Die Rückkehr zur Normalität ist eingeleitet, aber noch wütet COVID-19 in weiten Teilen der Welt. Eine Pandemie ist erst dann besiegt, wenn sie auf der ganzen Welt ausgelöscht ist.
Wie wird die Welt nach COVID-19 aussehen? Wird wirklich wieder alles so wie vorher? Gewiss nicht. Vermutlich wird man einmal von einem Wendepunkt sprechen. Eine humanitäre Katastrophe wie diese hinterlässt Spuren und verändert die Einstellung der Menschen zu ihrer Lebensgestaltung. Man wird vorsichtiger.
Zur Lebensgestaltung zählt der Beruf. Das Homeoffice aus der Notlage wird weiterhin die neue Arbeitswelt prägen, wenn auch in Form des „Hybridoffice“ mit notwendigen Erledigungen im Büro oder anderen Stätten. Das einst als Zukunftsmodell angepriesene Großraumbüro hat (auch aus gesundheitspolitischen Gründen) seine Bedeutung einge- büßt. Der Arbeitsmarkt wird angespannt bleiben, weil die Firmen nach jeder großen Krise entdecken, dass sie den Output auch mit weniger Arbeitskräften erreichen können. Die Folge werden Jahre sozialer Konflikte sein, zumal auch infolge der großen Krisenhilfsprogramme und Staatsverschuldungen inflationäre Tendenzen steigen. Die COVID-19-Pandemie hat dem Online-Shopping nicht nur zum Durchbruch, sondern auch einigen Quasi-Monopolisten zu aberwitzigem Reichtum verholfen. Die Börsen spielen mit und errechnen Marktwerte, die bereits weit jenseits realer Wertschöpfung angesiedelt sind.
Dieser Trend – Kurssteigerungen, ja Höhenflüge trotz Krise – hat deutlich den Charakter einer Blasen-Bildung und gibt zur Sorge Anlass.
Die De-facto-Steuerfreiheit auf internationaler Ebene für die Digital-Riesen führt zu einem Ausmaß von sozialer Ungerechtigkeit, das gesellschaftspolitisch unerträglich wird. Regierungen sind aufgerufen, Maßnahmen zu setzen, aber haben sie überhaupt noch die Macht dazu? Wird die Änderung des Kaufverhaltens während der Pandemie nachhaltig sein? Wenn Ja,
Die COVID-19-Pandemie hat dem Online-Shopping nicht nur zum Durchbruch, sondern auch einigen Quasi-Monopolisten zu aberwitzigem Reichtum verholfen.
kommt der reale (Klein-)Handel unter einen Druck, der das Aussehen unserer Städte verändern wird. Immer mehr Geschäfte schließen auf Dauer, Straßen veröden. Wie geht es überhaupt mit der Globalisierung weiter? Niemand kann sagen: „Haltet die Welt an, ich will aussteigen!“ Die Welt wächst immer rascher zusammen (nicht jedoch die Völker und Regierungen) und wird von zwei gegensätzlichen Tendenzen geprägt sein: Verschärfung der digitalen Vernetzung und Bremsung der transkontinentalen Lieferketten nach den bösen Erfahrungen zu Beginn der Pandemie. Für Europa bedeutet das eine Trendumkehr: mehr Produktion auf dem eigenen Markt statt Produktionsverlagerung ins ferne Ausland. Die Produkte werden teurer werden wegen des höheren Lohnniveaus, aber es werden auch Arbeitsplätze geschaffen.
Historisch gesehen reagierten die Menschen nach jeder Pandemie erst mit Anfangseuphorie, dann aber mit Jahren der Besinnlichkeit. Das würde der Welt sicherlich gut tun, zumal sich die Globalisierung immer rascher nach oben schraubte mit breiter Stressbelastung und massiven Umweltschäden.
Alles in allem: Das waren einige Nachdenk-Anstöße, wie die Welt nach COVID-19 aussehen könnte und wie sie nicht aussehen sollte.
Foto: Reinhard Holl