Zukunftspartner Afrika

Robert Zischg leitet seit 2021 die Abteilung „Afrika südlich der Sahara, Afrikanische Union“ im österreichischen Außenministerium. SOCIETY gibt er im persönlichen Gespräch Einblicke in die österreichische Afrika-Strategie, Schwerpunktländer und den vielversprechenden afrikanischen Markt.

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Sie sind als Leiter der Abteilung „Afrika südlich der Sahara, Afrikanische Union“ auch mitverantwortlich für die österreichische Afrika-Strategie – was sind die Eckpfeiler eben dieser?

Hauptziel der gesamtstaatlichen Afrika-Strategie der Bundesregierung, die sich gerade in Ausarbeitung befindet, ist es, die Beziehungen Österreichs zu Afrika mit einer koordinierten Herangehensweise zu stärken und beizutragen, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umstände in den afrikanischen Staaten zu verbessern, nicht zuletzt um irregulärer Migration nach Europa den Anreiz zu nehmen. Dabei werden wir uns auf vier große Schwerpunkte konzentrieren, allen voran die Schaffung von Frieden, Sicherheit und Stabilität. Investitionen in die Gesellschaft sollen die Jugend und Frauen und den Bereich Aus- und Weiterbildung besonders berücksichtigen.  Investitionen in die Wirtschaft sollen die grüne und digitale Transformation fördern. Und wir wollen die Resilienz Afrikas zur Bewältigung der mannigfaltigen Krisen – Klimawandel, Naturkatastrophen oder auch Pandemien und Epidemien – denen sich der Kontinent gegenübersieht, stärken.

Wie sieht der Austausch mit der Afrikanischen Union – sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene – aus?

Der Austausch mit der Afrikanischen Union hat sich auf EU-Ebene in den letzten Jahren stark intensiviert. Zuletzt gab es ein Treffen auf Ebene der Außenministerinnen und Außenminister in Kigali (Ruanda) im Oktober 2021 sowie auf Ebene der Staats- und Regierungschefs und -chefinnen in Brüssel im Februar 2022. Bei Letzterem wurde eine gemeinsame Gipfelerklärung mit einer „Joint Vision for 2030“ angenommen. Diese enthält eine Vielzahl von Maßnahmen – inklusive einem Investitionspaket in Höhe von 150 Milliarden Euro – im Zuge derer die Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika verstärkt werden soll.

Auch Österreich wird seinen Teil dazu beitragen. So werden bei künftigen hochrangigen Besuchen nicht nur die aktuellen politischen Themen, wie etwa derzeit die dramatische Lage in der Sahelregion oder der Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine und dessen gravierende Auswirkungen u.a. auf die Nahrungsmittelsicherheit in Afrika angesprochen werden, sondern auch wie der bilaterale Handel und unsere Investitionen in Afrika gefördert werden können. Hierfür könnte das von Österreich mitfinanzierte „Skills Centre“ in Enugu in Nigeria als Beispiel dienen: Dieses bietet jungen Nigerianerinnen und Nigerianern die Möglichkeit einer soliden dualen Ausbildung, erhöht damit deren Chancen auf dem in der Region besonders schwierigen Arbeitsmarkt und trägt dazu bei, dass diese im Lande bleiben können und ihre Zukunft nicht in Europa suchen.

China investiert ja schon seit längerer Zeit stark in Afrika – wie kann Europa hier nachziehen?

Auch wenn China in der Tat in Afrika kräftig investiert: Auch die Investitionen Europas in Afrika sind beträchtlich. Ebenso jene aus den USA oder den Golfstaaten und anderen Weltregionen. Afrika ist nämlich mit seiner jungen, dynamischen und stark wachsenden Bevölkerung ein Hoffnungsmarkt nicht nur für Europa, sondern für alle exportorientierten Staaten. Es wäre daher wünschenswert, wenn sich vermehrt auch österreichische Unternehmen für den afrikanischen Markt interessieren würden. Mit 1,85 Mrd. € lag der Anteil der österreichischen Exporte nach Afrika im Jahr 2021 nur bei etwas mehr als 1 % der Gesamtexporte. Eine Reihe österreichischer Firmen ist zwar schon seit vielen Jahren in Afrika überwiegend im Projektgeschäft sehr erfolgreich tätig, aber das Potential ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energie, Gesundheit, Lebensmittel- und Umwelttechnik, Bauwirtschaft Digitalisierung, etc. sind der Bedarf nach hochqualitativen Lösungen und die Chancen für risikobereite europäische – und österreichische! – Unternehmen enorm. Was langfristig zählt, ist Qualität – und in dieser Liga spielen unsere heimischen Unternehmen zweifelsohne mit.

Mit welchen afrikanischen Ländern hat Österreich besonders starke Verbindungen? Und wie äußern sich diese?

Aufgrund der geographischen Nähe zu Europa sind unsere Beziehungen zu Nordafrika natürlich traditionell sehr eng. Insbesondere Ägypten, Algerien, Marokko und Tunesien sind wichtige Partner im Bereich Handel und Investitionen und beliebte Tourismusdestinationen. Auf der anderen Seite des Kontinents sticht Südafrika hervor. Dieses ist ein strategischer Partner Österreichs mit regelmäßigen politischen und wirtschaftlichen Konsultationen, zuletzt im Juni 2022 in Pretoria. Fast ein Drittel der österreichischen Exporte nach Afrika gehen dorthin. Auch im Bereich Sicherheit ist Österreich immer wieder in Afrika engagiert, zuletzt in Mali, als Österreich im ersten Halbjahr 2022 den Kommandanten der EU-Ausbildungsmission sowie bis zu 90 Soldaten gestellt hat. Äthiopien, Uganda, Burkina Faso und Mosambik wiederum sind seit vielen Jahren Schwerpunktländer unserer Entwicklungszusammenarbeit und damit enge Partner Österreichs.

„Wir wollen die Resilienz Afrikas zur Bewältigung der mannigfaltigen Krisen denen sich der Kontinent gegenübersieht, stärken.“

Welche Rolle spielt hinsichtlich der Afrika-EU Beziehungen die Kolonialvergangenheit einiger europäischer Länder in Afrika?

Der Einfluss der früheren Kolonialmächte in Afrika ist unübersehbar. Dies hat Vor-, aber auch Nachteile. Zum einen ist ihr Zugang zu den Regierungen, aber auch zur Bevölkerung ein direkter, wovon die EU insgesamt profitieren kann. Zum anderen ist der Kolonialismus Ursache oder Mitursache für eine Reihe von Problemen, mit denen die afrikanischen Staaten heute noch zu kämpfen haben. Vielfach setzen diese die Politik der früheren Kolonialmächte, die nach wie vor in Afrika politisch und wirtschaftlich sehr präsent sind, mit jenen der EU gleich. Die Afrikapolitik der EU muss jedoch die Positionen aller 27 Mitgliedstaaten widerspiegeln. Deshalb ist auch Österreich gefordert, sich in die Gestaltung der Politik der EU gegenüber Afrika einzubringen: Als neutraler Staat und Nicht-Kolonialmacht, aber auch als wichtiger UN-Sitz, genießen wir auch in Afrika einen sehr guten Ruf. So können wir einen wertvollen Beitrag zur Förderung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sowie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung leisten.

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