Herbstliche Auszeit in der Provence

Wenn die Sommerhitze nachgelassen hat, dann ist die Zeit gekommen, eine andere Facette der Region Provence-Alpes-Côte d‘Azur kennenzulernen.

In der Provence Verte, der grünen Provence, zeigt sich diese südfranzösische Region von einer ganz anderen Seite. Nur etwa neunzig Autominuten von Nizza entfernt liegt im Departement Var, umgeben von Eichenwäldern und Weinbergen, das romantische Dorf Cotignac. Dem 2500-Seelen-Ort wurde erst 2022 die kulturtouristische Auszeichnung „Village de caractère du Var“ (Les plus beaux villages de France) verliehen. Aus gutem Grund – der von Platanen gesäumte Hauptplatz lädt mit zahlreichen charmanten Cafés und Bistros zum Verweilen ein. Zu empfehlen sind hier besonders das Le Bistro Cotignac, wo der deutschsprachige Küchenchef Sébastien herrliches Beef Tartar vor den Augen der Gäste zubereitet. Im Picotte Provence genießt man provenzalische Spezialitäten, die an den modernen Gaumen angepasst wurden, wie etwa mit Blutwurst gefüllter French Toast oder gebackenes Ei mit Trüffel.

Bei einem Verdauungsspaziergang durch die engen Gassen entdeckt man die Sehenswürdigkeiten von Cotignac, wie etwa eine 400 Meter lange Felswand aus Tuffstein, in der früher Höhlenbewohner mit ihren Schafen lebten. Die wildromantischen Höhlenbehausungen kann man heutzutage bei einem Rundgang besichtigen, wo man auch auf zwei verfallene Türme, genannt Tours Sarrasins sowie die mittelalterliche Chapelle Saint-Martin trifft. Cotignac ist ebenfalls sehr berühmt für das Gotteshaus Notre Dame de Graces, welches nach einer Marienerscheinung im Jahr 1590 gebaut wurde und vor allem von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch besucht wird. Der Legende nach empfang Anna von Österreich nach langen Jahren der Kinderlosigkeit nach einem Besuch der Kirche ihren Sohn, den Sonnenkönig Ludwig XVI. Im Jahr 1667 ließ König Ludwig XVI deshalb eine Plakette dort anbringen, um an seine Mutter zu gedenken.

 

 

Hotel Lou Calen

Unter den Stars bekannt wurde Cotignac durch die Initiative von Huguette Caren. Die junge Frau kaufte im Jahr 1971 ein Landgut, welches im frühen 19. Jahrhundert vom Duc de Condé erbaut worden war, und machte es zu einem 16-Zimmer Hotel namens Lou Calen (auf okzitanisch Öllampe). Ihre provenzalische Küche erfreute Gäste aus Politik und Entertainment, wie etwa die Frau von Charles de Gaulle, Yvonne de Gaulle und Brigitte Bardot. Auch die Rolling Stones, The Cure und AC/DC waren schon zu Gast im Lou Calen, denn in den benachbarten Miraval-Tonstudios (deren Inhaber jetzt Brad Pitt ist) nahmen schon Pink Floyd Teile von „The Wall“ auf. 1999 schloss Huguette Caren Lou Calen um sich mehr dem Malen und Schreiben zu widmen. Ihr neuestes Buch widmet sich der provenzalischen Küche. Nach Jahren des Leerstands wurde das Hotel von Graham Porter aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Im Jahr 2015 entstand gleich nebenan das dazugehörige Centre d’Art La Falaise, wo zeitgenössische Kunst aus den Sparten Bildhauerei, Malerei und Fotografie zu sehen ist, es wird aber auch als Veranstaltungsort genutzt.

Nicht nur der Kulturhunger, auch kulinarische Gelüste werden im Lou Calen befriedigt. Grüner-Michelin-Stern-Träger Chefkoch Benoit Witz, der das Handwerk bei Paul Bocuse und Alain Ducasse erlernen dufte, erfreut im intimen Rahmen des Jardin Secret Restaurants die Gäste mit gehobener Küche basierend auf regionalen Produkten, die Kräuter züchtet er selbst im großzügigen Garten der Anlage. Wer sich noch näher mit der Materie befassen möchte, dem sei die Chef Masterclass mit dem sympathischen Elsässer empfohlen, gemeinsam mit der kompetenten Wildkräuterexpertin Vera Schultz werden die Kräuter auf dem Areal des nachhaltig geführten Hotels gesammelt und danach mit dem Chefkoch zu einem Gourmet-Menü verarbeitet.

