SOCIETY Magazin sprach mit S.E. Daniel Glunčić, Botschafter von Kroatien, über seinen Weg in die Diplomatie, Kroatiens EU-Ratspräsidentschaft und den Wert kultureller Identität sowie einer positiven Lebenseinstellung.
Sie sind seit 1. Jänner 2020 der neue Botschafter der Republik Kroatien in Österreich. Wie haben Sie Ihren Amtsbeginn mit der Covid-Krise gemeistert?
Als Botschafter habe ich die Möglichkeit und Aufgabe, mich für die KroatInnen in Österreich einzusetzen und gleichzeitig eine Brücke zwischen den beiden Nationen zu bauen. Das geschieht aber nicht von selbst: Man muss viel anschieben, Kontakte knüpfen und Veranstaltungen organisieren. Wegen der Covid-Krise war das nur begrenzt möglich, was uns sehr zu schaffen macht.
Persönlich halte ich trotzdem an einer positiven Einstellung zum Leben fest; es gibt für mich keine Probleme, sondern nur Herausforderungen, denen man sich stellen muss. In den Leitungsfunktionen, die ich in meiner bisherigen Karriere innegehabt habe, habe ich zudem gelernt, dass man selbst nur genauso stark ist wie die eigenen Mitarbeiter. Deshalb versuche ich, mein positives Mindset an mein Team weiterzugeben und alle zu motivieren. Viele sind durch Überarbeitung und Unsicherheit sehr ins Schleudern gekommen; als Chef bin ich immer bemüht darum, da ein offenes Ohr zu haben und auf meine Mitarbeiter zuzugehen.
Generell habe ich versucht, die Situation anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Man soll sich natürlich nichts schönreden, aber es ist wichtig, dass man in Zeiten wie diesen keine Angst hat.Auch die herzliche Unterstützung des BMEIA, die ich immer noch tagtäglich spüre, hat mir sehr bei der Krisenbewältigung geholfen.
Kroatien hatte 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne. Welche Ziele gab es für dieses Amt und ist es gelungen, sie trotz Krise umzusetzen?
Die Covid-Krise hat die Ratspräsidentschaft in vielerlei Hinsicht erschwert und zunächst auch einigermaßen in den Hintergrund gerückt. Während des ersten Lockdowns im März war für die Botschaft die Repartierung der kroatischen Staatsbürger aus den Quarantänegebieten Tirol und Vorarlberg von höchster Priorität. Die Reiseeinschränkungen und alle damit verbundenen Fragen und Probleme waren während der ganzen ersten Monate ein brennendes Thema, mit dem sich die ganze Botschaft befassen musste. Daneben mussten wir uns einer weiteren großen Herausforderung stellen, nämlich dem verheerenden Erdbeben in Zagreb am 22. März. Aufgrund dieser Naturgewalt ist das organisatorische und technische Fundament für viele Programmpunkte der EU-Ratspräsidentschaft wortwörtlich zusammengebrochen. Trotzdem haben wir es geschafft, Themen wie Migration oder die Frage nach der Zukunft Europas und des europäischen Finanzraums intensiv zu behandeln. Wir haben diesbezüglich einen Grundstein gelegt, auf den die deutschen Kolleginnen, die uns im Amt nachfolgen, aufbauen können.
Unsere Hauptaufgabe während der EU-Ratspräsidentschaft war es, Europa und der Welt zu zeigen, dass man auf Kroatien setzen kann. Das ist uns sicherlich gelungen. Wir sind ein, vergleichsweise kleiner Staat mit wenigen EinwohnerInnen, trotzdem aber zuverlässig, wenn es um entscheidende Themen geht. Europa steht nämlich genau dafür, dass man sich wie in einer großen Familie aufeinander verlassen kann, Probleme erkennt und dann gemeinsam angeht.
Welche sind die Leitmotive Ihrer Amtszeit als Botschafter? Werden Sie – wie Ihre Vorgängerin Vesna Cvjetković – auch stark auf den kulturellen Bereich setzen?
Auch für mich steht Kultur an erster Stelle, aber nicht an allererster. An allererste Stelle setze ich die Politik als Koordinierungs- und Schnittstelle für Kultur und Wirtschaft. Ich glaube, dass Kultur niemals alleine stehen kann und soll, sie ist vielmehr immer schon Trägerin für Politik und Wirtschaft.
Gleichzeitig ist Kultur stark verknüpft mit Sprache und demnach Bildungspolitik. Laut Statistik Austria leben in Österreich 83.596 kroatische StaatsbürgerInnen, über 20.000 Österreicherinnen mit kroatischen Wurzeln, und über 40.000 Angehörige der kroatischen Minderheit in Österreich, doch Kroatisch wird an Schulen nicht als eigenständige Sprache anerkannt und als separates Fach, sondern nur in Kombination mit Bosnisch und Serbisch unterrichtet (B/K/S). Die drei Sprachen und ihre kulturellen Hintergründe unterscheiden sich aber natürlich voneinander, weshalb wir uns dafür einsetzen, dass sie auch als eigenständig behandelt und bewahrt werden. Die Bundesministerien haben in dieser Hinsicht generell ein offenes Ohr, aber es fällt ihnen schwer, sich den neunen politisch gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten anzupassen, was sich im stark sinkenden Interesse für den muttersprachlichen Unterricht an österreichischen Schulen widerspiegelt. Mehr Sprachkompetenz ist aber immer ein persönlicher und gesellschaftlicher Mehrwert. Europa zeichnet sich durch eine Vielzahl an kulturellen Identitäten aus und gerade diese Varietät ermöglich es uns, ein größeres Ganzes aufzubauen.
Zu Ihnen persönlich: Was hat Sie zur Diplomatie geführt?
Ich war bereits als Kind von Politik fasziniert und habe im Fernsehen – damals noch in schwarz-weiß – Debatten verfolgt. Ich bin in Deutschland als klassisches Zuwandererkind aufgewachsen und konnte später dank der Unterstützung meiner Eltern in Bonn Theologie studieren. Praktisch habe ich aber immer Politik gemacht und mich parteipolitisch engagiert. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass Politik ein fortwährender Dialog ist, der konstant aufgebaut werden muss. Letztendlich habe ich die Möglichkeit bekommen, als local staff in der Kroatischen Botschaft zu arbeiten, von dort aus habe ich dann die Diplomatenlaufbahn eingeschlagen.
Mit Menschen zusammenzusitzen und zuzuhören hat mich schon immer erfüllt. Politik und Diplomatie sind Dienste an Menschen und gehen daher mit aktivem Zuhören, Empathie und Emotion Hand in Hand.
Foto: SOCIETY/Pobaschnig