Außenwirtschaftspolitik ist mehr als Zölle und Handelsabkommen!

Diplomatic SOCIETY Gastautor Stefan Liebing über die Herausforderungen in der Außenwirtschaft.

Europa hat es jahrelang vernachlässigt, sich in der Außenwirtschaftspolitik krisenfest aufzustellen. Begründet wird das häufig damit, dass die Zuständigkeit für Handelspolitik und Zollfragen bei der EU liege und deshalb die Regierungen der Mitgliedsstaaten nicht viel tun könnten. Das gilt jedoch nicht für die genau so relevanten, jedoch oft vernachlässigten Themengebiete Außenwirtschaftsförderung und -finanzierung. Beide liegen in der Verantwortung der Regierungen auf nationaler Ebene.

Die Herausforderungen für die österreichische Wirtschaft sind vielfältig: Da ist zunächst die aggressive Handelspolitik des amerikanischen Präsidenten. Die Europäische Kommission als zuständiger Akteur hat schnell und recht zielführend auf die Drohungen des amerikanischen Präsidenten reagiert, indem sie Verhandlungen gesucht hat. Die zweite Herausforderung: China droht, bedingt durch hohe Zölle der USA, die Weltmärkte verstärkt mit ihren Produkten zu beliefern. Das hat Preissenkungen zur Folge und wird Produzenten in anderen Ländern unter verschärften Wettbewerbsdruck setzen. China nutzt die aktuelle Lage klug, um selbst Vertrauen bei seinen Handelspartnern aufzubauen. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Land einen bemerkenswerten Schritt zu mehr Freihandel getan und Einfuhrzölle für afrikanische Produkte kürzlich vollständig aufgehoben. Und schließlich muss sich die österreichische Wirtschaft auf den zu erwartenden Strukturwandel der Weltwirtschaft einstellen. Im Jahr 2022 hat Goldman Sachs eine Studie vorgelegt, wonach Nigeria und Ägypten in 50 Jahren unter den zehn wirtschaftsstärksten Nationen der Welt sein könnten, ebenso Indonesien, Pakistan und Brasilien. Nun sind solch langfristige Vorhersagen mit Vorsicht zu genießen. Sie sollten uns jedoch daran erinnern, dass nicht nur die aktuellen Diskussionen um Zölle, politische Instabilität oder gar Kriege die Prioritäten der Exportwirtschaft verändern können, sondern auch die intrinsische Entwicklung von Partnerländern.

Eine erfolgversprechende Außenwirtschaftspolitik hat drei Hebel: Handelspolitik, Außenwirtschaftsförderung und die Außenwirtschaftsfinanzierung. Die multiplen Herausforderungen erfordern gleichzeitiges und koordiniertes Handeln auf allen drei Feldern: Die europäische Ebene ist zuständig für die Abwehr der amerikanischen Aggression und des chinesischen Dumping-Risikos sowie für Handelsabkommen zu anderen Regionen wie Lateinamerika oder dem asiatisch-pazifischen Raum. Die nationalen Regierungen dagegen müssen sich um die langfristige Pflege zukünftiger Märkte kümmern, und zwar zugleich für Exportgüter, Auslandsinvestitionen und für den Bezug von Rohstoffen. Wir könnten die beiden Instrumente Außenwirtschaftsförderung und Außenwirtschaftsfinanzierung wesentlich offensiver einsetzen und schlagen daher folgende Maßnahmen vor:

Erstens: Wir müssen uns intensiv um den Aufbau langfristiger politischer Partnerschaften mit künftig wichtigen Wirtschaftsmächten kümmern. Dazu gehört eine Definition gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen, die geeignet sind, enge Bindungen und langfristige Kooperationen zu schaffen.

Zweitens: EU-Mitgliedsstaaten sollten konkrete Projekte mit hoher strategischer Bedeutung identifizieren. Für solche Pilotprojekte, die beispielsweise der Rohstoffversorgung oder dem Klimaschutz dienen können oder auch der Schaffung von überregional bedeutsamer Infrastruktur, wird es Mechanismen der Zusammenarbeit auf politischer Ebene benötigen, wie wir sie bislang eher aus der Entwicklungspolitik kennen. Dort ist es üblich, eine gemeinsame Agenda und Projektlisten zwischen Regierungen zu vereinbaren. Das muss nun auf die wichtigsten wirtschaftlichen Vorhaben ausgeweitet werden.

Drittens: Wo zu hohe Risiken es den Unternehmen allein unmöglich machen, solche Vorhaben in relevanten Partnerländern zu finanzieren, benötigt es öffentliche Garantien und Bürgschaften. Statt direkter Subventionen scheint ein Versicherungsmodell vielversprechend, bei dem Unternehmen gewisse Risiken gegen Zahlung einer Prämie absichern können.

Viertens: Zudem sollten wir den afrikanischen Kontinent wesentlich ernster nehmen als bisher. Auch wenn viele Länder noch keine wirtschaftlichen Schwergewichte darstellen, so kann sich das in den kommenden Jahren ändern. Schon heute liegen 13 der 20 am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in Afrika. Die EU sollte an einer Freihandelszone zwischen der EU und der afrikanischen Freihandelszone AfCFTA arbeiten.