Afrikanische Europäer, eine unerzählte Geschichte

Die kamerunische Historikerin Olivette Otele stellte ihr neues Buch über die Geschichte von Afrikaner:innen in Europa vor.

von Simon Inou

Im Rahmen des internationalen Tages gegen Rassismus am 21. März war die renommierte kamerunische Historikerin Olivette Otele der Londoner „School of Oriental and African Studies SOAS“ in Linz und Wien zu Besuch. Sie stellte ihr aktuelles Buch „Afrikanische Europäer, eine unerzählte Geschichte” vor. Das Buch wurde in die Shortlist 2023 der Kategorie Geistes-/Sozial-/Kulturwissenschaft des Wissenschaftsbuchs des Jahres 2023 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung gewählt.

Die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz war die erste Stadt, in der die Historikerin die Ehre hatte, ihr ins Deutsche übersetzte Buch mit dem Originaltitel “African Europeans. An untold Story” (Afrikanische Europäer. Eine unerzählte Geschichte) vorzustellen. Die Stadt im Norden Österreichs ist für ihre hochmoderne Kulturszene bekannt. Hier wurde Frau Otele am 20. März von JAAPO, dem Verein von Schwarzen Frauen und Women of Color und dessen Obfrau Marie-Edwige Hartig, eingeladen. Im vollbesetzten Saal der Buchhandlung Thalia in der Landstraße 41, stellte Olivette Otele ihre Arbeit vor, in der sie die Geschichte der Afrikaner:innen in Europa vom dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung bis in die Gegenwart zurückverfolgt.

Respektvoll akklamiert in Wien und Linz

Am 21. März, dem internationalen Tag gegen Rassismus – der 1966 von der UNESCO ins Leben gerufen wurde und an die Ereignisse des 21. März 1960 erinnert, als die Polizei bei einer friedlichen schwarzen Demonstration gegen die Apartheidsgesetze in

Sharpeville, Südafrika, das Feuer eröffnete und 69 Menschen tötete – empfingen die Besucher:innen der Wiener Hauptbücherei die Historikerin Olivette Otele im Rahmen ihrer Buchpräsentation mit offenen Armen. Die Veranstaltung in der Bundeshauptstadt war ausgebucht. Im großen Konferenzsaal der Hauptbücherei der Stadt Wien fand die Präsentation ihres Buches statt, welche von freshVibes-Chefredakteurin Beverly Mtui moderiert wurde.

Französischer Herausgeber lehnt Buchtitel ab

Schon am Beginn der Veranstaltung bekräftigte die Autorin zwar ihre Verbundenheit mit ihrem Pariser Verleger, formulierte aber dennoch ihre Ablehnung gegenüber dem Titel der französischen Übersetzung ihres Buches. Während der Originaltitel “African Europeans.

An untold Story” von allen vier anderen Übersetzungen übernommen wurde, weigerte sich der französische Verleger diesen Titel zu übernehmen, denn „während der Begriff African-American in Frankreich leicht übernommen wird, wird der Begriff African-European dort abgelehnt”, so Olivette Otele. In Frankreich heißt das Buch „L’histoire des Noirs d’Europe“, “Die Geschichte der schwarzen Europäer:innen”, betonte sie verärgert.

Vor ihr haben bereits mehrere Autor:innen zu diesem Thema veröffentlicht, jedes europäische Land hat seine eigene Geschichte der Afrikanisch-Europäer*innen. Laut Autorin gibt es „kein Buch, das eine Verbindung zwischen diesen Geschichten und dem Prozess der Amnesie, der partiellen Amnesie, der bewussten Amnesie oder der historischen Amnesie herstellt, den die westlichen Gesellschaften in dieser Frage aufrechterhalten. „Die Originalität meines Buches besteht darin, dass ich eine Verbindung zwischen all diesen individuellen Schicksalen, die in den europäischen Ländern auseinandergerissen wurden, herstelle. Ich gebe ihnen einen europäischen Korpus. Afrikanisch-europäisch.“

Afro-Europäerinnen nur passiv in der Geschichte

Ein weiterer wichtiger Punkt, den die Autorin an diesem Abend hervorhob, war der eklatante Mangel an Informationen, den sie bei ihren Recherchen zu afrikanisch-europäischen Frauen feststellen musste. “Während der Recherche, die zur Veröffentlichung dieses Buches führte”, sagte sie, “fand ich viele Geschichten über Menschen afrikanisch-europäischer Herkunft, aber so gut wie keine Geschichten über afrikanisch-europäische Frauen, und das hat mich wirklich frustriert. Es ist nicht so, dass sie nicht da waren, aber ich habe keine Spuren gefunden“ stellte sie fest.

Angesichts dieses Mangels musste Otele andere Wege finden, um diese Frauen sichtbar zu machen. So untersuchte Olivette Otele die Mythen und Kunstwerke der großen Meister und fand einige Beispiele. „Schauen Sie sich an, wie die Königin von Saba in der europäischen Dichtung und Literatur zu einer Symbolfigur gemacht wurde. Ich habe mir die schwarzen Madonnen angesehen. In Europa gibt es etwa 200 davon. Afrikanisch-europäische Frauen existieren nicht in der europäischen Geschichte, wird uns gesagt, aber sie existieren in den Gemälden und damit in der Geschichte, denn Kunstgeschichte ist Geschichte“.

Buchtipp:

Olivette Otele

Afrikanische Europäer – Eine unerzählte Geschichte