SOCIETY traf Karl von Habsburg, Präsident der Paneuropabewegung und sprach mit ihm über die europäische Idee und ihre aktuellen Herausforderungen.
Die Vision von Richard Coudenhove-Kalergi, dem Gründungsvater der Paneuropa-Bewegung hinsichtlich eines vereinten Europas scheint heute verwirklicht. Inzwischen sind die meisten europäischen Länder Mitglieder der Europäischen Union und innereuropäische Kriege erscheinen undenkbar. Angesichts dieser Tatsache, wo liegen die Ziele von Paneuropa für die Gegenwart und für die Zukunft?
Ich glaube, dass viele Ziele der Paneuropabewegung heute noch wichtiger sind als zum Beispiel vor zehn Jahren. Man muss ja sagen, dass die europäische Idee von vielen heute in Frage gestellt wird. Viele vergessen, dass die europäische Idee an sich das erfolgreichste Friedenskonzept ist, das es in der uns bekannten Geschichte jemals irgendwo gegeben hat.
Angesichts von Entwicklungen wie dem Brexit und dem Zugewinn nationalistischer EU-feindlicher Parteien scheint die Einheit der Europäischen Union gefährdet. Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?
Ich denke, dass die nationalistischen Parteien nicht mehrheitsfähig sind. In Großbritannien war der Brexit durchaus absehbar: in der Vergangenheit hat Großbritannien die EU immer schon als Handelspartner und nicht als Wirtschaftspartner betrachtet. Außerdem ist zu beobachten, dass die Mehrheit der Politiker in Brüssel rein nationale Interessen vertritt, anstatt die europäische Idee zu forcieren. Erwähnt werden muss in diesem Kontext jedoch Paul Rübig, der eine löbliche Ausnahme darstellt.
Auf welche Politikfelder sollte sich die EU konzentrieren bzw. die Integration weiter vorantreiben und welche sollte sie den Mitgliedstaaten überlassen?
Ich bin ein Verfechter des Subsidiaritätsprinzips. Es gibt einfach Themen, die nur überstaatlich bearbeitet werden können. Hier sind beispielsweise Umwelt, Sicherheit oder Landwirtschaft zu nennen. Diese großen Politikbereiche können nicht auf einzelne EU-Länder reduziert werden. Auch die Flüchtlingsfrage muss auf EU-Ebene gelöst werden. Eine große Herausforderung besteht in der einheitlichen Bewältigung des Flüchtlingsproblems, denn solange Flüchtlinge in EU-Länder mit besseren Lebensbedingungen gehen können, wird es nie die Möglichkeit geben, Flüchtlinge auf weniger attraktive Länder umzuverteilen. Eine einheitliche Regelung und einheitliche Bedingungen sind hier absolut notwendig.
Wie kann es gelingen, dass man das Bewusstsein und die Zustimmung der Bevölkerung für die europäische Idee stärkt?
Generell ist dies nicht so leicht, aber ich bin ein Verfechter des EU-Optimismus. Man kann nicht oft genug betonen, dass die EU in Wahrheit ein Friedensprojekt ist, und dass Wirtschaft und Währung eher untergeordnete Themen sind. Eine zentrale Errungenschaft ist, dass es noch nie in der Geschichte eine so lange Friedensperiode gegeben hat, wie hier und jetzt in Europa. Aus diesem Grund, sollte man der Bevölkerung klarmachen, dass es nicht selbstverständlich ist in einem befriedeten Europa zu leben.
Foto: SOCIETY/Pobaschnig