„Wir wollen akademische Exzellenz anbieten“

Diplomatic SOCIETY hat mit dem neuen Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, Botschafter Dr. Martin Eichtinger, über seine Vision für die Ausbildung der DiplomatInnen von morgen gesprochen.

Sie sind seit dem 1. August 2025 der neue Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, welche Ziele haben Sie sich für diese Position gesetzt?

Ich bin mit großer Freude an diese Arbeit gegangen, denn es war ein absoluter Wunschposten von mir. Ich habe eine sehr breite und weitverzweigte Karriere gehabt – eine untypische für einen Diplomaten – und ich denke, ich kann unseren Studierenden aus verschiedenen Bereichen etwas mitgeben. Die Diplomatische Akademie feiert dieses Jahr 271 Jahre seit ihrer Gründung durch Kaiserin Maria Theresia, damals als Orientalische Akademie. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir die nächste Generation der internationalen Führungspersonen ausbilden, das ist unser Anspruch. Ebenso wollen wir akademische Exzellenz bieten. Wir haben mehr als hundert Lektorinnen und Lektoren aus der ganzen Welt, die bei uns unterrichten. Das akademische Niveau ist ein großes Thema für uns.

Ein so großes Haus muss immer modernisiert, digitalisiert und inhaltlich weiterentwickelt werden, denn die Welt steht vor einem großen Umbruch. Wir sind stolz darauf, dass wir inzwischen drei Masterprogramme anbieten können, einen PhD und einen Diplomlehrgang, der auch ganz speziell auf das Außenministerium vorbereitet. Bei den Masterprogrammen sind wir mit Environmental Technology und Digital Affairs in ganz neue Gegenden vorgestoßen. Nach derzeitiger Lage sind 207 StudentInnen aus 59 Ländern bei uns inskribiert, daran kann man erkennen, dass wir eine unglaublich internationale Hörerschaft haben. Unsere erste Säule ist die Lehre. Die zweite Säule sind unsere maßgeschneiderten Executive Training Programmes, welche wir für JungdiplomatInnen aus aller Welt anbieten. Hier werden sehr spezifische Programme erarbeitet und absolviert. Die dritte große Säule sind unsere mehr als 120 Veranstaltungen im Jahr, bei denen wir als Dialogplattform fungieren. Diese werden u.a. von den Botschaften sehr geschätzt. Das Angebot reicht von Buchpräsentationen bis zu Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen Themen. Ein besonderes Highlight war heuer die Botschafterinnen- und Botschafterkonferenz, wo unsere Außenministerin Beate Meinl-Reisinger im Festsaal mehr als hundert Leiterinnen und Leiter österreichischer Vertretungsbehörden begrüßte. Eine große Ehre und Freude für die Diplomatische Akademie!

Wie helfen Ihnen Ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen in der Position als Direktor der Diplomatischen Akademie Wien?

Ich kann auf einige Erfahrungen zurückgreifen, ich habe sowohl in der Privatwirtschaft gearbeitet, als auch im Wirtschaftsministerium und in der Industriellenvereinigung, ich habe drei Botschafterposten bekleidet und acht Jahre in Washington, D.C. die Leitung des österreichischen Presse- und Informationsdienstes innegehabt. Insgesamt war ich 16 Jahre im Ausland in unterschiedlichen diplomatischen Funktionen tätig, aber auch Kultursektionsleiter und Wissenschaftssektionsleiter, eine Arbeit die mich persönlich sehr bereichert hat. Eine nach moralischen Maßstäben sehr wichtige Tätigkeit für mich war das Jahr, in dem ich bei Präsidentin Schaumayer als Büroleiter für die österreichischen Leistungen an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des NS-Regimes tätig war. Ein extrem wichtiges Thema für die Aufarbeitung der NS-Zeit in Österreich.

