70 Jahre österreichisch-amerikanischer Austausch

Fulbright Austria feiert in diesem Jahr 70-jähriges Jubiläum. SOCIETY hat dies zum Anlass genommen, mit Herrn Dr. Hermann Agis, Geschäftsführer des Unternehmens, zu sprechen. Der ausgebildete Mediziner war selbst als junger Wissenschafter mit dem Erwin-Schrödinger-Stipendium des FWF als Gastforschender an der Dental School of the University of Michigan. Die Erfahrung des Auslandsaufenthaltes und das Kennenlernen der amerikanischen Kultur sowie der Wissenschaftskultur waren für ihn besonders bereichernd. Dies veranlasste ihn nach seiner Rückkehr dazu, sich in Österreich für den internationalen Austausch zwischen den beiden Ländern einzusetzen. Seit August 2019 ist Hermann Agis bei Fulbright Austria tätig.

Was sind die Aufgaben und Ziele von Fulbright Austria?

Seit 70 Jahren fördert Fulbright Austria das gegenseitige Verständnis, den Wissenstransfer und die Zusammenarbeit zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten. Wir fördern Bildungs- und Kulturaustauschprogramme für Einzelpersonen und Institutionen. Aufstrebende österreichische und US-amerikanische Studierende, FremdspachenassistentInnen sowie Forschende und Lehrende aus verschiedenen Fachrichtungen studieren, lehren und forschen seit 1951 durch die prestigeträchtigen Fulbright-Stipendien im jeweiligen Partnerland.

Wie kann das Fulbright-Programm zum Verständnis zwischen den USA und Österreich beitragen?

Wir senden österreichische Studierende, FremdspachenassistentInnen, Forschende und Lehrende in die USA und amerikanische nach Österreich. Wir schaffen dadurch die Chancen für persönliches Wachstum und akademische Bildung. Innerhalb und außerhalb der Klasse und des Seminarraums sind unsere Programmteilnehmenden als kulturelle Botschafter aktiv und bauen zwischen Institutionen und Ländern über den großen Teich hinweg Brücken. Auf dieser Reise ermöglichen wir ihnen, in die Kultur des Partnerlandes einzutauchen, neue Freunde und eine zweite Heimat zu finden. Bei der Rückkehr bringen sie ein Stück von dieser neuen Heimat mit nach Hause und tragen auch weiterhin zur österreichisch-amerikanischen Zusammenarbeit und zum Wissenstransfer bei.

Welche Schwierigkeiten können sich bei bilateralen Austauschprogrammen aus Ihrer Sicht ergeben?

Jeder Auslandsaufenthalt ist ein Abenteuer, eine Expedition, eine persönliche Heldenreise in das Ungewisse. Man wird nirgends so klar auf seine eigenen Vorurteile und Stereotype zurückgeworfen, wie in einem fremden Land. Natürlich verlässt man dabei die ganz eigene Komfortzone und stellt sich dem Unbekannten. Jeder unserer Programmteilnehmenden geht über seine ganz persönlichen Grenzen hinaus und wächst daran. Wer im Zuge des Auslandsaufenthaltes die eigenen Widerstände nicht überschreitet, bleibt ­ egal wie weit das Flugzeug sie oder ihn auch trägt ­ in alten Denkmustern gefangen.

Wir sehen uns hierbei als Tourguide und geben mithilfe von Orientierungstagen und Workshops die notwendigen Werkzeuge mit, sodass unsere StipendiatInnen das Beste aus der Erfahrung mitnehmen können. Wenn Sie mich fragen, vor welche Herausforderungen wir als Programm ganz allgemein gestellt sind, dann sind es sicher die steigenden Kosten, die ein Studium im Ausland mit sich bringt. Hier ist der Entrepreneurial Spirit von allen in der Fulbright-Kommission gefordert, um auch für die nächsten 70 Generationen die Möglichkeiten zu schaffen, die wir schon in den vergangen 70 Jahren eröffnet haben.

Worauf sind Sie nach Ihrem 70-jährigen Bestehen besonders stolz?

Eine besondere Freude sind die vielen Alumnae und Alumni, deren Leben unser Programm verändert hat, und die vielen lebenslangen Freundschaften, die sich durch das Fulbright-Programm entwickelt haben. Stolz sind wir auf die anhaltenden, erfolgreichen Partnerschaften mit 23 österreichischen und vier US-amerikanischen Institutionen, die dazu beitragen, dass das kleine Land Österreich solch ein bedeutsames Fulbright-Scholarprogramm hat.

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf? Woran wollen Sie in Zukunft arbeiten?

Wir arbeiten jederzeit daran, die gesamte Diversität der österreichischen und amerikanischen Bildungslandschaft in unserem Portfolio zu inkludieren, um so eine möglichst authentische Interaktion zwischen ÖsterreicherInnen und US-AmerikanerInnen zu schaffen. Die finanziellen Herausforderungen, die ein Studium im Ausland mit sich bringt, stellen für viele Talente eine große Hürde da.

Auf dem Weg zur Steigerung der Diversität unserer ProgrammteilnehmerInnen haben wir es 2019 mithilfe von Spenden geschafft, die Reisestipendien zu erhöhen. Um dieses Niveau halten zu können, sind wir auf Spenden von Privatpersonen und Firmen angewiesen. Wir arbeiten daran, starke Partner für die Zukunft zu finden, die mit uns Chancen für die nächste Generation von Bright Minds und Changemakern schaffen. Wenn Sie uns dabei unterstützen möchten, finden Sie auf unserer Homepage mehr Informationen dazu.

Was sind Ihres Erachtens die größten Herausforderungen für 2021-22?

Für uns alle sind die Jahre der Pandemie eine Achterbahn der Gefühle, in der wir mit großen Herausforderungen im Gesundheitswesen und auch im ganz persönlichen Raum umgehen müssen. Eine der Herausforderungen für 2021-22 wird sicher sein, die Vorteile der digitalen Welt mit denen der persönlichen Begegnung zu kombinieren.

Das Fulbright-Erlebnis lebt vom direkten Kontakt der Menschen. Genau diese Begegnungen waren aufgrund der Coronavirus-Krise sehr eingeschränkt. Die Zeit der Pandemie, in der wir alle mit Physical Distancing zur Eindämmung des Virus beigetragen haben, hat uns aber auch die Vorzüge der digitalen Werkzeuge vor Augen geführt. Diese haben wir im vergangenen Jahr genutzt und damit mehr Menschen die Möglichkeit gegeben, an den Aktivitäten unserer Programmteilnehmenden ­ sei es an Vorträgen, Seminaren oder Ausstellungen ­ teilzunehmen.

Welche Konsequenzen lassen sich für die Zukunft der Lehre und Forschung im Rahmen des Fulbright-Programms aus der Pandemie ziehen?

Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie verbunden unsere Welt heutzutage ist. Die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nicht durch eine isolierte Herangehensweise in den Griff bekommen. Die Verbindungen und Brücken, die durch Fulbright-Stipendien geschaffen werden, sind eine Investition in die Zukunft. Nur gemeinsam können wir die kommenden Krisen in Chancen verwandeln.

Fotocredits: Weinwurm Fotografie