Mit dem Mechitaristenkloster in Wien Neubau hat die zweite armenische Kirche, die in Österreich vertreten ist, ein ganz besonders bedeutendes Zentrum des Glaubens mitten in Wien. SOCIETY sprach mit Abt Pater Paulus Kodjanian.
Text: Hermine Schreiberhuber/Sarah Heftberger
Der Name der Kongregation geht auf den Armenier Mechitar von Sebaste zurück, der sich im Jahr 1701 dazu entschlossen hatte, im früheren Konstantinopel einen Orden zu gründen. „Mechitar wollte damals ein Kloster zur geistlichen Förderung und zur Erleuchtung des armenischen Volkes ins Leben rufen“, erklärt Pater Paulus Kodjanian die Entstehungsgeschichte.
Die Reise Mechitars und seiner Mitbrüder führte sie später nach Venedig, wo sie auf der Laguneninsel San Lazzaro ein Kloster erbauten, das noch heute im Besitz der Kongregation ist. „Ich weiß von vielen Österreichern, die diesen Ort öfter besuchen, die aber das Mechitaristenkloster hier in Wien nicht kennen – und das obwohl es als Kulturzentrum sogar größer ist als Venedig“, weist Pater Paulus auf die relative Unbekanntheit des Ordens in Wien hin.
Von Venedig brachen einige Ordensbrüder 1772 nach Triest auf, das damals Teil des Habsburgerreichs war. Dort wurden mit Genehmigung Maria Theresias ein Kloster, eine Kirche und eine Druckerei errichtet. Mit der Besetzung Triests durch französische Truppen kam eine schwere finanzielle Krise über die Mechitaristen, die sie schließlich dazu veranlasste, im Jahr 1810 im kaiserlichen Wien um Asyl anzusuchen. Kaiser Franz I. nahm sie auf und quartierte sie ab 1811 in das verlassene Kapuzinerkloster „Am Platzl“ in der Vorstadt St. Ulrich ein. „Ich sage immer, jede Schwierigkeit hat uns etwas Gutes gebracht – von Istanbul nach Griechenland über Venedig und Triest und von da aus ins Herz Europas“, fasst der Abt den Weg der Mechitaristen nach Wien zusammen.
Heute erinnert nur noch ein Stück Mauer des ehemaligen Refektoriums im Innenhof an das frühere Kapuzinerkloster. Das Kloster der Mechitaristen wurde nämlich zwischen 1835 und 1837 nach Plänen des bekannten österreichischen Architekten Joseph Kornhäusl umgebaut, im Jahr 1874 kamen zwei Quertrakte hinzu. Zwischen 1871 und 1874 stellte man außerdem die Kirche Maria Schutz fertig, die nun das geistliche Zentrum des Klosters und der katholischen Armenier bildet. Im italienischen Frührenaissance-Stil erbaut und ursprünglich ebenfalls von Kornhäusl geplant, schmückt sie heute die Neustiftgasse im siebten Bezirk. Die äußerliche Unscheinbarkeit der aus weißen Backsteinen gebauten Kirche täuscht über den fast prunkhaft anmutenden Innenraum hinweg. Dieses Interieur hat das Gotteshaus dem damals mit dem Bau beauftragten Architekten Camillo Sitte zu verdanken, der in die Gestaltung einige bedeutende Künstler wie etwa Heinrich Ferstel oder Theophil Hansen miteinbezogen hatte. Heute wird dort jeden Sonntag eine Heilige Messe nach armenischem Ritus gefeiert.
Bis 1998 gab es auch noch eine hauseigene Druckerei, in der zum Beispiel 1818 das erste serbisch-deutsche Wörterbuch gedruckt wurde. Gedruckt wurde in 40 Sprachen. Eine Verbindung mit dem SOCIETY Magazin besteht ebenfalls, wurden doch die Ausgaben aus den Jahren 1996, 1997 und die erste des Jahres 1998 in der Druckerei der Mechitaristen vervielfältigt.
In der ordenseigenen Bibliothek finden sich außerdem die weltweit größte und älteste Sammlung armenischer Zeitschriften, eine umfangreiche Münzsammlung und zahlreiche kostbare Handschriften. Als eines der wichtigsten Zentren der armenischen Kultur in ganz Mitteleuropa, bieten die Wiener Mechitaristen nicht nur für die etwa 30 bis 40 in Österreich lebenden armenisch-katholischen Familien eine bedeutende Begegnungs- und Lernstätte: „Unser Kloster ist nach wie vor ein religiöses und kulturelles Zentrum für Armenier, die von überall herkommen, um unsere Zeitschriften zu studieren“, erklärt Pater Kodjanian stolz.