Nicht zu vergessen meine fünf Jahre als Politiker – etwas, das für viele DiplomatInnen ungewöhnlich ist. Als Landesrat in Niederösterreich befasste ich mich mit spannenden Themen – neben Europa und internationalen Beziehungen, Sozialem Wohnbau auch mit der Finanzierung und Planung des Gesundheitssystems und dem Arbeitsmarkt. Unsere Europapolitik ist mittlerweile Innenpolitik, denn die Grenzen verschwimmen zusehends. Was Europa diskutiert, schlägt auf unsere Innenpolitik durch, was außenpolitisch in der Welt passiert (z.B. die Zölle in den USA), wirkt sich unmittelbar auf unsere Wirtschaftsentwicklung aus. Wir sehen, wie diese Dinge verzahnt sind. Ich glaube, dass man im Feld der Politik wichtige Erfahrungen macht. Ich freue mich, dass ich das mit den Studierenden teilen kann. Für mich ist dies eine krönende Zeit, denn ich arbeite gerne mit jungen Menschen und ich freue mich darauf, dass ich das in meiner Position als Direktor der Diplomatischen Akademie Wien tun kann.

Welche Bedeutung hat, Ihrer Meinung nach, die Diplomatie in der aktuellen weltpolitischen Lage und wie kann man zukünftige DiplomatInnen auf ihre Tätigkeit vorbereiten?

Wir haben einen besonderen Auftrag, denn wir bilden die nächste Generation der Führungskräfte aus. Wir müssen ihnen viel mitgeben, denn die Welt ist in einem Umbruch, wie ich ihn in den letzten Jahrzehnten höchstens beim Fall des Eisernen Vorhangs erlebt habe. Es gibt eine große Verantwortung für die nächste Generation an Führungspersönlichkeiten, von denen große Flexibilität und viel Kreativität verlangt wird. Ich stehe auf dem Standpunkt, kreativ kann man sein, wenn man ein fundiertes Basiswissen hat. Wenn man die „Facts and Figures“ kennt, kann man beginnen, kreativ tätig zu werden, ob es Sprachengewandtheit oder inhaltliche Sattelfestigkeit ist. Man braucht eine starke Basis, der nächsten Generation muss auch ein demokratisches Wertefundament und Verantwortungsbewusstsein vermittelt werden. Ein Punkt, der mir wichtig ist, und Österreich wichtig sein muss. Wir bewerben uns für einen nicht ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für die Jahre 2027-2028, weil wir als Österreich Verantwortung übernehmen wollen und im internationalen Bereich dieses System, das uns in den letzten Jahrzehnten sehr gute Dienste geleistet hat und das jetzt an allen Ecken und Enden zu krachen beginnt, wieder in Ordnung bringen wollen. Da kann Österreich als Sitz der Vereinten Nationen viel bewirken. Wir wollen den personellen Beitrag leisten, dass unsere AbsolventInnen für diese Aufgabe gerüstet sind.

Welche Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach für DiplomatInnen besonders wichtig?

Was man braucht für diesen Beruf ist eine große Neugierde, man will Kulturen, Länder und andere Menschen kennenlernen. Dafür muss man gut kommunizieren und auf Menschen zugehen können. Wichtig ist auch, einen Partner bzw. eine Partnerin zu haben,die  das mittragen. Es ist für mich ein Traumjob und wenn ich nochmal von vorne anfangen müsste, würde ich wieder eine diplomatische Karriere anstreben.  

Sie waren  Präsident des Europaforums Wachau, aber auch für die Umsiedlung des European Union Youth Orchestra nach Grafenegg zuständig und sind weiterhin Vorstandsmitglied, können Sie mir mehr darüber erzählen?

Das European Union Youth Orchestra, welches seit inzwischen fünfzig Jahren besteht, ist „Europe at its best“. Es ist das Schönste, was Europa zu bieten hat und hat bei historischen Anlässen wie z.B. anlässlich der 30 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs vor dem Brandenburger Tor gespielt. Per Statuten hat es aus jedem europäischen Mitgliedstaat mindestens ein Mitglied und es steht unter dem Ehrenschutz der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola. Wenn man sieht, mit welcher Freude die MusikerInnen zusammen musizieren, mit welcher Begeisterung sie in einem europäischen Projekt zusammenwirken, Musik kennt bekanntlich keine Grenzen, dann ist das wirklich herzerwärmend. Daran erkennt man, wofür Europa steht.