Ein Gastronomiebetrieb mit Herz

 

Foto: Mark Glassner

Hannah Lux, Geschäftsführerin der „Vollpension“, über die generationenverbindende Kraft des Kuchens.

 

Wie seid ihr zu eurem Projekt „Vollpension“ gekommen?

Die „Vollpension“ hat 2012 als Pop-up-Projekt gestartet. 2014 haben wir dann zu viert die GmbH gegründet, und im Juni 2015 das Lokal in der Schleifmühlgasse eröffnet. Bei uns sind derzeit fünfzehn „Backomas“ und sechs Gastgeberinnen angestellt, auch „Omas vom Dienst“ genannt. Die kommen, um für die Gäste da zu sein und mit ihnen zu plaudern. Die Opas sind bei uns rar gesät. Aber es gibt auch immer mehr Männer, die sich bei uns bewerben. Daneben gibt es auch ca. zehn junge Leute, die im Service und in der Küche arbeiten – vom Studenten bis zum Profikoch. Unsere „Omas“ backen nach ihren 200 Lieblingsrezepten, die einmal im Quartal ausgetauscht werden.

Die „Vollpension“ versteht sich ja als Social Business – was sind eure konkreten sozialen und gesellschaftlichen Ziele?

Wir haben neben dem wirtschaftlichen Anspruch, einen stabilen Gastronomiebetrieb zu betreiben, auch die Förderung des Generationendialogs zum Ziel. Am Land, sei es über das bestehende Vereinswesen, gibt es einfach viel mehr Interaktionspunkte zwischen Jung und Alt als in der Stadt. Es ist wichtig, dass sich Generationen austauschen, um voneinander zu lernen. Bei uns entstehen zwischen den Gästen und unseren Omas auch Freundschaften, und innerhalb des Teams ist der Austausch zwischen Jung und Alt ebenfalls gegeben. Unser zweites Ziel ist es, dass wir Jobs für Seniorinnen schaffen wollen, die von sehr wenig Pension leben müssen. Altersarmut und Einsamkeit sind große Themen für alte Menschen in Österreich. Überdies ist Alt sein ja auch nicht mehr dasselbe wie vor dreißig Jahren. Damals war man mit sechzig Jahren schon ein alter Mensch, heute ist das nicht mehr so. Für diese neue Situation müssen auch neue Beschäftigungsmodelle entstehen. Die „Vollpension“ ist in diesem Kontext natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein, aber gibt zumindest Ansporn darüber nachzudenken.

Was sind die größten Herausforderungen?

Es ist manchmal wirklich nicht leicht ein Social Business zu führen, und den Spagat zwischen den sozialen und wirtschaftlichen Zielen zu schaffen. Die Leute fühlen sich von den sozialen Ambitionen angesprochen, und freuen sich darüber zu uns zu kommen, aber auch die Qualität muss durchgehend stimmen. Wir haben natürlich auch nicht die effizientesten Arbeitskräfte, die sich ein Unternehmer wünschen kann. Auf der anderen Seite ist das aber genau das Thema, um das es geht. Es ist uns sehr wichtig, viel mit den Pensionistinnen zu kommunizieren, und oft ist es für die Menschen eine vollkommen neue Erfahrung, dass sich jemand für sie interessiert. Man braucht einfach ganz viel Liebe, und man muss dranbleiben, damit alles funktioniert.

Welche Zielgruppe wollt ihr ansprechen?

Wir wollen einfach alle Menschen ansprechen, und das ist uns zum Glück auch gelungen – unsere Gäste sind bunt gemischt. Einmal in der Woche kommt eine Runde alter Damen vom Altersheim um die Ecke, und hält hier ihr Kaffeepläuschchen. Dann gibt es regelmäßig eine Schachrunde, die einige ältere Herren ins Leben gerufen haben. Auch eine Strickrunde hat sich hier zusammengefunden. Ebenso kommen viele Studenten von der TU zu uns, und gerade am Abend ist das Lokal voll mit jungen Menschen.

Was sind eure Zukunftspläne?

Wir haben viele Anfragen – aus Berlin, aus Zürich – von Menschen, die in der Stadtentwicklung tätig sind, oder von den Städten selbst. Wir wollen in einem nächsten Schritt über ein Filialisierungskonzept oder ein Franchisekonzept im deutschsprachigen Raum nachdenken.

Ihr habt mit der „Vollpension“ ja bereits einige Preise gewonnen – was war denn für dich der schönste Preis?

Es hat zwei sehr wichtige Preise für mich gegeben. 2014 haben wir den Preis von „Ideen gegen Armut“ gewonnen, der im Social Business-Bereich eine große Bedeutung hat. Den zweiten sehr wichtigen Preis haben wir 2015 von „Rolling Pin“, einem Gastronomie-Fachmagazin, bekommen. Wir wurden in der Kategorie „Gastronomiekonzept des Jahres“ ausgezeichnet. Ich finde auch, dass sich in der Wirtschaft hinsichtlich des Faktors Menschlichkeit etwas ändern muss – Burnout ist hierbei nur ein Stichwort, aber die „Vollpension“ setzt diesbezüglich sicher auch an einem ganz wichtigen Punkt an.

Buchtitel

Vollpension – Kuchen von der Oma

Backweisheiten und Lebensrezepte

Autoren: Julia Preinerstorfer, Martin Mühl, Vollpension Generationencafé GmbH

Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien, 2016.

Kontakt

Vollpension

Schleifmühlgasse 16, 1040 Wien

Tel +43 1 5850464

info@vollpense.at

www.vollpension.wien

Di – Do: 9:00 – 22:00; Fr & Sa: 9:00 – 0:00 Uhr; So: 9:00 – 20:00; Mo Ruhetag