„Russland nach den Wahlen“ stand im Fokus einer angeregten Diskussion, die in Kooperation zwischen der neuen Gesellschaft „Forum Österreich-Russland“ (FOR), dem SOCIETY Magazin und der Diplomatischen Akademie Wien am 28. September im Festsaal der Diplomatischen Akademie stattfand. Auf dem Podium legten der russische Botschafter Dmitrij Ljubinskij, der Politologe Gerhard Mangott, der Direktor der Diplomatischen Akademie, Emil Brix, und das Vorstandsmitglied der VAMED, Andrea Raffaseder, ihre Ansichten dar.
Botschafter Ljubinskij zitierte in seinem einleitenden Referat den russischen Außenminister Sergej Lawrow, der vor der UN-Generalversammlung in New York kürzlich betonte: „Wir sind alle in einem Boot. Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, dass dieses Boot auf den Wellen der Weltpolitik stabil bleibt.“
Zu den Duma-Wahlen (17.-19. September), aus denen die Regierungspartei „Einiges Russland“ siegreich hervorging, führte der Diplomat aus, über 50 Prozent der Russen „stimmten für ein starkes Russland“. 250 Wahlbeobachter aus 50 Staaten hätten den Urnengang verfolgt, OSZE und Europarat allerdings nicht, was Ljubinskij als „Boykott“ wertete. Russland stehe generell im Westen „in der Kritik“, beklagte er. Demnächst würden aber in Sachen Wirtschaft und Ökologie bilaterale Gespräche zwischen Österreich und Russland stattfinden.
Der Osteuropa-Experte Mangott kritisierte, Russland zeige „einen immer repressiveren Charakter“. Die Wahlen dienten als „Legitimationsquelle“ für Präsident Wladimir Putin. Angesichts der stagnierenden Wirtschaft habe „der nationalistische Mobilisierungskonsens seine Kraft verloren“. Die Angst der Menschen vor Instabilität komme Putin zugute. Die Duma bezeichnete der Professor der Universität Innsbruck als „marginalisiertes Organ“, das kein großes Vertrauen genieße. Mangott merkte auch an, dass viele Oppositionelle vom Wahlrecht ausgeschlossen waren.
Der Chef der Diplomatischen Akademie äußerte seinerseits Kritik am russischen System, das oppositionellen Gruppen nur wenige Möglichkeiten einräume. Die Kommunistische Partei trete als Opposition auf. Letztlich sei es bei der Parlamentswahl aber um den Präsidenten gegangen, denn Putin habe 2024 eine Wahl zu bestreiten. Ängste vor Veränderungen würden geschürt, analysierte Brix, ehemaliger Botschafter Österreichs in Moskau.
Versöhnliche Töne schlugen die Diskussionsmitglieder in ihrer Sicht auf die Weltpolitik an. „Russland und der Westen sollen einander nicht belehren“, erklärte Mangott. Das Verhältnis China-Russland dürfe nicht zu einer Allianz gegen de Westen führen. Europa sollte auch unabhängiger von den USA agieren. Nach den Worten von Brix sei die Gemeinsamkeit Europas in Gefahr. Russland und die Europäer sollten besser zusammenwirken.
Andrea Raffaseder beklagte die negative Auswirkung von Sanktionen auf Unternehmen. So waren VAMED-Projekte öfters von Iran-Sanktionen betroffen.
Mit der Russland-Veranstaltung präsentierte sich das im Sommer gegründete österreichisch-russische Forum erfolgreich. Präsident des FOR ist WKÖ-Vizepräsident Richard Schenz, Vizepräsident der Nat.Abg. Christoph Matznetter.
Text: Mag. Hermine Schreiberhuber
Fotos: SOCIETY/Pobaschnig