SOCIETY sprach mit Georg Semler, dem aktuellen Großmeister der Freimaurer in Österreich, über den geheimnisumwobenen Bund.
Woher kommt die Freimaurerei? Die Freimaurerei gilt als diskreter Bund und kein, wie oft fälschlicherweise verlautbart, Geheimbund – wo liegen die wesentlichen Unterschiede?
Die Freimaurerei ist aus sogenannten Handwerkszünften entstanden. Die Steinmetze beispielsweise hatten ein sehr spezielles Wissen und waren ein kleiner, geschlossener Kreis. Sie waren bereits im 17. Jahrhundert eine international vernetzte Gruppe, die sich bewusst war, dass sie ihr Wissen einerseits schützen und andererseits an Nachwuchs weitergeben muss, indem sie diesen ausbilden. Es gab internationale Erkennungszeichnen, um eine länderübergreifende Kommunikation möglich zu machen. Bereits aus dieser Zeit rührt die falsche Verdächtigung, dass die Freimaurerei ein Geheimbund sei. Was ist dann passiert: In den katholisch dominierten Ländern gab es das historisch bedingte Missverständnis, dass die Freimaurer gegen die Religion wären. Die Freimaurerei sagt hierzu jedoch: „Wir glauben an einen Schöpfer, aber wir geben keine Religion vor – wir sehen keinen Gott, keinen Mohammed. Wir einigen uns darauf, dass es eine Autorität gibt. Wir müssen uns aber nicht darauf einigen, wie sie aussieht, oder wie sie heißt, geschweige denn, an was sie glaubt. Wir bezeichnen diese Autorität als „Großen Baumeister aller Welten“, was etwas Naturwissenschaftliches zum Ausdruck bringt, und nichts Geistiges. Dass eine damalige Katholische Kirche, die einen Alleinstellungs- und Exklusivitätsanspruch hat, ein Problem mit einer Gruppe von Intellektuellen hat, die von England ausgehend, auch Einfluss auf die Königshäuser hatte, ist machtstrategisch verständlich. Die Freimaurerei gab aber lediglich zu verstehen, dass sie nicht für die Katholische Kirche kämpfen wolle, da für sie alle Religionen gleich seien. So wurden die Freimaurer in katholischen Ländern wie Österreich-Ungarn stark beschränkt, da sie als Gefahr gesehen wurden. Die Freimaurer in protestantischen Ländern, wie beispielsweise in England, hatten hingegen keine Probleme. Aus dieser historischen Epoche kommt auch dieses Gefühl der Geheimhaltung. Ich liebe den Ausdruck diskret – wir sind ein diskreter Bund, denn wir sind nicht auf Facebook, wir schalten keine Inserate, wir gehen nicht an die Öffentlichkeit. Es gibt uns, das wissen wir und das genügt uns.
Worum geht es den Freimaurern? Was sind ihre Grundsätze?
Die ursprünglichen Grundsätze der Freimaurerei sind: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Toleranz. Diese Begriffe wirken in der heutigen Zeit etwas sperrig – der Begriff der Brüderlichkeit kann mit Solidarität gleichgesetzt werden, Freiheit mit Demokratie, Gleichheit mit dem Begriff Menschenrechte und Humanität mit Menschlichkeit. Wir sehen uns regelmäßig einmal in der Woche zur selben Uhrzeit. Bei diesen Zusammenkünften diskutieren wir die verschiedenen Meinungen, die in der Loge bestehen und es geht uns darum zu erkennen, dass der eigene Blick doch nicht immer das Maß aller Dinge ist. Es soll das Bewusstsein geschaffen werden, dass es – neben der eigenen Überzeugung – noch andere Einschätzungen gibt. Wir haben ein wöchentliches Ritual, in welchem es vorerst ums Innehalten geht, um dann die nötige Ruhe zu haben, um über tiefgreifende Themen zu diskutieren. Ich muss eine Zensur zu dem Leben da draußen schaffen. Jede funktionierende Familie hat ihre Rituale – das Ritual prägt und schafft Gemeinsamkeit. Das Ritual besteht aus Goethe-Texte, die unglaublich impactstark sind – es ist möglich, immer wieder neue inhaltliche Aspekte zu finden. Neben dem Lesen der Texte, muss man aber auch das Kerzenlicht und die Atmosphäre als Ganzheit erleben. In einem Aspekt fallen wir sozusagen ein bisschen aus dem zeitgenössischen Rahmen: Wir glauben, dass Zeit und Entschleunigung eine ganz wichtige Funktion haben und wollen Dinge langsam angehen.
Wie wird man ein Freimaurer?
