Corona & die Finanzwirtschaft

Der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Teodoro Cocca spricht im SOCIETY-Interview unter anderem über den gestiegenen Risikoappetit von Investoren während der Pandemie und wagt einen Blick in die wirtschaftliche Zukunft nach Corona.

Prof. Dr. Teodoro Cocca, der an der Johannes Kepler Universität Linz lehrt. (c) Roland Korner

Sie sind Professor für Asset Management an der Johannes Kepler Universität in Linz. Wie hat sich Vermögensverwaltung während der Corona-Krise verändert?

Das waren schon völlig neue Herausforderungen, da zum Beispiel die Wirkung eines Lockdowns auf den Wirtschaftsverlauf vor Corona ein völlig undenkbares Szenario darstellte. Prognosen sind in einem solchen Umfeld praktisch unmöglich. Nach einem anfänglichen Schock für alle Marktteilnehmer im März hat sich dann aber die Lage sehr schnell beruhigt. Die massiven geldpolitischen und fiskalischen Eingriffe haben die Krise deutlich abgefedert und die Märkte zuerst beruhigt und dann regelrecht entzückt. Schlussendlich war 2020 ein sehr gutes Anlagejahr. Das ist schon verrückt. Besonders ist auch, dass Kunden in dieser Krise digitale Angebote und Kanäle intensiv genutzt haben und sich auch häufiger selber Zeit genommen haben, sich im Home-Office mit der Börse zu beschäftigen. Das ist einerseits zu begrüßen, birgt aber auch die Gefahr übermütigen Handelns an der Börse.  

Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Maßnahmen, die die österreichische Regierung bis dato gesetzt hat, ein?

Etwas zum Kritisieren findet man leicht, aber in Wahrheit hat die österreichische Regierung sehr schnell sehr viele wirtschaftliche Maßnahmen so umgesetzt, dass andere Länder dies als Vorbild herangezogen haben. Bemerkenswert ist sicherlich die Bereitschaft immense Summen für die Stabilisierung der Wirtschaft und der Arbeitsplätze einzusetzen. Das ist eine solidarische Meisterleistung oder größte kollektive Solidaritätsaktion der neueren Zeitgeschichte, die es so in der Geschichte der Republik noch nie gab.  Natürlich kann es das gesamte Leid nicht verhindern aber kaum ein Land hat im Verhältnis mehr Geld dafür in die Hand genommen als Österreich. Das ist alles andere als selbstverständlich. Generell erscheint mir der Umgang mit der Krise eine beachtliche zivilisatorische Leistung, denn trotz Pandemie und mehrerer Lockdowns ist es nicht zu einem sozialen oder wirtschaftlichen Zerfall gekommen.

Wie gefährlich ist es für den Staat, so hohe Schulden zu machen? Welche Auswirkungen wird dies noch in den nächsten Jahren haben? Welche Mechanismen kann die Regierung in den nächsten Jahren einrichten, um das Staatsdefizit wieder verringern zu können?

Das ist die wohl schwierigste Frage, die sich diese Generation gerade aufbürdet. Wir haben unseren Kindern zu danken, dass wir uns einen Teil ihrer Zukunft zur Dämpfung der Corona-Folgen leihen dürfen. Es darf aber nach Corona nicht die Erwartung geschürt werden, dass weiterhin Geld ohne scheinbare Limiten zur Verfügung steht. Ein solcher „Neosozialismus“ wäre kurzfristig angenehm, würde aber langfristig eine lähmende Wirkung auf Innovationskraft und Wachstum haben. Das wird gerade hier in Österreich, wo der Ruf nach dem Staat schon vor Corona sehr instinktiv kam, eine echte Herausforderung.  Die Sehnsucht nach einem schützenden, überall intervenierenden Staat wird nach Corona vorerstmal bleiben. Der Schuldenabbau wird wohl eine Kombination aus Wachstum, Sparen, Inflation und zumindest einer Diskussion über zusätzliche Steuern sein. Wobei ich denke, dass vor allem Ersteres der Weg sein sollte.

Sie beschäftigen sich vor allem mit der „Behavioral Finance“ – wie hat sich das Verhalten auf den Finanz- bzw. Kapitalmärkten durch die Krise verändert?

Das Paradoxe liegt darin, dass der Risikoappetit der Investoren während der Corona-Krise gestiegen ist und sich dieser Risikoappetit zumindest bisher auch ausgezahlt hat. Die Risikofreude hat inzwischen aber ein Ausmaß angenommen, das beängstigend ist. Dabei Verschmelzen die Grenzen zwischen dem Online-Shoppen auf Amazon, der Online-Unterhaltung auf Netflix und dem Online-Handel an der Börse. Dieser Trend zur Gamification des Börsenhandels ist Ausdruck eines Börsenhypes der mich an den Hype der Internet-Blase im Jahr 2000 erinnert. Damals sprach man etwas despektierlich von der Hausfrauen-Hausse, heute müsste man dann wohl von der Hausmänner-Hausse sprechen, denn Online-Trading während der Home-Office-Zeit ist stark männlich dominiert. Gepaart mit wilden Preissprüngen von bei Kleinanlegern heiß begehrten Aktien und frenetischen Kryptowährungen wie Bitcoin sind das eher Zeichen eines überhitzten Marktes. Welch Ironie der Geschichte wäre es, wenn gerade die Überhitzung rund um eine Aktie namens «Gamestop» das Ende der wild zockenden Home-Office-Trader markieren würde.   

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