Interview mit der mexikanischen Botschafterin I.E. Alicia Buenrostro Massieu

SOCIETY-Chefredakteurin Tanja Tauchhammer sprach mit I.E. Alicia Buenrostro Massieu über die historische Verbindung zwischen Österreich und Mexiko und ihrer Arbeit für die Internationalen Organisationen in Wien.

 

Seit Mai 2016 sind Sie Botschafterin für Mexiko mit dem Zuständigkeitsbereich Österreich. Slowakei, Slowenien und bei den Internationalen Organistationen in Wien, was waren bis jetzt ihre größten Herausforderungen?

Hier möchte ich gerne vier Punkte besonders hervorheben. Erstens: Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Mexiko und den EU-Mitgliedsstaaten wie Österreich, Slowakei und Slowenien zu diversifizieren. Zweitens: Mexikos Präsenz in diesen drei Ländern mehr Gewicht zu verleihen. Als dritten Punkt möchte ich den mexikanischen Vorsitz über das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechenbekämpfung (UNODC) erwähnen – dies war angesichts der unterschiedlichen Themen und politischen Interessen der Mitgliedsländer eine sehr große Aufgabe.

Der vierte Punkt war die Tatsache, dass unsere Vertretung nicht nur für die bilateralen Beziehungen mit diesen drei Ländern, sondern auch für Mexikos Präsenz in den multilateralen Organisationen der Vereinten Nationen zuständig ist. Unsere Botschaft ist eine der wenigen Vertretungen Mexikos, in deren Aufgabenbereich sowohl bilaterale als auch multilaterale Angelegenheiten fallen, was meine Arbeit hier sehr umfangreich und spannend macht.

2018 ist das Gedenkjahr 80 Jahre Anschluss Österreich an Nazi-Deutschland, Mexiko war damals der einzige Staat, der öffentlich dagegen protestierte und Flüchtlingen Asyl gewährte. Als Erinnerung daran wurden viele kulturelle Events in Wien organisiert, in welchem Ausmaß ist die mexikanische Botschaft hier involviert (z.B. das Projekt „Gekreuzte Geschichten. Mexikoplatz 1938 – 2018“, das von dem Historiker Berthold Molden organisiert wurde)?

Unsere Botschaft organisierte zu diesem historischen Anlass mehrere Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit österreichischen Institutionen. Am 14. März fand in der Karl-Franzens-Universität Graz die Veranstaltungsreihe „Flagrante Violación“ statt. Ein Vertreter der Botschaft hielt den Vortrag „Die mexikanische Diplomatie in den 30er Jahren und ihre heutige Relevanz“ und der österreichische Exilexperte Dr. Christian Kloyber sprach über das „Österreichische Exil in Mexiko“. Am 15. und 21. März wurden dort auch die Dokumentarfilme „Visa al Paraíso“ von Lillian Liberman über den mexikanischen Diplomaten Gilberto Bosques und “Volver la vista” von Fridolin Schönwiese über jeweils im anderen Land lebende Österreicher und Mexikaner gezeigt.

Am 19. März nahm ich auf dem Wiener Mexikoplatz an der Eröffnung des Kunstprojekts „Gekreuzte Geschichten. Mexikoplatz 1938-2018“ teil, das von einer Gruppe unabhängiger Künstler unter der Leitung des Historikers Berthold Molden organisiert wurde.

Am 20. März fand an der Rechtsfakultät Juridicum der Universität Wien unter dem Titel „In the Spirit of Isidro Fabela: Mexican and Austrian approaches to the Challenges of International Law“ – ein Symposium mit österreichischen und mexikanischen Juristen über das Thema Völkerrecht und die Beziehung Mexiko-Österreich – statt.

Am 21. März gab ein Streichquartett der Wiener Philharmoniker das Konzert „Mexiko und Österreich, im Gedenken an das 20. Jahrhundert“ im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins mit Werken von Hanns Eisler, Marcel Rubin und Silvestre Revueltas. Und am 22. März veranstalteten wir im Mexikanischen Kulturinstitut in Wien eine Podiumsdiskussion über diese Exilkomponisten mit dem österreichischen Musikexperten Prof. Hartmut Krones. Gleichzeitig wurde von der Österreichischen Botschaft in Mexiko ebenfalls eine Reihe an Gedenkveranstaltungen organisiert.

Was waren die Auswirkungen der US-Präsidentschaft von Donald Trump auf Mexiko, vor allem in Bezug auf die Wirtschaft?

 Vor und kurz nach der US-Wahl herrschte große Unsicherheit über die mexikanische Wirtschaft. Die Wechselkurse waren beispielsweise sehr instabil. Aber nach einem Jahr und trotz all der Debatten um die bilaterale Beziehung hat Mexiko eine gute Wirtschaftsleistung dank Fortführung der NAFTA-Verhandlungen, Reduktion des Staatsdefizits, Umsetzung von Strukturreformen, besonders hervorheben möchte ich hier unsere Erfolge auf dem Energiesektor- und die steigenden Exporte in die USA und nach Kanada.

