Corona im Überblick: Univ.-Prof. Dr. Michael Zimpfer, M.B.A. im Gespräch

Im SOCIETY Interview spricht Universitätsprofessor Dr. Michael Zimpfer, M.B.A. über die österreichische Gesundheitsversorung, die hiesige Impfstrategie, wie man sich am Zentrum für Medizin und Gesundheit gegen Corona wappnet und wie man mit zukünftigen Viruserkrankungen besser umgehen kann.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Gesundheitsversorgung in Österreich ein? Wird sie dem Druck von Corona standhalten können?

Grundsätzlich sind wir in Österreich ausgezeichnet ausgestattet! Allerdings – und obwohl seit längerem absehbar – wurde bisher keine ausreichende kapazitative Aufrüstung vorgenommen, dabei wäre das mit vielen Monaten Vorlaufzeit ein Leichtes gewesen. Fest steht jedenfalls, dass es künftig auch im Fall einer Pandemie nicht mehr vorkommen darf, dass elektive Eingriffe schwer kranker Patienten nicht durchgeführt werden können und es so zu nennenswerten Engpässen oder Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung kommt. Nachrüsten muss man also auf jeden Fall, sowohl apparativ als auch personell und das ist natürlich nur mit einem Sonderbudget möglich. Meines Erachtens ist diesbezüglich viel zu wenig unternommen worden, bzw. muss man da wirklich entschlossen Initiative ergreifen – insbesondere auch politisch.

Wie hat Corona die Arbeit am Zentrum für Medizin und Gesundheit beeinflusst? Gibt es irgendwelche Einschränkungen bzw. Zusatzangebote hinsichtlich Corona?

Wir haben unsere Sicherheitsmaßnahmen bereits am Beginn der Pandemie massiv gesteigert, räumlich erweitert um Abstände einzuhalten, weiters zusätzliche Zertifizierungen im Bereich der Hygiene vorgenommen, um die Versorgung unserer Patienten im vollen Umfang sicherzustellen. Auch zählten wir österreichweit zu den ersten Ordinationen, die eine Verfügbarkeit von PCR-Tests anbieten konnte und Testungen privat durchführte. Darüber hinaus verfügen wir über die best mögliche Infrastruktur, einschließlich Beatmung und Wiederbelebung, um theoretisch vorkommende schwerste Impfkomplikationen zu beherrschen. Aktuell engagieren wir uns, möglichst rasch mehr Impfstoff zu beschaffen, als derzeit zur Verfügung steht. Es ist uns sogar gelungen, dass tausend Einheiten des Impfstoffs “Sputnik V“ für uns bereit gelegt wurden, allerdings und obwohl eigentlich alle Rahmenbedingungen erfüllt wären, warten wir noch auf eine Import- und Verimpfungsgenehmigung. Wir werden in dieser Sache, auch wegen der Dringlichkeit, aber bestimmt nicht aufgeben. Denn dieses Impfdefizit erstreckt sich über nahezu alle Bereiche und betrifft viele Diplomaten mit ihren Familien, die Diplomatische Akademie und natürlich viele beunruhigte Menschen unseres Landes. 

Wie können bzw. müssen wir Ihrer Meinung nach in der Zukunft mit Corona bzw. mit neuartigen Viruserkrankungen umgehen?

Österreich braucht unbedingt eine eigenständige industrielle Entwicklung und eine entsprechend große Infrastruktur zur Impfstoffproduktion. Es steht fest, dass bei einer mutierenden “Viruslandschaft“ die Impfungen gegen SARS CoV-2 ständig wiederholt werden müssen. Auf die EU möchte ich mich diesbezüglich nicht verlassen. Wichtig ist auf jeden Fall – ich wiederhole mich in diesem Punkt ganz bewusst –, dass es wegen einer Pandemie keinesfalls zu Einschränkungen bei der normalen Gesundheitsversorgung kommen darf. Mag sein, dass die Kosten der notwendigen Nachrüstung keine Begeisterung auslösen, trotzdem führt kein Weg daran vorbei, sowohl Strukturen als auch Personalqualität den Erfordernissen solcher Szenarien anzupassen. Die Kosten weiterer “lock downs“ sind jedenfalls wesentlich höher.

„Wichtig ist, […] dass es wegen einer Pandemie keinesfalls zu Einschränkungen bei der normalen Gesundheitsversorgung kommen darf.“

Impfungen und Impfstoffe sind ein vielfach diskutiertes Thema – wie schätzen Sie die Qualität der bis dato in der EU zugelassenen Impfstoffe ein und wie bewerten Sie die österreichische Impfstrategie? Sollte Sputnik Ihrer Meinung nach zugelassen werden? 

Die österreichische Impfstrategie ist im Moment deshalb nicht befriedigend, weil wir immer noch viel zu weit von einer Herdenimmunität entfernt sind. Eben weil die Impfungen zögerlich angelaufen sind und auch jetzt viel zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht. Was die Qualität der Impfstoffe betrifft, kam es bekanntlich international und bedauerlicher Weise auch in Österreich durch AstraZenica zu einigen Todesfällen. Das bedeutet natürlich ein erhöhtes Risiko und Belastung. Unabhängig davon ist AstraZenica ein gut wirksamer Impfstoff, allerdings besteht in der neuen Spitzenmedizin keine Toleranz was tödliche Zwischenfälle betrifft.

Ich bin jedenfalls – nicht nur wegen der trägen Lieferungen anderer Hersteller – ein Verfechter des Imports von Sputnik V, den u.a. auch die ausgezeichneten Infektionsspezialisten Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer und Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch als sehr guten Impfstoff bewertet haben. Dazu muss man wissen, dass Sputnik V bereits über 1,5 Millionen Patienten verabreicht wurde, auch im EU-Binnenland und einigen Anwärterstaaten, ohne dass massive Komplikationen bekannt wurden. Hätte es welche, insbesondere in unseren Nachbarstaaten gegeben, dann wüsste ich davon. Ungeachtet dessen sind aber natürlich auch die Produkte von Biontech/Pfizer, Moderna und mittlerweile Johnson & Johnson sehr gute Impfstoffe.

Wie können Sie die jetzige Situation zusammenfassend beschreiben?

Hier komme ich nicht um ein Zitat des israelischen Historikers Yuval Noah Harari, der sich erst kürzlich in der Financial Times mit dem Thema befasste, herum: “Großartige wissenschaftliche Entwicklungen als Antwort auf die Pandemie, peinliches Politversagen auf allen Ebenen“.

Foto: Zentrum für Medizin und Gesundheit

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