Die Marken – ein unentdecktes Paradies

Mitten in Italien, nahe der Toskana, im Süden von Venedig, im Osten von Florenz, befindet sich eine weithin unbekannte Region. Die Marken – italienisch Marche – mit historischen Städten wie Ancona und Urbino, mit romantischen Bergen, Dörfern und Weingärten, liegen zwischen Apennin und Adria. Ein Juwel, das es zu entdecken gilt. 

von Mag. Hermine Schreiberhuber

In dieser Region sind die Besucher vom Massentourismus verschont. Man kann Landschaft, Natur, Kultur, Gastronomie genießen – zu jeder Jahreszeit. Geschichte und Tradition spiegeln sich in lebendigen traditionellen Festen. Urbino, Kunstzentrum der Renaissance, Heimatstadt von Bramante und Raffael, überstrahlt alles. 

Feinschmecker kommen hier voll auf ihre Kosten. Sie können preisgekrönte Rot- und Weißweine, Olivensorten und regionalen Käse goutieren. Fast das ganze Jahr kann man frisch geernteten Trüffel in fantasievollen Speisen genießen. Trüffel in vielerlei Gestalt ist eine Spezialität der authentischen Marken. 

Das Tourismusamt schlägt diverse Reiserouten vor, damit Besucher von nah und fern ihren Aufenthalt nach persönlichem Interesse gestalten können. Der Fokus mag auf der Erkundung von historischer Architektur und Kulturschätzen liegen, auf Wein- und Agrarprodukten, oder auf Entdeckung der Natur.

Unsere Reise führte uns zunächst nach Urbino, zu einem Hotel in den Weinhügeln. In der Tenuta Santi Filippo E Giacomo erwartete uns ein köstliches Mahl. Weißer Trüffel ist ein Leckerbissen. Die Herberge bietet ein Wellness Center mit schöner Aussicht auf benachbarte Weinberge und verlockt zu Spaziergängen. 

Urbino, eine Perle der Kultur und Geschichte 

Urbino ist zu Recht UNESCO-Weltkulturerbe. Erzbischofssitz, Universitätsstadt, Wiege der Renaissance. Die Heimatstadt der Künstlergranden Bramante und Raffael beherbergte die Malerschule von Raffaels Vater Giovanni Santi. Highlights: Palazzo Ducale, einst Residenz von Federico Montefeltro, Nationalgalerie mit Gemäldesammlung, klassizistischer Dom. 

Ancona ist die Hauptstadt der Marken, doch Urbino war und ist das kulturelle Zentrum der Region. So findet sich hier das Nationalmuseum der Marken. Der große Sohn der Stadt, Raffael, ging schließlich der Karriere wegen nach Florenz und Rom. Sein Vater ist ebenso wie er durch einige Gemälde in Urbino präsent. 

Urbino blickt auf eine große Geschichte zurück. Die Geschlechter der Medici und der Sforza kämpften um die Vorherrschaft in der Toskana. Auch der Militärführer Federico, von Papst Sixtus IV in den Herzogsstand erhoben, war an der Toskana interessiert. Der Bau seines Palastes dauerte 40 Jahre. 

Trüffeljagd, Oliven- und Weinverkostung 

Von der Kultur zurück zu Gaumenfreuden. In Acqualagna gehen wir auf Trüffeljagd. Eine Straße reich an Serpentinen führt uns zum Restaurant Tana del Lupo zur Verkostung von Trüffelspezialitäten. Dann geht es bergauf zum Trüffeljäger samt Hund, der Früchte auf dem Feld erschnüffelt. Ein Erlebnis!  

In Terre Roveresque verwöhnt uns die Azienda Agraria Guerrieri mit Oliven, Pasta und Wein. Seit sechs Generationen lenkt Familie Guerrieri den Betrieb. Gratis-Führungen gibt es das ganze Jahr. Mehr als 40 Weinsorten werden angebaut. In den Weinbergen arbeiten treue Familien aus der Region, so der Chef. Exportiert werde weltweit. Eine Spezialität: der rote Guerriero della Terra. 

Von antiken Höhlen zu traditioneller Pasta 

Die riesigen Karsthöhlen bei Genga, die Frasassi Grotte von 1,5 Kilometern Länge, verlocken zu unterirdischen Wanderungen. Sie sind 120.000 Jahre alt, aber erst seit 1974 öffentlich zugänglich. Das historische Hotel Marchese del Grillo, vormals ein elegantes Palais, rühmt sich hoch dekorierter Weine. Regionale Speisen wie Pincinella verwöhnen die Gäste. Ein Wellness-Zentrum ist im Bau.