Der Fokus des Ordens liegt seit jeher auf der Bewahrung und Entwicklung der armenischen Kultur. Dieses Leitmotiv war es auch, welches damals Mechitar inspirierte, den Orden überhaupt zu gründen. „Ab dem 14. Jahrhundert kam eine schwierige Zeit für die armenische Kultur – ein Niedergang bahnte sich an“, so Pater Paulus. Der neue Orden sollte vor allem gut ausgebildete Priester hervorbringen, die Menschen etwas beibringen konnten. „Denn Religion ohne Bildung kann auch Probleme machen – beide Dinge sind wichtig für den Menschen – sie sind wie die linke und die rechte Hand“, stellt der Abt fest. Gute interreligiöse Beziehungen und ein gemeinsamer Diskurs sind für Pater Paulus ebenfalls wesentlich. „Es ist wichtig, das alle Gläubigen, ob sie nun Christen, Moslems oder Juden sind, in einer guten Beziehung zueinander leben. Mit gegenseitiger Achtung und in freundlicher Beziehung sollte man gemeinsam für den Frieden in der Welt arbeiten“, so der Pater.
Im Jahr 2000 vereinten sich auch die Venediger und die Wiener Mechitaristen nach 227 Jahren Trennung wieder zu einer Kongregation. „Das Hauptzentrum ist nun Venedig, Wien fungiert als eine Art Unterzentrum und daneben gibt es noch Niederlassungen in verschiedensten Städten wie Istanbul, Aleppo, Beirut, Paris, Los Angeles oder Buenos Aires“, erklärt Pater Paulus. Früher habe es aber noch viel mehr Nebensitze gegeben. „Wir sind an unser Volk gebunden und wenn dieses irgendwo einzieht, ziehen wir mit ein – verlässt es einen Ort, müssen wir das ebenfalls tun“, so der Abt.
In die Zukunft des Ordens blickt Pater Paulus mit etwas Besorgnis. „Wir haben wirklich Probleme mit dem Nachwuchs“, erzählt er. In der Zeit des Kommunismus war es für die Kongregation nur sehr schwer möglich, aktiv Nachwuchs zu generieren. Die Suche konzentrierte sich damals auf Syrien, Istanbul oder den Libanon, wo bis zu 300.000 Armenier lebten. „Wir hatten dort einmal 17 Schulen, aber während des langen Krieges verließen viele Armenier das Land gen Europa oder Amerika“, erinnert sich Pater Paulus. Erschwert wird die Nachbesetzung noch dadurch, dass nur Armenier als Mönche zugelassen sind. „Das ist kein Nationalismus, aber unser Orden ist der einzige armenisch-katholische und der Gründer wollte, dass das so bleibt“, erklärt der Abt. Die Zahl der Mönche ist momentan die niedrigste der Geschichte – in Wien und Venedig zusammen gibt es nur noch 20 Priester, von denen mindestens sechs nicht mehr aktiv sein können. In Wien sind es noch vier Mechitaristen, die nach benediktinischer Regel im Kloster in Wien Neubau leben und arbeiten.
Zumindest der Fortbestand des altbekannten Klosterlikörs, der sogenannten „Mechitharine“ ist aber vorläufig gesichert. Seit dem 17.Jahrhundert wird dieser nach stets streng gehütetem Geheimrezept aus 43 verschiedenen Kräutern und 12 Früchten zubereitet. Der Pater, der mit dem Rezept betraut war, befindet sich aber im Altersheim. Dennoch gelang es den Patres, das Rezept so weit zu rekonstruieren, dass es nun wieder möglich ist, Likör für den Privatgebrauch herzustellen. „Er ist jetzt viel besser als der, den der Pater zuvor in letzter Zeit gemacht hat“, versichert Pater Paulus.
Dem Staat Österreich ist der Abt der Wiener Mechitaristen in Dankbarkeit verbunden. „Sowohl zur Kaiserzeit als auch zur Zeit der Republik sind wir immer unterstützt worden“, resümiert er.
Foto: SOCIETY/Salas-Torrero