50 Jahre China – Österreich

S.E. Xiaosi LI, Botschafter Chinas, spricht im Interview mit SOCIETY über das 50-Jahre-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Österreich, die Corona-Krise und Klimaneutralität.

2021 feiern Österreich und China 50 Jahre diplomatische Beziehungen. Was hat sich in diesen 50 Jahren verändert und was sind aktuell die Kernbereiche der Kooperation?

In den letzten 50 Jahren haben die chinesisch-österreichischen Beziehungen dank beidseitiger Bemühungen umfassende Entwicklungen erfahren. 2018 stattete Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Begleitung von Bundeskanzler Sebastian Kurz China einen Staatsbesuch ab. Anlässlich des Besuchs haben beide Länder ihre Beziehungen auf die Ebene einer von Freundschaft getragenen strategischen Partnerschaft angehoben. 2019 besuchte Bundeskanzler Kurz China wieder und der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses der VR China, LI Zhanshu, kam nach Österreich. Das bilaterale Handelsvolumen stieg von 29 Millionen Euro in den Anfangsjahren nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf 14.28 Mrd. Euro im Jahr 2019. Zurzeit ist China für Österreich der viertgrößte Handelspartner weltweit und der wichtigste in Asien. Österreichische Künstlergruppen wie z.B. die Wiener Philharmoniker und die Wiener Sängerknaben gastieren fast jedes Jahr in China. 2019 betrugen die Ankünfte chinesischer Touristen in Österreich 1.03 Millionen. China und Österreich vertreten in vielen internationalen Angelegenheiten den gleichen bzw. ähnlichen Standpunkt.

Inmitten der unerwarteten Corona-Pandemie haben China und Österreich gegenseitige Hilfe und Unterstützung gewährt. Beide Regierungen lieferten gegenseitig benötigte medizinische Hilfsgüter und arbeiteten aktiv an der Pandemie-Bekämpfung zusammen. China half Österreich weiters, eine Luftbrücke zwischen beiden Ländern zu schlagen, über die Chartermaschinen medizinische Güter aus China nach Österreich holten. Ich bin davon überzeugt, dass die traditionell gute Freundschaft unserer beiden Länder und Völker nach bestandener Bewährungsprobe in der Corona-Krise weiter vertieft wird.

Die Belt and Road Initiative ist eines der größten Projekte die es je gab. Wie sehen die einzelnen Konzepte aus und welche Partnerschaften gibt es mit österreichischen Unternehmen?

Österreich begrüßt und unterstützt die „Belt and Road“ Initiative, ist zugleich Gründungsmitglied der Asiatischen Investitionsbank für Infrastruktur und Beobachter bei der „17+1“-Initiative zwischen China und den 17 ost- und südosteuropäischen Ländern. 2018 haben beide Seiten ein Kooperationsabkommen zum gemeinsamen Aufbau der BRI unterzeichnet. 2019 unterzeichneten China und Österreich die „Absichtserklärung zur Drittmarktkooperation“. Derzeit sind rund 1000 österreichische Unternehmen und ca. 40 chinesische Unternehmen im jeweils anderen Staat vertreten. Die chinesische Bank ICBC hat eine Niederlassung in Wien gegründet und wickelt Ihr Geschäft für Zentral- und Osteuropa ab.

Air China und AUA haben ihre Direktflüge zwischen beiden Ländern wieder aufgenommen. Die chinesische Seite hat Fast-Tracks zur Visumbeantragung für die in China arbeitenden ÖsterreicherInnen eröffnet. Die ÖBB führt heuer ca. 900 China-Europa-Güterzugverbindungen durch, darunter auch Güterzüge von Wien nach Xi’an sowie von Linz nach Qingdao. Zu erwähnen ist auch der Austausch zwischen der Traditionellen Chinesischen Medizin und der Schulmedizin in Europa über Pandemiebekämpfung im Sinne des gemeinsamen Aufbaus der Gesundheits-Seidenstraße. Durch die obengenannten Kooperationen wird die BRI-Zusammenarbeit zwischen China und Österreich bereichert und intensiviert.

Was sind Chinas Herausforderungen und Maßnahmen hinsichtlich des Corona-Virus-Ausbruchs und welchen Einfluss hat dieser auf die internationalen Beziehungen?

Nach dem Corona-Ausbruch hat China die landesweit umfassendsten, strengsten und gründlichsten Präventions- und Kontrollmaßnahmen ergriffen und wichtige strategische Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie erzielt. Nun haben sich die Wirtschaft sowie das gesellschaftliche Leben in China weitgehend normalisiert. China gilt als die erste große Volkswirtschaft mit einem positiven Wachstum seit dem Corona-Ausbruch.  Derzeit breitet sich die Pandemie weiter auf der ganzen Welt aus. Der Kampf gegen importierte Fälle aus dem Ausland und neuen Ausbrüchen im Inland steht nach wie vor im Mittelpunkt der antiepidemischen Maßnahmen Chinas.

Die Corona-Pandemie hat die Veränderung und Entwicklung der internationalen Beziehungen und der Weltkonstellation beschleunigt, die Weltwirtschaft befindet sich in einer tiefen Rezession, nicht-traditionelle Sicherheitsbedrohungen sind immer schwerwiegender geworden und der Trend zum Protektionismus und Unilateralismus verstärkt sich. Die Global-Governance und der Multilateralismus sind dadurch beeinträchtigt. Die Pandemie macht uns aber auch klar, dass die gesamte Menschheit in demselben globalen Dorf lebt als eine Schicksalsgemeinschaft mit geteilter Zukunft. Die Corona-Pandemie wird nicht die letzte Krise sein, mit der die Menschheit konfrontiert sein könnte. Wir müssen bereit sein, uns zusammenzuschließen, um globalen Herausforderungen zu begegnen und zum Aufbau einer Welt, die durch dauerhaften Frieden, allgemeine Sicherheit, gemeinsame Prosperität, Offenheit sowie Toleranz, Sauberkeit und Schönheit geprägt ist, beizutragen.

China will bis zum Jahr 2060 klimaneutral sein. Wie kann dieses Ziel erreicht werden?

Bei der Generaldebatte der 75. UN-Vollversammlung heuer im September kündigte Staatspräsident Xi Jinping an, dass China einen Wendepunkt bei den CO2-Emissionen vor 2030 und Kohlenstoff-Neutralität vor 2060 erreichen soll. China wird mit voller Kraft daran arbeiten, die Umgestaltung bzw. Optimierung der Energiestruktur sowie Industriestruktur zu unterstützen, die kohlenstoffarme Entwicklung mittels Digitalisierung voranzutreiben, die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, mit Ressourcen möglichst schonend umzugehen, schrittweise auf alternative Energiequellen umzusteigen, ein nahezu emissionsfreies Energiesystem zu errichten und in Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Grasland, Feuchtgebiet sowie anderen Ökosystemen nach den auf Natur basierenden Lösungen zu suchen.

Fotos: SOCIETY/Pobaschnig