Investitionen sind die beste Entwicklungspolitik

Stefan Liebing, Unternehmer und Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft e.V. in Berlin und Hamburg, schreibt in seinem Gastkommentar über das Potenzial Afrikas und plädiert für eine engere Zusammenarbeit mit unserem Nachbarkontinent.

Das Corona-Jahr 2020 war geprägt von einem Einbruch der weltweiten Wirtschaftsleistung. Gerade einmal 26 Staaten konnten ein Wachstum verzeichnen und 12 davon liegen in Afrika. Das zeigt, dass auf unserem Nachbarkontinent eine positive Entwicklung stattfindet, die oft übersehen wird. Bereits vor der Pandemie ist Afrika vor allem durch hohes Wirtschaftswachstum aufgefallen und es haben sich auch viele andere Indikatoren in die richtige Richtung entwickelt. Bildung, Gesundheitsversorgung, Korruptionsbekämpfung und Infrastruktur: Afrika ist anders, als es das Klischee erwarten lässt.

Auch der krisenbedingte Wirtschaftseinbruch des Bruttoinlandsprodukts lag im Durchschnitt in Afrika gerade einmal bei minus 1,8 Prozent. Ökonomen erwarten eine schnelle Erholung, sobald die Krise überstanden ist. Damit das geschieht, ist es jetzt wichtig, bei der Versorgung mit Impfstoff bilateral zu helfen. Idealerweise ergänzt um Unterstützung beim Aufbau einer eigenen Impfstoffwirtschaft.

Der Kontinent bietet zunehmend attraktive Absatzmärkte und eine wachsende Mittelschicht. Eine ganze Reihe von Ländern verfügt über gut ausgebildetes Personal bei vergleichsweise geringen Lohnkosten. Deshalb ist in Nordafrika ein deutlicher Ausbau der Automobilzulieferindustrie zu sehen, in Äthiopien entstehen viele Arbeitsplätze in der Textilwirtschaft, Kenia und Uganda sind in der Lebensmittel- und Rohstoffverarbeitung engagiert, andere Länder verfügen über eine starke Startup-Szene. Die Krise hat gezeigt, dass es für viele Unternehmen ratsam ist, ihre Lieferketten zu diversifizieren und Afrika bietet dafür alle Möglichkeiten.

Nicht zu unterschätzen ist zudem die Bedeutung von Wasserstoff als Treiber wirtschaftlichen Wachstums. Europa hat Bedarf an grüner Energie, wenn es seine ehrgeizigen Klimaziele erreichen will. Das wird sich nicht allein durch den Ausbau heimischer Erzeugung lösen lassen. Preiswerte grüne Energie in Afrika zu erzeugen und durch Umwandlung in Wasserstoff transportfähig zu machen, stellt eine realistische Option dar, die eine ganz neue Kategorie von Energieexportländern schaffen kann. Statt von Petrodollar könnten künftig afrikanische Länder von Hydrodollars profitieren. Der Aufbau einer solchen Wasserstoffindustrie bietet riesige Möglichkeiten.

Private Unternehmen und nicht Regierungen schaffen Arbeitsplätze. Die traditionelle Entwicklungszusammenarbeit wird kaum dabei helfen können, solch neue Strukturen aufzubauen, auch wenn diese viel nachhaltiger zur Entwicklung Afrikas beitragen würden. Damit private Unternehmungen diese Aufgabe erfolgreich erfüllen können, wird es notwendig sein, Entwicklungsgelder dafür einzusetzen, Investitionsrisiken für solche Projekte mit den Unternehmern zu teilen, die entwicklungspolitisch gewünscht sind, weil sie beispielsweise zum Klimaschutz beitragen können. 

Notwendig für die Realisierung sind innovative Finanzierungs- und Risikoabsicherungsinstrumente. Gleichzeitig sollte die Politik sich für einen Mechanismus einsetzen, der das CO2-Emissionshandelssystem ausweitet und eine Klimaschutzzone Afrika-Europa schafft.

Ein neuer Ansatz in Europa, der Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik gemeinsam denkt, könnte zu einem Wachstumsschub in Afrika führen und zu einer Stärkung der wirtschaftlichen Chancen für europäische Unternehmen. Es braucht nicht weniger, als ein neues Verständnis von Entwicklungspolitik. Afrika ist im Kommen und wir sollten dabei sein.

Foto: Stefan Liebing