Ich will weder Diva, noch Grande Dame sein.

Kammerschauspielerin, Sängerin, Autorin – Erika Pluhar hat in ihrem Leben viel erreicht, gleichzeitig ist sie am Boden geblieben. SOCIETY traf sie in ihrem verwunschenen Haus in Grinzing.

Eine gut gelaunte Erika Pluhar empfängt uns in ihrem vom Efeu bewachsenen Domizil im Wiener Nobelbezirk Döbling, in dem sie gemeinsam mit ihrem Adoptivsohn Ignaz und dessen Partnerin Lena und dem Neuankömmling – (Ur)Enkelkind Merlin – lebt. Das Haus ist eines der ältesten in der Umgebung und wurde liebevoll mit antiken Stücken eingerichtet. So unprätentiös wie ihre Behausung ist auch die frühere Burgtheaterschauspielerin, die heutzutage als erfolgreiche Autorin und Leadsängerin reüssiert. Über sich selbst sagt sie: „Ich bin auch auf der Bühne ich selbst. Ich will weder Diva, noch Grande Dame sein. Die Kammerschauspielerin kann man auch weglassen, in einer Kammer möchte ich nicht wirksam sein.“

1939 in den Wirren des Zweiten Weltkrieges in Wien geboren, schloss die Vorzugsschülerin die Matura ab und wurde direkt vom Max-Reinhardt-Seminar an das renommierte Burgtheater geholt, wo sie vierzig Jahre tätig war. „Ich war eine gute Schülerin, als ich Schreiben und Lesen gelernt habe, habe ich geschrieben und gelesen. Dass ich zum Theater wollte, hatte auch damit zu tun, dass man dort mit dem Wort umgeht. Das Erfinden von Geschichten war für mich total heilsam, da ich dadurch die traumatische Kriegserfahrung vergessen konnte“, so Pluhar im Interview. Als Schauspielerin war sie Teil vieler wundervoller Aufführungen und konnte sogar mit einem Skandal aufwarten: „Ich war die allererste Nackte an der Burg, und zwar in dem Stück „Akrobaten“ von Tom Stoppard. Die Sitze im Akademietheater, von wo aus man einen guten Blick auf meinen nackten Po hatte, waren immer ausverkauft“, erzählt sie mit einem Schmunzeln.

MUSIKALISCHE KARRIERE

Mit 60 Jahren verabschiedete sich Erika Pluhar vom Burgtheater und widmete sich vermehrt ihrer Gesangskarriere. Angeregt von ihrem Ex-Ehemann André Heller, der sie schon während ihrer Zeit als Schauspielerin dazu inspiriert hatte, konzentrierte sie sich fortan auf die Musik: „Erst habe ich noch André Hellers Lieder und Oldies interpretiert, danach habe ich nur noch meine eigenen Texte verwendet“, erzählt sie im Interview. Ihre erste Schallplatte hieß „Erika Pluhar singt“. Gemeinsam mit den Musikern Antonio V. D‘Almeida und Peter Marinoff bildete sie über zehn Jahre lang ein ständiges Trio. Mit ihrer charakteristischen, tiefen Stimme singt sie Stücke aus den unterschiedlichsten Genres, von kammermusikalischer Klassik bis zum Wienerisch Volksliedhaften. Seit dem plötzlichen Tod von Peter Marinoff sind vor allem der Gitarrist Klaus Trabitsch und der Pianist Roland Guggenbichler musikalische Partner mit denen sie Liederabende veranstaltet. „Ich kann kein Instrument spielen, keine Noten lesen, aber ich habe ein perfektes Gehör“, sagt sie nicht ohne Stolz.

SCHRIFTSTELLERISCHE TÄTIGKEIT

Das geschriebene Wort gewann für Erika Pluhar gleichzeitig mit ihrer musikalischen Tätigkeit an Bedeutung, 1981 veröffentlichte sie erstmals einen Teil ihrer Tagebucheintragungen. In weiterer Folge erschienen Werke wie „Verzeihen Sie, ist hier schon die Endstation?“ (2011), oder „Eine öffentliche Frau“ (2013), mit autobiografischen Elementen. Ihre Tochter Anna, die sie gemeinsam mit dem Unternehmer Udo Proksch hatte, verstarb 1999 an einem Asthmaanfall, ein Schicksalsschlag, den sie in ihrem Buch „Anna, eine Kindheit“ (2018) verarbeitete. Pluhar ergreift auch öffentlich das Wort: „Wenn das Thema mich interessiert, bin ich gerne mit einem Vortrag zur Stelle. Nur Corona lasse ich aus“, sagt sie. Stolz ist Pluhar auf den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln.

„Es freut mich, dass mir der Preis vom Handel verliehen wurde. In der Literaturszene komme ich nicht so wahnsinnig vor, da gibt es aber auch viele Bücher, die wenig gelesen werden“, so Pluhar. „Mein Verlag ist zufrieden mit meinen Verkaufszahlen. Ich habe eine nicht kleine Leserschaft die in meine Lesungen kommt, die jüngeren unter ihnen wissen gar nicht mehr, dass ich Schauspielerin war. Die kennen mich bereits nur über meine Bücher.“

Das Erfinden von Geschichten war für mich total heilsam, da ich dadurch die traumatische Kriegserfahrung vergessen konnte.

POLITISCHES ENGAGEMENT

Ein Thema, das in vielen ihrer Bücher vorkommt, ist die Situation der Menschen aus Westsahara, für die sich Erika Pluhar stark einsetzt. „In einer abenteuerlichen Reise waren wir damals in den Flüchtlingscamps der Menschen in der Westsahara, die Sahrauis genannt werden. Ursprünglich eine Kolonie der Spanier, wollten nach deren Abzug Marokko und Maureta- nien Westsahara annektieren. Es gab dann Krieg, ein Teil der Bevölkerung ist nach Algerien geflüchtet und hat im Wüstengebiet rund um Tindouf eine Exilregierung gegründet. Die Sahrauis warten seit 30 Jahren auf ein Referendum, bei dem sie bestimmen können, zu wem sie dazugehören möchten. Leider hat es dieses Referendum von Seiten der UNO bis jetzt nicht gegeben. Die Menschen leben dort ohne Zukunftsaussichten, Krieg liegt wieder in der Luft. In allen meinen Büchern kommt immer eine Beschreibung dieser Situation vor“, sagt Erika Pluhar – auch ihr Adoptivsohn Ignaz stammt aus Westsahara. Sie scheut sich auch nicht, auf faschistoide, rechtspopulistische Strömungen aufmerksam zu machen, ihr zuletzt erschienenes Buch mit Kommentaren und Essays trägt daher auch den Titel „Die Stimme erheben.“

GEGENWART UND ZUKUNFT

Ihr künstlerisches Schaffen möchte Erika Pluhar weiterführen, solange sie sich dazu in der Lage fühlt, auch wenn sie, wie sie verschmitzt sagt „nicht als geriatrisches Wunderwerk auf die Bühne taumeln möchte wie Johannes Heesters“. „Ich bin ein alter Mensch und habe meine Zeit gehabt, aber ich bin gerne zuhause – neben meiner öffentlichen Arbeit lebe ich eher zurückgezogen und einsam. Ich liebe es, in die Natur zu gehen und habe im Haus mein Urenkerl Merlin. Ich hoffe, im Kopf so lange fit zu bleiben, dass ich Schreiben kann“, blickt sie entspannt in die Zukunft. Ihr neuester Roman „Hedwig heißt man doch nicht mehr“ erscheint im August 2021.

Fotos: SOCIETY/Pobaschnig