Silat – wo Kampfkunst auf Spiritualität trifft

Das raue Leben im südostasiatischen Dschungel ließ bereits im 4. Jahrhundert, zur Zeit des Königreiches Langkasuka, eine Kampfsportart entstehen, die gegenwärtig zu den ältesten existierenden Kampfkünsten der Welt zählt. Auch in Österreich gibt es Silat-Schulen, an denen das „kunstvolle Kämpfen“ gelehrt wird.   

von Sarah Heftberger

Silat, auch Pencak Silat genannt, wird heute von Millionen Menschen, besonders in Südostasien, praktiziert. Ihre Wurzeln liegen im malaiischen Archipel, wo sie aus der Notwendigkeit heraus entstand, sich gegen Menschen und Tiere effizient zu verteidigen. Daraus ergaben sich über die Jahrhunderte ein umfangreiches Repertoire an Schlag-, Tritt- und Griff- sowie zahlreiche Anwendungstechniken unterschiedlichster Waffen. Inspiration dafür erhielt man von der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, deren Imitierung im Zuge der Entwicklung von Silat stetig perfektioniert wurde.  

Alleine in Malaysia gibt es gegenwärtig mehr als 150 verschiedene Silat-Stile, beinahe jedes Dorf hat eigene Techniken und Besonderheiten. Mit der Gründung von nationalen Pencak Silat-Organisationen wie der PESAKA in Malaysia oder der IPSI in Indonesien und der Etablierung des Weltverbandes PERSILAT verbreitete sich die Sportart in den letzten Jahrzehnten auch außerhalb der Ursprungsländer.

Ein österreichischer Silat-Meister

Auch in Österreich – wenn auch noch selten – wird die südostasiatische Kampfkunst praktiziert, so zum Beispiel von Boris Grkinic-Lee, der in Wien seit 2020 den Pencak Silat Club „Bongsu Silat“ betreibt und zu den erfolgreichsten Pencak Silat-Athleten Österreichs zählt. Seit über 20 Jahren übt er die Kampfkunst bereits aus. „Eigentlich war es Zufall, ich wollte Kampfsport machen und habe mir in einer Kampfsportschule Karate angesehen. Dort gab es aber auch Silat, das mich sofort fasziniert hat. Ein Jahr später war ich schon in Malaysia und habe dort trainiert und kurz später das erste Turnier gewonnen“, erinnert sich Grkinic-Lee im Diplomatic SOCIETY Interview. Was Silat besonders macht? „Dass im Wettkampfsport Schläge und Tritte im Vollkontakt erlaubt sind, Kopftreffer sind aber tabu. Darüber hinaus ist Silat eine umfassende Kampfkunst, die eine faszinierende Ästhetik und in ihren Bewegungen jahrhundertelanges Wissen und Tradition transportiert.“ Auch deshalb wurde das malaysische Silat 2019 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Neben der sportlichen Komponente spielt vor allem die Philosophie, auf der Silat basiert, eine zentrale Rolle für Silat-Kämpferinnen und Kämpfer. Diese fußt auf vier wesentlichen Elementen: Selbstverteidigung („Beladiri“), sportlicher Wettkampf („Olahraga“), kunstvolle Bewegungen („Seni“) und Spiritualität oder innere Kraft („Olah Batin“). „Mit dem Wissen um diese vier Elemente lässt sich jedes Silat Training gut einordnen“, erklärt Grkinic-Lee. 

Mit Malaysia – wo Silat tief in der Identität des Landes verwurzelt ist – hat der zweifache Vater jedenfalls eine besondere Verbindung. In seiner Studienzeit reiste er oft in den Inselstaat, mit seinem Meister bzw. „Cikgu“ Halim, der in Kuala Lumpur lebt, steht er bis heute in regem Austausch, lässt ihn bei jeder Gürtelprüfung seiner Schule live über Zoom zuschalten. „Auch mit der Kultur Malaysias setze ich mich intensiv auseinander. Silat erlaubt mir einen ganz besonderen Zugang zum Land“, betont er zudem. Der Stil, der in seinem Club „Bongsu Silat“ trainiert wird – Gayung Fatani – stammt ebenfalls aus Malaysia. Auch einen seiner größten sportlichen Erfolge feierte er in Malaysia, wo er 2012 an der Silat-Weltmeisterschaft in Kuala Lumpur teilnahm. „Die WM war eine einzigartige Erfahrung. Auf den 3. Platz dort bin ich sehr stolz“. Noch bedeutender für den Schwarzgurt sind aber seine zwei Siege bei den Belgium Open, einst Europas größtes und stärkstes Pencak Silat Turnier. Nun widmet sich der Akademiker und mehrfache österreichische Meister aber dem Nachwuchs: „Meine Mission ist es, möglichst vielen Menschen in Österreich die Schönheit und die großen Vorteile von Pencak Silat als Kampfkunst und Sport zu vermitteln. Und jenen, die an Wettkämpfen teilnehmen wollen, die bestmögliche Vorbereitung dafür zu bieten.“

Fotos: Carmen Trappenberg Fotografie