„Die Waffen nieder!“

Der legendäre Spruch der beispielhaften Pazifistin Bertha von Suttner ist mehr als ein Jahrhundert später von ungeahnter Aktualität. SOCIETY Gastautorin Hermine Schreiberhuber beleuchtet das Leben und Schaffen der Friedensnobelpreisträgerin.

Angesichts des Angriffs auf die Ukraine erwacht in den Europäern das Kriegstrauma ihrer Vorfahren, wie es die Friedensnobelpreisträgerin von 1905 anhand einer Familiengeschichte im Jahre 1889 so treffend beschrieben hat.

Die 1843 in Prag geborene Aristokratin hatte ein abenteuerliches Leben. Ihre von der Familie nicht geduldete Ehe führte sie mit ihrem Mann Arthur von Wien nach Georgien. Während der Jahre im Kaukasus (1876-85) widmete sich das Paar dem Schreiben – Schriftstellerei, Übersetzen, Journalismus. Nach der Rückkehr und der Aussöhnung mit der Familie bezogen die Suttners das Schloss Harmannsdorf in Niederösterreich.

Dazwischen lag die Begegnung mit Alfred Nobel in Paris. 1876 war Bertha von Suttner in der französischen Hauptstadt kurz Privatsekretärin des legendären Friedensaktivisten. Diese Etappe prägte sie fürs Leben. Fortan widmete sich Bertha aktiv dem Kampf für Abrüstung und Frieden, in der militärisch und nationalistisch geprägten Zeit der Jahrhundertwende.

Bertha von Suttner war in Österreich Mitbegründerin der Gesellschaft der Friedensfreunde. Sie nahm an Friedenskonferenzen in Rom, Berlin, Antwerpen, Hamburg, Monaco teil. 1897 übergab sie Kaiser Franz Joseph eine Unterschriftenliste für ein internationales Schiedsgericht. 1899 beteiligte sie sich aktiv an der Vorbereitung der ersten Haager Friedenskonferenz. 1904 brachte sie ihre Expertise bei der Berliner Frauenkonferenz ein.

Vortragsreisen waren ein wichtiges Element ihrer Friedensaktivitäten. Zwei davon führten Bertha von Suttner in die USA. 1904 war sie sieben Monate lang erfolgreich quer durch die Vereinigten Staaten unterwegs. In Boston nahm sie an der Weltfriedenskonferenz teil. In Washington traf sie Präsident Theodore Roosevelt zu einem Gespräch. Bei der zweiten USA-Reise 1912 trat sie in rund 50 Städten auf.

1905 erfolgte die Krönung von Berthas Werk für den Frieden. Sie wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, den sie ein Jahr später in Oslo entgegennahm. Ihr großer Mentor Alfred Nobel, der 1901 starb, hatte ihr den Preis schon bei der ersten Verleihungsrunde Jahre zuvor zugedacht. In ihrer Rede anlässlich der Preisverleihung pochte Bertha von Suttner auf Schiedsgerichte, eine Friedensunion der Staaten gegen Kriege und ein Völkerrechtstribunal.

Für Herbst 1914 war eine Weltfriedenskonferenz in Wien geplant. Bertha von Suttners Warnungen vor der Gefahr internationaler Aufrüstung und neuer Kriegstechniken für die Friedensordnung blieben ungehört. Es kam anders. Am 21. Juni 1914 starb „das Gesicht“ der neu entstehenden Friedensbewegung an Krebs – fünf Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Bertha von Suttner ahnte die Tragödie. „Die Waffen nieder! Sagt es allen!“ soll sie auf dem Sterbebett gerufen haben.

Ihr Werk hat Bertha von Suttner überlebt. Die gebildete und weit gereiste Kosmopolitin glaubte an ein Weltbürgertum über den Nationalismus hinaus. Ihr berühmter Roman „Die Waffen nieder!“, der 1889 erschien, machte international Furore, wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Das Werk schildert das erschütternde Schicksal einer Familie, die durch den Krieg und seine Folgen geprägt ist. Leid, Tod, Hunger, Vertreibung.

Der wichtigste Antikriegsroman seiner Zeit war eine Kampfschrift gegen nationalistische und kriegshetzerische Ideologie. Er wurde im Juli 1914 verfilmt, am Vorabend des Weltkriegs. In den USA erlebte der brisante Film seine Uraufführung, die Zensur einiger kriegführender Staaten verbot ihn bis zum Kriegsende, bis zum Waffenstillstand im November 1918.

Bertha von Suttners Ruf „Die Waffen nieder!“ ist dennoch nicht verhallt. Der Krieg in der Ukraine hat die Zivilgesellschaft wachgerüttelt. Unter dem Motto „Die Waffen nieder!“ riefen im März Dutzende Organisationen in Österreich zu Kundgebungen auf, um vor der neuen Rüstungsspirale und der Gefahr für das Klima durch militärische Einsätze zu warnen. Der Friedensspruch sagt mehr als tausend Worte.

Text: Hermine Schreiberhuber

Fotocredit: Carl PietznerBertha Freiin von Suttner, die Vorkämpferin der Friedensbewegung. In: Wiener Bilder, 8 (1903), Nr. 24 (10. Juni 1903), p. 5

Buchtipp zu Bertha von Suttner:

Filmtipp: „Eine Liebe für den Frieden“, Monafilm

(c) Filmfoto: Oliver Roth/Monafilm