Die Beziehung zwischen Mexiko und den USA findet nicht zwischen zwei Regierungen statt, sondern auf vielen Ebenen. Daran sind unterschiedliche Akteure beteiligt, wie z.B. Unternehmen, Gouverneure, binationale Familien, Universitäten oder Parlamentarier.

Wenn wir schon bei dem Thema Wirtschaft sind, wie ist die Handelsbilanz zwischen Mexiko und Österreich? Was sind Mexikos größte Exportgüter?

Die Handelsbeziehung zwischen Mexiko und Österreich ist eingebettet in das Freihandelsabkommen Mexikos mit der Europäischen Union („Global Agreement“), über dessen Erneuerung kürzlich eine wichtige Grundsatzeinigung erzielt wurde. 2016 belief sich die Handelsbilanz zwischen beiden Ländern auf 1.442.000 Millionen US-Dollar. Die wichtigsten mexikanischen Exporte nach Österreich 2016 waren Autos und Autoteile (45,2%), Maschinen und Geräte (11,6%), Rindsleder und -felle, (8,3%), Datenverarbeitungsgeräte (6,5%) und Kolbenmotoren (3,8%).

Hat sich der Aufschwung im Tourismussektor von 2016 im Folgejahr fortgesetzt? Wie viele Gäste hatte Mexiko 2017?

 Im Zeitraum von Januar bis Dezember 2017 betrug die Zahl der internationalen Besucher in Mexiko 39,3 Millionen. Dies ist ein Anstieg von 12 Prozent gegenüber der 35,1 Millionen Besucher im Vergleichszeitraum 2016. Die Divisen-Einnahmen aus dem internationalen Tourismus stiegen 2017 um 8,6 Prozent und erreichten 21,333 Milliarden Dollar. Mexiko ist in den letzten Jahren von Platz 10 auf Platz 6 der beliebtesten Tourismusziele weltweit vorgerückt.

Wie viele mexikanische Staatsbürger leben in Österreich? Gibt es eine große Community mit der die Botschaft interagiert?

Laut Statistik Austria lebten mit Stichtag 1.1.2018 in Österreich 1.329 Menschen, die sich als mexikanische Staatsbürger ausweisen. In der Konsularabteilung unserer Botschaft gibt es eine Datenbank, in die sich mexikanische Mitbürger eintragen können, um im Notfall Angehörige in Mexiko zu kontaktieren oder um konsularische Informationen sowie unseren monatlichen Newsletter zu erhalten. Derzeit sind rund 317 Personen in dieser SIRME-Datenbank erfasst. Natürlich bemühen wir uns als Vertretung Mexikos um einen engen Kontakt und eine gute Zusammenarbeit mit der mexikanischen Gemeinde in den drei Ländern unserer Zuständigkeit, nicht nur was konsularische Dienste betrifft, sondern vor allem auch im Bereich Kunst und Kultur.

CV I.E. Alicia Buenrostro Massieu ist Berufsdiplomatin seit 1990. Sie wurde im April 2012 in den Stand der Botschafterin des Auswärtigen Dienstes Mexikos erhoben. Von August 2011 bis Mai 2016 war sie als Generalkonsulin Mexikos in Hongkong und Macau tätig. Seit dem 22. Mai 2016 ist sie die Botschafterin Mexikos in Österreich mit Zuständigkeit für die Slowakei und Slowenien.

Im Auswärtigen Dienst war sie unter anderem an den Botschaften Mexikos in London, Washington D.C. und Madrid, wo sie von 2007 bis 2011 Kanzleichefin (Rang einer Gesandten) war, beschäftigt.

Innerhalb des mexikanischen Außenministeriums war sie Beraterin für multilaterale Themen des Vize-Außenministers (1991-1992) und stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektionen für Europa, Afrika und den Nahen Osten. Als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes war sie als Auslandspressesprecherin des Präsidenten Mexikos (2000-2003) und als Direktorin des Rats für Tourismusförderung für Westkanada mit Sitz in Vancouver (2004-2005) tätig.

Botschafterin Buenrostro Massieu absolvierte das Magisterstudium der internationalen Beziehungen an der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt. Sie hat einen Master-Titel in Wirtschaftspolitik der London School of Economics and Political Science sowie einen Abschluss der Georgetown University Washington D.C. und des Instituto Tecnológico Autónomo de México im Fach Europäische Integration.

Sie ist Co-Autorin (gemeinsam mit Ehrenbotschafter Andrés Rozental) des Kapitels “Bilateral Diplomacy” im Oxford Handbook of Modern Diplomacy (Oxford University Press, 2013) sowie des Artikels “El Resurgimiento del Fundamentalismo Islámico en el Medio Oriente“ (Cuadernos del IMRED, 1988). Sie hat auch mehrere Artikel über Außenpolitik in mexikanischen und internationalen Printmedien verfasst.

Sie ist Mitglied des Mexikanischen Rates für internationale Angelegenheiten (Consejo Mexicano de Asuntos Internacionales, COMEXI) und des Rates des International Women’s Forum, Ortsgruppe Hongkong.

Foto: SOCIETY/Salas-Torrero