Selten waren die Beziehungen zwischen Österreich und seinem Nachbarn Tschechien so gut wie heute. SOCIETY sprach mit I.E. Botschafterin Ivana Červenková über ihre Pläne, diese weiter auszubauen.
Sie sind seit Anfang 2018 diplomatische Vertreterin Tschechiens in Österreich. Wie sehen Ihre konkreten Pläne und Ziele für diese Amtsperiode aus?
Ich bin zu einer Zeit nach Österreich gekommen, wo die Beziehungen zwischen Tschechien und Österreich auf einem historischen Hoch sind. Dies war nicht immer so, und ich freue mich daher, dass der Austausch und die Zusammenarbeit unserer beiden Länder wieder sehr gut funktioniert. Mein großes Vorhaben als Botschafterin ist zu noch mehr gemeinsamen Verständnis und dem gelebten Austausch beizutragen. Nicht nur auf der politischen Ebene, wo viel bereits ausgezeichnet läuft, sondern auch in den Regionen und bei den Menschen. Ich werde mich daher in den nächsten Jahren sehr intensiv dem Austausch in den tschechischen und österreichischen Grenzregionen widmen. Ein weiteres wichtiges Thema und mein persönliches Anliegen ist der Ausbau von grenzüberschreitenden Verkehrsverbindungen. Es gibt ja bereits eine recht gut ausgebaute Eisenbahninfrastruktur, aber vor allem beim Bau der Autobahnen Brünn-Wien und Linz-Budweis geht es mir noch ein wenig zu langsam voran.
In den vergangenen Jahren wurde immer wieder von einer „Intensivierung“ der Beziehungen zwischen Tschechien und Österreich gesprochen. Sie waren ja bereits zwischen 2010 und 2014 an der tschechischen Botschaft in Österreich tätig – inwiefern haben sich die Beziehungen seither tatsächlich verändert?
Sie haben sich verändert, das stimmt. Seit einigen Jahren sprechen wir ja von einer „Renaissance der tschechisch-österreichischen Beziehungen“. Österreich ist einer der wichtigsten Partner Tschechiens, nicht nur im Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen, sondern auch politisch. Ich bin da sehr froh, dass der Austausch auf allen Ebenen – von der Regierungsebene abwärts – wirklich hochintensiv ist. Ich merke auch, dass sich die österreichische Sicht auf Tschechien etwas verändert hat. Ich höre oft, wir seien ein europäischer Musterschüler in vielen Bereichen: Tatsächlich hat unser Land die niedrigste Arbeitslosenquote in der gesamten Europäischen Union, unsere Wirtschaft boomt. Hierzu kommt, dass wir laut Statistiken das sechstsicherste Land dieser Erde sind. Ich bin sehr froh, dass diese Tatsachen im Vergleich zu früher auch in Österreich verstärkt wahrgenommen werden.
Tschechien und Österreich haben ja eine sehr enge gemeinsame Geschichte, die auf die Habsburger Monarchie zurückgeht. Inwiefern spielt diese „Gemeinsamkeit“ heute noch eine Rolle – auch für Ihr Wirken als Botschafterin?
Die Gemeinsamkeit, unsere gemeinsame Mentalität, öffnet natürlich in Österreich einige Türen. Unsere miteinander verflochtene Geschichte hat uns stark geprägt und hilft uns heutzutage, uns nicht nur gegenseitig besser zu verstehen, sondern auch – auch und vor allem in Europa – viele gemeinsame Standpunkte zu finden und sie zu vertreten.
Die Republik Tschechien hat seit Jahren eine der niedrigsten Arbeitslosenraten imgesamten EU-Raum, 2018 überhaupt die niedrigste. Was macht Tschechien richtig?
Lassen Sie mich eines sagen und das bezieht sich nicht nur auf die Wirtschaft: Wir geben einfach unser Bestes. Unser Premierminister sagt immer, dass wir uns an dem Modell der Masarykschen Tschechoslowakischen ersten Republik orientieren müssen. Nach so vielen Jahren unter der kommunistischen Unterdrückung sind wir ein funktionierender demokratischer Rechtsstaat westlicher Prägung und ein aktives Mitglied in der Europäischen Union. Nur, wenn wir uns dieses Ziel als Grundlage vor Augen halten, können wir erfolgreich bleiben.
Bei diplomatische Posten gibt es immer noch ein relativ großes Ungleichgewicht in der Geschlechterverteilung, 2015 waren nur etwa 19 Prozent Frauen in führenden Positionen in der Diplomatie. Warum ist das so und was könnte getan werden, um Frauen in diesem Bereich besser zu fördern?
In unserem Außenministerium würde ich den Anteil als im Großen und Ganzen ausgeglichen beurteilen. Im Außendienst ist das tatsächlich so, dass der Anteil der Diplomatinnen wirklich noch geringer ist als jener der Diplomaten. Das hat oft mit eingelebten Rollen zu tun, aber auch damit, dass es sich um einen sehr fordernden Beruf handelt, der es nicht immer einfach macht, ein vollwertiges Familienleben zu führen. Ich glaube, da müssen wir Möglichkeiten schaffen, dass sich Mütter nicht zwingend zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen.
Was machen Frauen in der Diplomatie anders als Ihre männlichen Kollegen?
Ich möchte hier nicht generalisieren.Vielleicht sind doch einige Klischees aber wahr. Ich glaube, dass die meisten Frauen emotionaler sind, was sie auch empathischer macht. In der Diplomatie ist es oft wichtig, die Leute auch zwischenmenschlich für sich zu gewinnen und da sind Frauen ab und zu vielleicht auch ein bisschen geschickter als ihre männlichen Kollegen. Es ist sicher auch dadurch verursacht, dass ihnen nicht so oft ihr eigenes Ego im Wege steht.
Wie schaffen Sie persönlich es, Ihre Familie mit Ihrem Beruf zu vereinen?
Es war nicht immer einfach. Als meine Kinder klein waren, war vor allem die stetige Rotation auf Posten in verschiedenen Ländern eine Herausforderung. Mir war damals wichtig, dass sie zumindest immer im selben Kulturkreis bleiben und die Sprache, die sie neben dem Tschechischen als Erstsprache gelernt haben, auch weiterhin entwickeln können. Daher habe ich immer Posten in deutschsprachigen Ländern gewählt: Zuerst Deutschland, später Schweiz, und nun bereits zum zweiten Mal Wien. Wobei jetzt sind sie schon groß, leben in Tschechien und Deutschland und sind sehr erfolgreich in ihren Berufen. Am Ende kann ich daher sagen, mein Beruf hat auch der Familie etwas gebracht und welche Herausforderungen auch immer zu meistern waren, es ist ein wunderschöner Beruf und ich würde ihn niemals eintauschen.
Foto: SOCIETY/Pobaschnig