Im Interview mit dem SOCIETY-Magazin sprach der türkische Botschafter, S.E. Ozan Ceyhun, über die aktuelle Corona-Krise und die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei.
Sie sind seit Ende Februar dieses Jahres Botschafter in Österreich, wie haben Sie diese kurze Zeit mit ihren zahlreichen Herausforderungen erlebt?
Seit dem 23. Februar bin ich in Wien. Am 25. Februar habe ich dem Bundespräsidenten Van der Bellen mein Beglaubigungsschreiben überreicht. Noch im selben Monat kam die Diskussion über die Flüchtlingskrise wieder auf. Anschließend waren wir alle mit der Corona-Krise beschäftigt.
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich neu hier bin, es fühlt sich an, als wäre ich schon seit ewigen Zeiten hier. Seit meiner Ankunft hatte ich sehr intensive Kontakte mit dem Außenministerium, Außenminister Herrn Schallenberg, Gesundheitsminister Herrn Anschober und dem Wiener Bürgermeister Herrn Ludwig. Momentan gibt es einen dauerhaften und engen Austausch, auch mit dem österreichischen Botschafter in Ankara. Ich kann Ihnen sagen, wir haben genug zu tun.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die Türkei und die Beziehungen zu Österreich aus?
In der Türkei wird derzeit viel unternommen, damit positiv getestete Menschen behandelt und nach der Quarantäne wieder gesund werden. Täglich werden in der Türkei und in Österreich neue Erkenntnisse gewonnen. Wir haben auch von China gelernt und strengere Maßnahmen ergriffen, die wirksam sind. Man hat auch aus der Situation in Italien, Spanien, den USA oder Großbritannien Lehren gezogen. Deshalb war der Umgang mit der Epidemie in Österreich und in der Türkei richtig. Es wird dafür gesorgt, dass möglichst wenige Menschen gleichzeitig sich infizieren und das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Was ich in Österreich beobachte, ist ein professioneller Umgang mit der Krise. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten ist Österreich sehr erfolgreich in der Bekämpfung der Krankheit. Die Regierung und die Bundesländer machen ihre Aufgabe gut.
Es gibt auch eine gute Zusammenarbeit zwischen Österreich und der Türkei. Ich sehe in der aktuellen Corona-Krise eine große Chance für Kooperation. Ein Beispiel dafür ist die Ausfuhrgenehmigung für medizinische Schutzausrüstungen, die unser Staatspräsident für Österreich erlassen hat. In Zeiten der Ausfuhrverbote wurde diese Entscheidung von der türkischen Regierung für Österreich getroffen. Dies ist auch eine symbolische Geste und ein Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen. Derzeit sind wir mit der Anschaffung der Materialen beschäftigt, die dann sofort nach Österreich geflogen werden.
Was sind Ihre Pläne für die Zeit als Botschafter in Österreich?
Ich habe vor, mich um die türkischen Staatsbürger und Menschen mit türkischer Herkunft in Österreich zu kümmern. Ich will die erste Generation von Einwanderern aus der Türkei in die Botschaft einladen und mich bei ihnen für ihre Leistungen und Arbeit bedanken. Sie haben den Grundstein dafür gelegt, dass ihre Enkelkinder heute in Österreich erfolgreich und zufrieden leben können.
Weiters möchte ich in engem Kontakt mit österreichischen Medien stehen. Einige Termine konnte ich bereits wahrnehmen und hatte auch ein paar Fernsehauftritte. Die erste Grundlage für einen guten Dialog mit den Medien wurde geschaffen.
Ich werde zudem andere Botschaften besuchen, mich mit Ministern und Bürgermeistern treffen. Neben Wien haben wir auch in Salzburg und Bregenz Generalkonsulate. Ich will diese Städte besuchen und mich mit den Landeshauptmännern dort treffen.
Wie viele türkische Staatsbürger leben derzeit in Österreich?
