihre Arbeit von Glamour und Berühmtheit überschattet wird. Sie nimmt diesen Glamour aber an und beleuchtet einige der dunkelsten Teile der Welt damit, um ihren Klienten zu helfen.“ Was sie als eine ihrer Mandantinnen gelernt habe, so Ressa weiter, sei, dass Amals Empathie ebenso groß sei wie ihre Kenntnisse des Rechtswesens und ihr Mut. „Sie ist außerdem eine beharrliche Arbeiterin, die Tausende von Dokumentenseiten durchforstet und sich akribisch Notizen macht. […]. Sie sorgt dafür, dass Frauen, die Opfer von Massengräueltaten […] wurden, nicht vergessen werden, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt und dass ihr Leben und die Gesellschaft dadurch besser werden.“

Ihre Fälle wählt Amal, die ab 2013 außerdem UN-Generalsekretär Kofi Annan zu Syrien berät, sorgfältig und gewissenhaft aus, entscheidet sich vor allem für jene, die ihrer Meinung nach Potenzial für einen „Welleneffekt“ haben. Wie bei Ressa.

„Ich habe das auch schon über ihren Fall gesagt: Es gibt einen Journalisten auf der Anklagebank, aber es ist die Demokratie in einem ganzen Land, die vor Gericht steht […] Ich denke darüber nach, welche Fälle den größten Effekt haben werden – nicht nur für die jeweilige Person, sondern auch für andere, die gefährdet sind“, so Amal.

Aber auch Regierungen und ehemalige Regierungsmitglieder vertritt die 45-jährige Mutter von Zwillingen. Für Armenien zieht sie etwa 2015 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um für das Recht zu plädieren, die massenhafte Tötung von tausenden Armenier:innen 1915 als Völkermord zu bezeichnen.

Ebenfalls ab 2015 verteidigt sie den ehemaligen maledivischen Präsidenten Mohamed Nasheed. Nasheed ist 2008 der erste frei gewählte Präsident der Malediven und setzt sich stark für die Umwelt und Klimaschutz ein. Berühmt ist seine 2009 auf dem Meeresgrund abgehaltene Kabinettssitzung. 2012 wird er zum Rücktritt gezwungen, drei Jahre später unter Berufung auf das Anti-Terrorismus-Gesetz festgenommen und zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Für Amal klar ein politisch motivierter Prozess. Kurz bevor sie Nasheed in den Malediven treffen will, wird einer ihrer Anwaltskollegen mit einem Messer attackiert. Gefragt ob sie nun Angst habe, sagt sie in einem NBC Interview: „Es war natürlich nicht die angenehmste Situation aber ich war fest entschlossen und es bedeutet mir sehr viel, Nasheed, über den ich schon so viel gelesen hatte, zu treffen. […]“. Der Ausgang des Falles wird ein großer Erfolg für Amal. 2016 wird dem Ex-Präsidenten erlaubt, die Malediven für einen medizinischen Aufenthalt in London zu verlassen – Amal empfängt ihn damals persönlich am Flughafen. Ursprünglich soll er nur 30 Tage bleiben, doch überraschend wir ihm politisches Asyl gewährt.

Einer ihrer größten und aufsehenerregendsten Fälle ist jener rund um die IS-Verbrechen gegen die Jesiden. Ab 2016 kämpft sie an der Seite der Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad und weiteren Opfern darum, den grausamen Völkermord des Islamischen Staates am jesidischen Volk vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen. Murad wird 2014 von der IS entführt und gerät in Gefangenschaft, wird versklavt, vergewaltigt und gefoltert ehe ihr die Flucht gelingt. Achtzehn ihrer Familienmitglieder werden getötet. „Als Amal mir versprach, mich vor dem Internationalen Gerichtshof zu vertreten, war dies das schönste Geschenk, das ich mir je hätte vorstellen können. Denn damit gab sie mir wieder das zurück, was ich schon verloren geglaubt hatte: meine Hoffnung”, so Nadia. 2021 beginnen die Gerichtsverhandlungen, Amal ist Nebenkläger- und Opferanwältin, im ersten Fall, in dem ein ISIS-Mitglied wegen Völkermordes zu lebenslanger Haft verurteilt wird.

Neben all diesen Fällen ist Clooney – die fließend Englisch, Französisch und Arabisch spricht – außerdem Gastdozentin und Mitglied der Colombia Law School, hält Vorträge an Universitäten in Europa und den USA und berät zwischen April 2019 und September 2020 die britische Regierung in Sachen globaler Pressefreiheit. 2016 gründen sie und ihr Ehemann, Hollywood-Schauspieler George Clooney, außerdem die „Clooney Foundation for Justice“, „um die Täter von Massengräueltaten für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und den Opfern in ihrem Kampf für Gerechtigkeit zu helfen“, heißt es auf der Website. Und weiter: „Wir kämpfen für Gerechtigkeit auf lange Sicht, egal wie schwierig der Weg ist.“

Amal Clooney, deren Name im Arabischen für „Hoffnung“ steht, hat sich unverkennbar dem Kampf für Menschenrechte, Pressefreiheit, Toleranz und Frieden verschrieben. Blickt man auf ihre Karriere, begegnet man zahlreichen bemerkenswerten Persönlichkeiten, die für eine gerechtere Welt kämpfen. Gleichzeitig ist sie eine von ihnen.

Photos: CPJ Photos/Katharina Schiffl/Monika Fellner, Rick Bajomas UN-Photo, Foreign Commonwealth and Development Office/Free President Rashid/US Department of Commerce, Cynthia Smoot/Simon Dawson Nr. 10 Downing Street/Crown copyright