Die UNESCO-Kulturerbe-Stadt Fabriano ist Zentrum des Kunsthandwerks – der zwölf Gilden, unter ihnen Schmiede, Steinmetze und Papiermacher. Einzigartig sind das Papiermuseum und das Teatro Gentile. Die Kathedrale San Venanzio erinnert an das Massaker an der Ciavelli-Familie von 1435 und die großen Erdbeben. Das Fest des Patrons wird Ende Juni in historischen Kostümen zelebriert.

Gespräche mit Gastro-Experten der Belisario 

In Matelica informieren uns Experten im Rahmen einer Weinverkostung in den Cantine Belisario über den Weinbau. Belisario ist eine Kooperative von über 40 Winzern, die exzellente Weine auf mehreren hundert Hektar produzieren. Der Mix von kontinentalem und mediterranem Klima ergibt eine besondere Note. „Genius Loci“ heißt der hiesige Verdiccio, angebaut auf 900 Metern Seehöhe. 

Kaninchen, Fenchel und Forellen aus der Region werden hier genossen. Von den Weinen werden 35 Prozent exportiert. Einzigartig ist die Kreation des Melitites – ähnlich dem Wein, den einst die Römer tranken, mit Honiggehalt von 20 Prozent. Das Hotel Belisario existiert erst seit einem Jahr; jedes Zimmer in dem früheren Palais bietet Design-Möbel. Auch Thonet ist vertreten. 

Auf den Spuren der Römer und zum Kunsthandwerk 

Das Städtchen Fermo führt in die Antike, zu römischen Zisternen. Palazzo dei Priori, Pinakothek, Globensammlung und Archäologisches Museum sind weitere kulturelle Zeugnisse. Sie offenbaren den Bezug zu Venedig. In Tolentino, wo 1797 Napoleon und Papst Pius VI den Friedensvertrag signierten, lohnt sich ein Blick von der Kirche San Nicola auf das Umland. Im Design-Hotel Interno Marche werden als Delikatessen Oktopus und Adlerfisch kredenzt. 

Ripatransone hat wie viele Dörfer der Marken ein entzückendes historisches Theater. Im Club dei Colli Ripani verkosten wir olivenreiches Essen. Auch ein Wein ohne Alkohol wird angeboten. Offida ist bekannt für den historischen Karneval mit Ochsen und sein Kunsthandwerk. Läden mit Textilstickerei bieten einzigartige Souvenirs. Weine und Essen in der Cantina Ciu Ciu sind delikat. Der Name Ciu Ciu ist zu einer eigenen Marke geworden. 

Biodiversität und achtsame Vermarktung

Agrotourismus und Biodiversität sind in den Marken Richtlinien. Lokale Arbeitsgruppen (GAL) sind bemüht, Weingüter, Brauereien, Oliven-, Trüffel-, Käseproduzenten, Restaurants zu vermarkten. Mit Respekt vor Tradition und Kultur. Der Nationalpark Monti Sibillini lädt zu Wander- und Radtouren ein. Eine ideale Entspannung nach Kulturgenuss und Gaumenfreuden. 

Ein Resümee: An der Spitze steht der Wein. Der Verdicchio ist einer der bekanntesten Weißweine Italiens. Unter den Rotweinen ist der Rosso Piceno Kennern ein Begriff. Auch Bianchello, Passerna und Pesorino gelten als weiße, Rosso Conero und Rossoi Piceno als rote Delikatessen. Weintourismus ist populär geworden. In Weingütern und -kellern geben Önologen fachliche Auskunft. 

Neben der traditionellen Weinkultur entwickelten sich in jüngerer Zeit ländliche Bierbrauereien. Bier aus Apecchio in der Montefeltro-Region wurde international ausgezeichnet. 

Die Marken bieten mehr als 20 Sorten von Oliven. Auf Dorffesten werden Öle und ölreiche Speisen präsentiert. Besuche von Olivenfarmen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Wanderungen auf Olivenrouten sind Entdeckungsreisen im bergigen Gelände. 

Neun Sorten Trüffel werden angebaut; angeboten werden Trüffeljagden und eigene Kochkurse. Auch köstlicher Käse, Salami, Prosciutto Crudo, Pasta und Süßspeisen tragen ein Marken-Etikett. Nicht zu vergessen: delikater Honig. In der Gegend von Urbino kann man etwas über Bienenzucht lernen. 

Fotocredit: Omnia Communicazione