Es leben zwischen 120.000 und 140.000 türkische Staatsangehörige in Österreich. Es gibt circa 300.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund, teilweise auch mit österreichischer Staatsbürgerschaft.
Vor ein paar Jahren gab es noch Spannungen in den Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei, auch die Position des türkischen Botschafters war einige Zeit lang unbesetzt. Wie gehen Sie damit um?
Mein Vorgänger hat sich damals entschieden seinen Posten aufzugeben, um sich politisch in der Türkei zu engagieren, deswegen war die Position zwei Monate lang nicht besetzt. Was die Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei betrifft so stimmt es, dass es lange Zeit Schwierigkeiten gab, aber ich bin diesbezüglich sehr optimistisch. Österreich und die Türkei haben eine gute wirtschaftliche Beziehung. Auf der sozialen Ebene kann noch viel mehr gemacht werden, dies ist auch eines meiner Ziele als Botschafter. Die Haltung von Österreich in der Frage des EU-Beitritts der Türkei ist bekannt. Ich gehe davon aus, dass nach der Corona-Krise nicht nur über das Türkei-Thema, sondern auch über die Zukunft der EU viel zu reden geben wird und dass wahrscheinlich in diesem Zusammenhang Österreich für manche EU-Angelegenheiten einen ganz anderen Blickwinkel bekommen könnte.
Mein Ziel ist es, insbesondere unsere wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Beziehungen noch weiter aufzubauen. Unsere hervorragenden Wirtschaftsbeziehungen können noch intensiviert werden, im kulturellen Bereich gibt es noch sehr viele Möglichkeiten. Es war vorgesehen, dass Herr Bundespräsident Van der Bellen im Rahmen eines Staatsbesuchs wahrscheinlich nächstes Jahr in die Türkei reist. Hoffentlich kann der Besuch realisiert werden. Wenn er stattfindet, wird er eine große Signalwirkung haben und sich positiv auf unsere Beziehungen auswirken.
Welchen Bezug haben Sie zu Österreich?
Ich habe das österreichische Gymnasium St. Georg in Istanbul besucht. Österreich ist mir gut bekannt, ich habe viele österreichische Freundinnen und Freunde. Auch im Europäischen Parlament habe ich viele Österreicher kennengelernt, ich habe noch immer Kontakte zu ihnen. Ich habe die Entwicklungen in Österreich schon immer mit Neugier und Interesse verfolgt. Als ich hier her kam, war mir das Land nicht fremd.
Wie sind die Kontakte zu anderen Botschaften und deren Vertretern?
Aufgrund der aktuellen Lage hatte ich keine Gelegenheit meine Kollegen in Wien zu besuchen. Aber ich werde das nachholen sobald sich die Gelegenheit dafür ergibt.
Die Türkei hat fast überall auf der Welt enge diplomatische Kontakte. Sie ist in fast allen Ländern vertreten und ich habe viele Kollegen in anderen Nachbarstaaten. Mit denen gibt es auch gute Kontakte, wie zum Beispiel mit den Botschaftern in Berlin, Prag, Belgrad und der Schweiz.
Gibt es noch etwas, was Sie unseren Lesern mitteilen möchten?
Ich musste mit elf Jahren die Entscheidung treffen, auf welche Privatschule ich gehe und welche Sprache ich dort lerne. Viele Gleichaltrige haben sich an allen fremdsprachigen Schulen beworben, ich aber habe mich entschieden, nur die Aufnahmetests für deutsche und österreichische Schulen zu absolvieren. Ich wurde auf dem österreichischen Gymnasium St. Georg aufgenommen, das hat mir sehr geholfen. Ich habe dort Deutsch gelernt, Österreich und Europa kennengelernt. Ich bin also sehr glücklich in Österreich zu sein und ich werde mich als noch glücklicher schätzen, falls ich als Botschafter einen wichtigen Beitrag zu den türkisch-österreichischen Beziehungen leisten kann.
Foto: SOCIETY/Pobaschnig