Fotos: SOCIETY/Pobaschnig
Society traf S.E. János Perényi, den Botschafter von Ungarn, und sprach mit ihm über die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder sowie die Rolle der Visegrád-Staaten.
Herr Botschafter, Sie leisten derzeit schon Ihren zweiten Außendienst in Wien. Wie könnten Sie diese beiden Dienstzeiten vergleichen?
Ich denke, es ist immer eine besondere Ehre und Herausforderung für einen ungarischen Diplomaten, in Österreich tätig zu sein. Unsere Länder verbindet eine gemeinsame Geschichte von einigen Jahrhunderten, und die bilaterale Kooperation ist nach wie vor äußerst vielfältig und intensiv. Selbst mein Büro und das Botschaftsgebäude erinnern stets an diese geschichtliche Erbschaft und mahnen an unsere Verantwortung, diese einzigartige Verbindung weiter zu vertiefen.
Das vorige Jahr könnte man trotzdem als Tiefpunkt in dieser Beziehung bezeichnen. Was können Sie persönlich zu einer Verbesserung beitragen?
Die extreme Belastung durch die Migrationswelle, die dadurch aufgeheizten Emotionen und gewisse unglückliche verbale Äußerungen haben vor einem guten Jahr die Zusammenarbeit tatsächlich beeinträchtigt. Trotzdem haben wir, von ungarischer Seite aus, in dieser heiklen Phase alles getan, den ständigen Dialog aufrechtzuerhalten – nicht zuletzt mit dem Ziel, unseren Standpunkt zu erklären. Budapest hat nämlich von Anfang an eine konsequente Linie verfolgt: wir sollen unsere eigenen europäischen Regelungen einhalten, wir sollen unsere Grenzen schützen können, um dadurch diese beispiellos große Völkerwanderung in den Griff zu bekommen. Mittlerweile betont auch Herr Bundeskanzler Kern selbst, die Übereinstimmungen zwischen den ungarischen und österreichischen Positionen. Die zuständigen Minister und ihr jeweiliger Stab führen beinahe wöchentlich konstruktive Gespräche über die möglichen gemeinsamen Lösungen. Auch die österreichische Polizei und das Bundesheer leisten an der ungarisch-serbischen Grenze einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Schengen-Zone.
Haben Sie nicht die Befürchtung, dass die vorhergegangenen Debatten die Beziehung der beiden Länder längerfristig überschatten könnten?
Nein, diesbezüglich hatte ich nicht einmal im September 2015 Angst. Schon damals haben wir etwa 1000 E-Mails und Briefe von Ihren Mitbürgern mit spontanen Sympathiebekundungen erhalten, in denen sie sich für die Aufrechterhaltung der guten Zusammenarbeit unserer Länder ausgesprochen haben. Für mich gilt diese langjährige Freundschaft und der Zusammenhalt von Ungarn und Österreichern als die sicherste und wichtigste Stütze für unsere Beziehungen. Und trotz der massiven Anwesenheit der Migrationsproblematik darf man nicht vergessen, dass die bilaterale Kooperation in vielen anderen Bereichen nach wie vor mit großer Intensität läuft: Österreich ist der zweitgrößte Handelspartner und der viertgrößte Investor für uns, und wir arbeiten stets daran, diese Aktivitäten weiter auszubauen. Die Bereitschaft hierfür sehe ich auf beiden Seiten – neulich berichteten schon die hiesigen Banken positiv über die dementsprechenden Ergebnisse in Ungarn.
Jüngst konnte man sehr kontroverse Meinungen über die Visegrád-Staaten hören. Wie sehen Sie die aktuelle und künftige Rolle dieser Gruppe – z.B. innerhalb der EU?
In der Tat habe auch ich zu diesem Thema leider ganz falsche Interpretationen gefunden – etwa über einen „neuen Ostblock“. Wobei man sehen sollte, dass diese vier Staaten schon seit mehreren Jahren über eine konstruktive und durchaus erfolgreiche Zusammenarbeit in mehreren Bereichen – Energie, Infrastruktur oder Kultur – verfügen. Und diese Einstellung prägt auch unser gemeinsames Auftreten auf europäischer Ebene: koordiniert und einheitlich, aber keinesfalls blockierend. Dementsprechend bringen wir unsere Ideen für die ganze EU ein – sei es das immer stärker begrüßte Konzept der „flexiblen Solidarität“ in der Migrationsfrage, oder der Vorschlag für eine neue, verstärkte Sicherheitspolitik. Nicht zuletzt möchte ich auf die Wirtschaftsdynamik unserer Region (weit über dem EU-Durchschnitt) hinweisen – womit wir ebenfalls zur Stärkung der Union beitragen. Und ich finde es äußerst erfreulich, dass sich jüngst auch die Koalitionsparteien klar für eine engere Kooperation mit Visegrad-4 aussprechen – unsererseits sind wir hierfür jederzeit bereit.
CURRICULUM VITAE
Dr. János Perényi wurde 1949 in Budapest geboren. Er studierte von
1969 bis 1972 Geschichte, Englisch und Französisch an der Universität Uppsala. Von
1973 bis 1978 absolvierte er an der Universität Uppsala ein postgraduales Studium. 1979 erlangte er den Doktortitel. In den Jahren 1990 bis 1992 war er bereits Botschaftsrat an der Botschaft von Ungarn in Wien. 1992 bis 1996 sowie 1998 bis 2002 war er als Botschafter der ständigen Vertretung Ungarns beim Europarat in Straßburg tätig. Von 2008 bis 2009 war er nationaler Koordinator für die Allianz der Zivilisationen im ungarischen Außenministerium, und von 2009 bis 2011 hatte er die Position des Botschaftsrats an der Botschaft von Ungarn in Paris inne. In den Jahren 2011 bis 2014 war er Botschafter von Ungarn in Marokko. Seit Dezember 2014 ist er außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter von Ungarn in Wien.