Erhard Busek: Großer Europäer

Am 25. März 2022 hätte Erhard Busek seinen 81. Geburtstag gefeiert. Nun ist der ehemalige Vizekanzler und ÖVP-Chef unerwartet vergangenen Sonntag verstorben.

Es sind noch keine zwei Wochen vergangen, als uns Erhard Busek einen Gastbeitrag für die kommende SOCIETY-Ausgabe zugesendet hat. Dieser ist ein Plädoyer für eine intensivere Auseinandersetzung Europas mit dem Balkan – und für die Diplomatie. Wir haben uns entschieden, seinen Text posthum zu veröffentlichen, weil er einmal mehr Buseks lebenslangen Einsatz für ein vereintes Europa unterstreicht:  

Balkan – Weichteil Europas

Heute wissen wir, dass Ukraine und Russland eine Gefahr für die Zukunft Europas sind. Lange ist aber schon die Ungewissheit, wo der Kontinent beginnt oder aufhört, am Balkan zu Hause. 2003 hat der Europäische Rat beschlossen, die “Erbmasse” aus dem Zerfall vom Titos Jugoslawien und die Albaner aufzunehmen. Bis jetzt ist es nur Kroatien, welches es geschafft hat. Die übrigen Länder sind in den Fallstricken des Beitrittsverfahrens und in der Uneinigkeit der EU-Mitgliedsländer hängengeblieben. Die strategische Bedeutung dieses Zustandes wird durch den Ukrainekrieg noch deutlicher! Vom Bosporus her ist die weiche Flanke Europas, was durch die offensichtliche Liquidation der Ukraine noch gefährlicher geworden ist, noch mehr ins Bewusstsein gerückt. Die Reaktion ist klar: die NATO ist plötzlich ein Allheilmittel geworden – das war aber nicht ausgemacht. Die Visegrád-Staaten verhielten sich unterschiedlich, die Türken haben andere Prioritäten und die Spiele um Kosovo und Nordmazedonien trugen nicht zur Sicherheit der Region bei. Das alles ist inzwischen noch weniger relevant, aber umso gefährlicher. Die Karten werden neu gemischt und wieder ist die Frage nach den Grenzen Europas gestellt. Vielleicht besinnen sich die Akteure Europas, Stabilität für den Kontinent zu schaffen. Vielleicht trägt die jetzige Großkriese dazu bei, ein kleineres Problem im eigenen Interesse zu lösen. Diplomatie ist gefragt – nicht Krieg!

Dr. Erhard Busek

Ehemaliger Koordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa

Bis zu seinem Tod nahm Busek in Kommentaren, Diskussionen und Interviews zur Europapolitik Stellung. So nahm er etwa am 7. März noch als Redner an einer Podiumsdiskussion der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft (ÖAG) teil, im Zuge derer er angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine warnte: „Ein bissl aufwachen tät uns gut“. Wladimir Putins Krieg in der Ukraine habe die Dimension, ein Weltkrieg zu werden.

Vor gut zwei Wochen war er ebenfalls noch als Redner bei einer Gedenkveranstaltung für den polnischen Historiker, Publizisten, Außenminister und ehemaligen Botschafter in Österreich (1990 bis 1995) Prof. Władysław Bartoszewski in der polnischen Botschaft anwesend.

Die Botschaft verabschiedete sich von Busek mit einem Bild, das bei dieser Veranstaltung aufgenommen wurde, und mit den Worten:

„Mit großer Trauer haben wir die Nachricht vom Tod des ehemaligen Vizekanzlers Dr. Erhard Busek erhalten, der über Jahrzehnte freundliche polnisch-österreichische Beziehungen aufgebaut hat. Dr. Busek hat uns das letzte Mal am 23. Februar 2022 mit seiner Anwesenheit geehrt – an dem Abend, der der Erinnerung an Prof. W. Bartoszewski gewidmet war.