 

Trinken wie die Tempelritter

Wein, Kunst und Kulinarik findet man auch in der etwa 45 Minuten von Cotignac gelegenen Commanderie de Peyrassol, einem Weingut, das von den Tempelrittern im 13. Jahrhundert gegründet wurde. Am Fuße des Massif des Maures, zwischen dem Mittelmeer und der Verdon Schlucht, wachsen wilde Eichenwälder, die das alte Château Peyrassol und dessen Weingärten von der Außenwelt abschirmen. Über Forstwege kommt man ins Herz des 850 Hektar großen Anwesens, wo sich das wildromantische Chateau, ein moderner Weinkeller, die Philippe Austruy Contemporary Art Collection und das Restaurant Chez Jeanette verstecken. Seit einigen Jahren wird der gesamte Wein der Commanderie Peyrassol in biologischem Anbau hergestellt. Auf dem Terrain des Anwesens gedeihen die Trauben für den in der Provence populären Rosé besonders gut, aber auch Rot- und Weißwein werden hier produziert.

Kunst und Weinkultur

In der Commanderie de Peyrassol trifft traditionelle provenzalische Weinkultur auf kontemporäre Kunst, der leidenschaftliche Kunstsammler Philippe Austruy realisierte hier seinen Traum eine der größten Open-Air-Kunstsammlungen Europas zu schaffen. Inmitten der Weinberge können die BesucherInnen des Anwesens Kunstwerke von Daniel Buren, Nicky de Phalle, Ugo Rondinone und vielen anderen entdecken, welche sich nahtlos in die Umgebung einfügen. Seit 2021 können auch Wechselausstellungen bekannter kontemporärer KünstlerInnen entweder im Kunstzentrum oder in den Weingärten bestaunt werden. In der permanenten Ausstellung finden sich Werke von namhaften Künstlern wie Daniel Spoerri oder Robert Rauschenberg.

Über Nacht zu bleiben zahlt sich auf jeden Fall aus, entweder in den historischen Zimmern gleich neben dem Kunstzentrum oder im früheren Jagdschlösschen La Rouvière, welches ungefähr einen Kilometer von der Commanderie entfernt, versteckt im Wald, liegt. Hier nächtigt man im provenzalischen Flair, im Winter kann man am offenen Kamin entspannen und die Ruhe genießen, im Sommer sorgt ein Outdoorpool für Erfrischung.

Für die Verköstigung bieten sich zwei Optionen an, im Le Bistro de Lou kann man nach einer Führung durch den Weingarten authentische südfranzösische Gerichte kennenlernen, die Commanderie betreibt ihren eigenen Biobauernhof, wo das Fleisch und Gemüse für den Großteil der Gerichte produziert wird. Ein Highlight für jeden Gourmet ist das Restaurant Chez Jeanette, welches unter der Ägide vom Zwei-Sterne-Koch Michel Portos steht. Wahre Gaumenfreuden auf höchstem Niveau zaubern hier Chefkoch Vivien Rouleaud und sein Küchenteam aus vorwiegend regionalen und saisonalen Produkten. Das Menü wird von den ausgezeichneten Weinen der Commanderie de Peyrassol perfekt begleitet.

Abseits der großen Touristenströme wartet die Provence Verte mit kulturellen und kulinarischen Schätzen darauf, entdeckt zu werden. Vor allem Liebhaber von Rosé und regionaler Küche auf gehobenem Niveau werden hier fündig – auch nach dem Sommer. Denn seien wir ehrlich, die Provence ist immer eine Reise wert!

Cotignac
Hotel Lou Calen
1 Cours Gambetta
83570 Cotignac
00 33 498 14 15 29

bonjour@loucalen.com

Le Bisto Cotignac
10 cours Gambetta
83570 Cotignac

bienvenue@lebistrocotignac.fr

Restaurant Picotte Provence
8 rue Saint Jean, 83570 Cotignac
09-85-06-09-21
provence@picotte.fr

Kräuterführungen von Vera Schultz
Kontakt: 0033603978611
veradentrecasteaux@gmail.com

Commanderie de Peyrassol
1204 chemin de la Commanderie de Peyrassol,
RN7, 83340 Flassans-sur-Issole
+33 (0) 4 94 69 71 02
contact@peyrassol.com

www.peyrassol.com

Fotos: Tanja Tauchhammer, Victor Garnier, Allyson, Charles Goussard