Auf Österreich kommt in der zweiten Jahreshälfte eine große Herausforderung zu. Zum dritten Male übernimmt die Alpenrepublik den Vorsitz in der Europäischen Union.
Budget, Brexit und Sicherheit hat die Bundesregierung als Schwerpunkte angekündigt. Die sechsmonatige EU-Präsidentschaft Österreichs bedeutet zudem eine wichtige Weichenstellung für die Europa-Wahlen im Mai 2019.
Das Arbeitspensum ist gewaltig. In Sachen Brexit muss bis zum EU-Gipfel im Oktober der EU-Austrittsvertrag mit Großbritannien so gut wie unter Dach und Fach sein. Denn vor dem Austritt der Briten im März 2019 muss die Ratifizierung durch das Europa-Parlament und die nationalen Parlamente erfolgen. Chefverhandler bleibt Michel Barnier, doch die Beratungen auf Ratsebene obliegen Österreich, das heißt Europaminister Gernot Blümel.
Budget, Sicherheit, Westbalkan
Ein harter Brocken ist das EU-Budget für 2021. Die Verhandlungen über den siebenjährigen Finanzrahmen stehen im Zeichen des künftigen Ausfalls der britischen Zahlungen. Wie die Niederlande, Dänemark und Schweden lehnt auch Österreich Mehrzahlungen in das nächste Budget ab. Nach Berechnungen der EU-Kommission müsste es 500 Mio. Euro Mehrkosten bestreiten. Die großen Nettozahler Deutschland und Frankreich sind zur Aufstockung ihrer Beiträge bereit.
Migration und Sicherheit sind ein weiterer Knackpunkt. Konkret geht es um die Sicherung der EU-Außengrenzen. „Wir wollen ein Europa, das schützt“ lautet das Motto des Ratsvorsitzes. Der Kampf gegen illegale Migration steht im Fokus, so Bundeskanzler Sebastian Kurz, Außenministerin Karin Kneissl und Europaminister Blümel unisono. Den Höhepunkt in der Materie Sicherheit-Migration bildet der für 20. September in Salzburg geplante Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs.
Die EU-Annäherung des Westbalkan bleibt ein Anliegen Österreichs. Hier besteht eine enge Kooperation mit dem vorangegangene EU-Vorsitzland Bulgarien und Nachfolger Rumänien. Bei einem Gipfel in Sofia wurde die Beitrittsperspektive für Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Mazedonien und Kosovo unterstrichen. Verhandlungen laufen mit Serbien und Montenegro, für Albanien und Mazedonien stehen die Chancen gut.
Auf dem Wirtschaftssektor geht es Österreich darum, den Wohlstand zu sichern. Ergo soll an der Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit gearbeitet werden. Zielvorgabe ist die Vollendung des digitalen Binnenmarktes. Fortschritte bei der gemeinsamen Besteuerung der internationalen Großkonzerne wie Facebook, Amazon und Google sollen zum fairen Wettbewerb der Marktteilnehmer beitragen.
Sitzungsmarathon in Österreich
Organisatorisch und logistisch ist der EU-Vorsitz ein gewaltiges Unterfangen. Etwa 2000 EU-Sitzungen sind zu leiten. Rund 60 formelle und informelle Ratstagungen sowie etliche Großereignisse sind zu bewältigen. Österreich stellte zunächst ein Zusatzbudget von 35 Mio. Euro zur Verfügung. Top-Termine sind der Salzburger Sondergipfel im September und der Abschlussgipfel am 13./14. Dezember in Brüssel. Dort ist für 23./24. November eine EU-Asien-Konferenz geplant.
Das Gros der EU-Ministerräte läuft in der Bundeshauptstadt ab. In Wien tagen die Sozial- und Gesundheitsminister (Juli), die Außen- und Verteidigungsminister (August), der Rat Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN, September). Daneben kommen die Bundesländer bei EU-Fachministerräten zum Zug. So treffen die Justiz- und Innenminister in Innsbruck (Juli) zusammen, die Verkehrs- und Energieminister in Linz (September), die Agrarminister in Schloss Hof in Niederösterreich (Oktober), die Umweltminister in Graz (Oktober).
Wichtige Akteure in Wien und Brüssel
Von großer Bedeutung für das Gelingen des österreichischen Präsidentschafts-Halbjahres sind zweifellos auch die handelnden Personen. Seit 2009 haben die EU-Gipfel und die EU-Außenministerräte ständige Vorsitzende. Auf der österreichischen Seite steht mit Bundeskanzler Kurz ein Politiker an der Spitze, der auf Erfahrungen als Außenminister zurückblickt. Österreichs Vertreter in Brüssel, Nikolaus Marschik, war zuvor im Außenamt im Kabinett Kurz tätig gewesen.
EU-Kommissar Johannes Hahn plädierte in den Medien für ein stärkeres globales Auftreten der Union. Als „soft power“ stehe die EU für Wohlstand, Frieden, Freiheit.
Er zitierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der „die Weltpolitik-Fähigkeit der EU“ hervorhob. Österreichs Außenministerin im EU-Vorsitzhalbjahr 2006, Ursula Plassnik, wünscht sich, wie sie im APA-Interview hervorhob, vom Ratsvorsitz 2018 „höchste Professionalität und europäische Leidenschaft“.
Text: Hermine Schreiberhuber
Foto: Dragan Tatic