Herzliches Beileid an die Familie und die Lieben.“

Auch Botschafter Dr. Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie, erinnert sich in einigen persönlichen Zeilen an seinen Wegbegleiter Erhard Busek:

„Mit der Frage „Möchtest Du zusehen oder gestalten?“ hat Erhard Busek mich vor ziemlich genau vierzig Jahren aus meiner damaligen gemütlichen diplomatischen „Abstellkammer“ herausgeholt. Diplomatisch war er nie. Erhard Busek hat als einer der wenigen österreichischen Politiker Visionen und Intellekt nicht für die Beschreibung eines Krankheitsbildes, sondern für etwas Unverzichtbares gehalten. Österreich war für ihn ein Geisteskontinent, der nur gemeinsam mit den Nachbarn in Mitteleuropa zu verstehen und zu gestalten ist. Wir haben zusammen zwei Bücher über „Mitteleuropa“ geschrieben. Beide sind ein Plädoyer für mehr österreichisches Engagement in Europa. Ich verdanke ihm, dass dies auch mir zur Herzensangelegenheit wurde. Und es war dies die bei weitem beste Voraussetzung für meine heutige Aufgabe als Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien.“

Politische Laufbahn

Busek wurde am 25. März 1941 in Wien geboren. Sein Vater war Ingenieur und Baumeister, seine Mutter stammte aus einer Familie von Gewerbebetreibenden.

Busek studierte Rechtswissenschaft an der Universität Wien, seine politische Karriere begann 1964 im ÖVP-Klub, ab 1968 war er im ÖVP-Wirtschaftsbund tätig, 1975 und 1976 als ÖVP-Generalsekretär, von 1975 bis 1978 erstmals als Abgeordneter zum Nationalrat.

1976 wurde er zum Wiener Landesparteiobmann gewählt, von 1978 bis 1987 war er Vizebürgermeister. Zwei Jahre später wurde Busek Wissenschaftsminister – mit dem Universitätsorganisationsgesetz brachte er den Universitäten 1993 mehr Autonomie, auch die Errichtung von Fachhochschulen fiel in seine Amtszeit.

1991 wurde Busek zum neuen ÖVP-Parteichef gewählt und er übernahm das Vizekanzleramt in der Koalitionsregierung mit der SPÖ unter Bundeskanzler Franz Vranitzky. 1994 fand am 9. Oktober eine Nationalratswahl statt – Busek blieb Vizekanzler, wechselte aber ins Unterrichtsressort. Seit 1995 war er Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa.

21 Jahre lang – von 2000 bis 2021 – war Busek Präsident des Trägervereins des Europäischen Forums Alpbach, ab 2012 Ehrenpräsident. Von 2004 bis 2011 war er Rektor der Fachhochschule Salzburg, von 2008 bis 2018 Vorsitzender des Universitätsrates der Medizinischen Universität Wien. Von 2005 bis 2017 war er Präsident des Vienna Economic Forum – bis zu seinem Tod gehörte er dem Forum als Ehrenpräsident an. In einer Aussendung würdigt VEF-Generalsekretärin Elena Kirtcheva Busek:

„Mit Dr. Busek werden wir einen hochgeschätzten Wegbegleiter und einen richtigen Freund vermissen, der stets zu seinen Überzeugungen und Idealen gestanden ist und damit ein Vorbild für uns alle war.

Seine politische Hingabe und seine Liebe zu Österreich und Europa, aber auch sein unermüdlicher Einsatz für die Demokratie und den europäischen Weg der Länder aus der VEF Fokusregion, von der Adria bis zum Schwarzen Meer, würden unvergesslich bleiben.“

Mit Erhard Busek ist jedenfalls ein „großer Europäer“ von uns gegangen. Mögen uns sein Einsatz, sein Lebenswerk und sein politisches Vermächtnis noch lange als Vorbild und Orientierung dienen.

Foto: SOCIETY/Pobaschnig