Man entwickelt Interesse, sobald man etwas von der Freimaurerei hört. Es ist die persönliche Geisteshaltung – es geht darum, Dinge vom Gedanken der Menschlichkeit aus anzugehen. Das heißt nicht, dass wir weltfremd sind, oder ein Armutsgelübde ablegen. Das heißt nicht, dass wir eine Religion sein wollen, oder eine bessere Kirche. Die Freimaurerei richtet sich an den Einzelnen, sie sollte aus jedem Einzelnen das Gute, das bereits in ihm steckt, hervorholen. Nach dem Motto: „Werde der, der du sein könntest.“ Die persönliche Entwicklung steht im Vordergrund. Der klassische Weg ist der, dass man angesprochen wird, oder das Gefühl hat, dieser Mensch könnte etwas mit der Freimaurerei zu tun haben und ihn selbst anspricht. Der zweite Weg ist sehr einfach: Wir haben eine Website über die man uns auch kontaktieren kann – es entsteht dann ein interaktiver Dialog und wir sind stolz darauf, dass wir auch maximal 24 Stunden später alle E-Mails beantworten. So beginnt ein Kommunikationsprozess – man könnte es fast wie in einer Beziehung sehen: Es ist ein Prozess des sich Kennenlernens: Wo passt´s, wo hackt´s und wie geht man damit um. Die Bindung sollte aber für ein ganzes Leben eingegangen werden. In aller Regel bleiben die Herren bei uns, es treten nicht einmal drei Prozent wieder aus.
Was geschieht, wenn bekannt wird, dass sich ein Mitglied nicht an die Grundsätze hält?
Freimaurer geloben sich an die Gesetze des Landes zu halten, in dem sie leben. Jede Art von Rechtsbruch und strafbarem Verhalten ist natürlich verpönt – das ist aber eine Untergrenze an Standards, die wir anlegen. Darüber hinaus geht es auch um moralisches Verhalten und grundsätzliche Einstellungen. Was ich gerne zu sagen pflege, ist, dass Freimaurerei kein Verein, sondern eine innere Haltung ist. Es gibt bei den Freimaurern so eine Art Schwarmintelligenz. Das Mitglied bekommt zunächst den sozialen Druck zu spüren. Im Endeffekt kann sich die Loge natürlich auch von Mitgliedern trennen – das ist ein standardisiertes Verfahren.
Warum werden in die Großloge von Österreich nur Männer aufgenommen?
Freimaurerei hat mit persönlicher Öffnung zu tun. Die erste Aufgabe für jeden Neuling ist folgende: „Erkenne dich selbst – schau, wo deine persönlichen Fallstricke liegen, über die du im Leben immer wieder stolperst. Welchem Mechanismus hast du dich unterworfen, der dich stetig behindert?“ Ich glaube, dass man sich hinsichtlich dieser persönlichen Öffnung vor gleichgeschlechtlichen Mitgliedern leichter tut. Das hat nichts mit Ausgrenzung des anderen Geschlechts zu tun. Ein Öffnungsprozess funktioniert so einfach besser. Es gibt in Österreich auch die weibliche Freimaurerei. Es existieren drei Logensysteme: reine Männerlogen, reine Frauenlogen und gemischte Logen. Außerdem gibt es den englischen und den französischen Strang. In Frankreich waren von Beginn an Frauen dabei – es gab hier gemischte und reine Frauenlogen. Keine reinen Männerlogen. Wir leiten uns von der englischen Loge ab, respektieren aber den französischen Strang genauso. Ich habe überhaupt kein Problem mit Frauenlogen, es gibt auch gemeinsame Treffen. Das einzige, was den Engländern wichtig ist, ist der geschützte Raum der Loge, der auch in unserem Verständnis den Logenmitgliedern, und das sind nur Männer, vorbehalten ist. Die Frauenlogen in Österreich nehmen dasselbe Recht für sich in Anspruch. Interessant ist auch, dass die Geschichte zeigt, dass reine Männerlogen und reine Frauenlogen funktionieren, gemischte Logen nicht.
Fotos: Doris Kucera
Ein äußerst interessanter Beitrag. Wir wissen viel zu wenig darüber, daher gratuliere ich der Redaktion für die gute Idee, diesen Beitrag einem größeren und interessierten Publikum zugänglich zu machen.
Ein hoch interessanter Beitrag. Wir wissen viel zu wenig über die Freimauerei, daher gratuliere ich der Redaktion zur guten Idee, den Großmeister von Österreich zu diesem Thema zu interviewen und sein Wissen einem größeren und interessierten Publikum näher zu bringen.