Auf den Spuren des Alten Ägypten

Wissenschaftlerin und Direktorin Regina Hölzl gibt im SOCIETY-Interview spannende Einblicke in die weltweit herausragende Ägyptisch-Orientalische Sammlung des Kunsthistorischen Museums Wien.

Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung des Kunsthistorischen Museums ist eine der wichtigsten ihrer Art weltweit. Was macht sie so besonders? Was sind die Highlights der Ausstellung?

Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Sammlung ist die historische Ausstattung der Schauräume aus dem späten 19. Jahrhundert: die bemalten Wandtapeten in einigen Sälen sind Kopien der Wanddekoration eines Grabes des Mittleren Reiches. Sie wurden ursprünglich für die Wiener Weltausstellung von 1873 angefertigt, wo dieses Grab nachgebaut und ausgestellt war. Später verwendete man die Wandtapeten zur Ausgestaltung der ägyptischen Schauräume. Von Mai-August 2021 wurden die historischen Tapeten umfassend restauriert.

In der Sammlung befinden sich darüber hinaus auch drei originale Papyrusbündelsäulen –  es handelt sich um die einzigen altägyptischen tragenden Säulen außerhalb Ägyptens. Sie waren ein Geschenk an Kaiser Franz Josef und wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts per Schiff und Bahn von Ägypten nach Wien transportiert.

Besondere Schwerpunkte unserer Sammlung sind Skulptur und Relief vom Alten Reich bis in die Ptolemäerzeit – hier insbesondere die Bildnisse von diversen Pharaonen (z.B. eine Büste von Thutmosis III. aus dem Neuen Reich) und hohen Beamten (wie z.B. die Statue des Sebekemsaf aus dem späten Mittleren Reich) sowie Reliefs aus Gräbern und Tempeln. Ein Hauptwerk der Sammlung ist der sogenannte Ersatzkopf aus der Zeit des Alten Reiches, der in einem Grab in Giza gefunden wurde.

Ein weiteres Highlight ist die Kultkammer des Kaninisut: sie war Teil eines sogenannten Mastabagrabes aus dem Alten Reich und befand sich im ausgedehnten Friedhofsgelände rund um die großen Pyramiden in Giza. Dort – in unmittelbarer Umgebung der königlichen Pyramiden – ließen sich die Beamten ihre Gräber errichten. Die österreichische Akademie der Wissenschaften hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts Ausgrabungen im Friedhofsgelände von Giza durchgeführt und im Rahmen der offiziellen Fundteilung eine große Anzahl an Objekten erhalten. Diese wurden dem Kunsthistorischen Museum von der Akademie der Wissenschaften übergeben. Die Kultkammer des Kaninisut wurde dann noch zusätzlich für das Museum angekauft.

Wir haben aber auch eine große Anzahl an Objekten, die mit dem ägyptischen Totenkult in Verbindung stehen. Dazu zählen Särge, Sarkophage, Uschebtis und diverse andere Grabausstattungsgegenstände. Darüber hinaus gibt es auch einige Objekte aus Mesopotamien sowie eine bedeutende Sammlung von Objekten aus dem antiken Südarabien (heutiger Jemen), die dem Forscher und Reisenden Eduard Glaser zu verdanken sind und am Ende des 19. Jahrhunderts in unsere Sammlung gelangten.

Welche Bedeutung hat diese Sammlung auch für die Forschung? Gibt es hier Kooperationen mit anderen Museen bzw. Institutionen? Wie steht das Museum im Austausch mit ägyptischen Institutionen?

Durch die große Fülle an Grabungsmaterial aus den Grabungen der Akademie der Wissenschaften am Anfang des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Orten in Ägypten und Nubien (Turah, Kubanieh, Toschke, Ermenne, Giza) besteht großes wissenschaftliches Interesse an der Erforschung dieses Materials. Daher gibt es zahlreiche Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen oder einzelnen Wissenschaften, die unterschiedliche Sammlungsbereiche und Objektgruppen betreffen und sich unterschiedlichen Fragestellungen widmen.

Abgesehen von diesen Forschungskooperationen widmen wir uns auch eigenen Projekten und es ist uns ein Anliegen, unsere Forschungsergebnisse der Allgemeinheit zu präsentieren. Daher haben wir in den vergangenen Jahren mehrere Ausstellungen organisiert, in denen wir die Ergebnisse unserer Forschungen präsentiert haben, zum Beispiel „Im Schatten der Pyramiden“ (KHM 2013) – über die österreichischen Grabungen in Giza, „Ein Ägyptisches Puzzle“ (KHM 2015) – über ein Restaurierungsprojekt und eine wissenschaftliche Kooperation mit der Akademie der bildenden Künste in Wien oder „Der vergessene Papyrus“ (KHM 2018) – über einen Zufallsfund in unserer Sammlung und seine außergewöhnliche Bedeutung.

Derzeit erforschen wir die Geschichte unserer bereits erwähnten historischen Wandtapeten, das Ergebnis soll 2023 anlässlich eines Symposiums zum 150-Jahr-Jubiläum der Wiener Weltausstellung von 1873 präsentiert werden.

Mit der ägyptischen Botschaft und dem ägyptischen Kulturinstitut in Wien stehen wir in sehr gutem Kontakt und sind gerade dabei, gemeinsame Projekte und Kooperationen zu planen und umzusetzen.

Sobald ich mich näher mit einem Thema oder einem Objekt/einer Objektgruppe beschäftige, beginnt es mich zu faszinieren und je mehr ich darüber in Erfahrung bringen kann und je mehr ich darüber recherchiere, umso spannender wird es.

Woher stammen all die Objekte, wie kamen sie in Besitz des KHMs und wie kann man diese zeitgemäß präsentieren? Wie verläuft hier aktuell der Diskurs?

Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung ist aus den kaiserlichen Sammlungen hervorgegangen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erfolgten die Sammlungszuwächse aufgrund von Schenkungen und Ankäufen – ab dem frühen 20. Jahrhundert kamen auch viele Objekte aufgrund der damals gültigen offiziellen Fundteilung in die Sammlung.

Seit einiger Zeit ist es nicht mehr vordringliches Ziel, weitere Objekte für unsere Sammlung zu erwerben, sondern die bestehende Sammlung zu beforschen und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Community und auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – zum Beispiel durch die vorhin beschriebenen Sonderausstellungen.  

Laufend wird auch die Präsentation der Objekte in den Schauräumen überprüft und optimiert bzw. die Beschriftungen erneuert. Dabei sollen auch verstärkt die digitalen Möglichkeiten genutzt werden.

Gibt es ein Objekt, das Sie persönlich besonders fasziniert?

Meine Arbeit als Wissenschaftlerin und als Direktorin der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung ist sehr vielseitig. Ich beschäftige mich mit vielen verschiedenen Aspekten der Sammlung und auch immer wieder mit unterschiedlichen Objektgruppen und Themen. Eines konnte ich im Laufe der Jahre auf jeden Fall beobachten: Sobald ich mich näher mit einem Thema oder einem Objekt/einer Objektgruppe beschäftige, beginnt es mich zu faszinieren und je mehr ich darüber in Erfahrung bringen kann und je mehr ich darüber recherchiere, umso spannender wird es. Insbesondere wenn es gelingt hinter den Objekten die Menschen, die sie geschaffen und genutzt haben, zu erkennen und ihren Beweggründen etc. nachzuspüren.

Fotos: KHM Museumsverband/Regina Hölzl